Nur zur begrifflichen Klarstellung, ich denke nicht, dass wir hier von gesellschaftlichem Vernunftverständnis sprechen: Dies und jenes ist vernünftig, weil es gesellschaftskonform ist - dementpsrechend hast du Vernunft (erhalten / erlernt / aufgezwungen bekommen), sobald du dich der Gesellschaft angepasst hast.

Ich betrachte die eigentliche menschliche Vernunft gerade als die Möglichkeit, sowohl symbolisch, als auch formal Zusammenhänge kognitiv erschließen zu können - was anders ausgedrückt heißt: Vernunft ist die Fähigkeit zu lernen.

Mit diesem Verständnis wird die Frage natürlich zum Paradoxon, da man zum erlernen der Vernunft, diese bereits benötigte. Und dieses Problem wäre evolutionstheoretisch auch nur lösbar, wenn man diese Fähigkeit durch biologische Weiterentwicklung des Gehirns erklären würde. Quasi hat die Natur uns die Vernunft geschenkt bzw. das Potential, sie nutzen zu können - was nicht bei jedem der Fall ist ;)

Als Fazit könnte ich nur ein solches geben, dass die Frage verneint werden muss.

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Hat jemand oder etwas einen Wert kann man ihn oder es als wertvoll bezeichnen. Mit diesem Ausdruck kommen einem spontan schon einige Interpretationen hoch. Z.B. der Wille, es zu erhalten, zu bewundern, zu besitzen. Letzteres lässt sich nur dahingehend auf den Menschen übertragen, dass man nicht einen Menschen besitzen möchte, sondern das, was das wertvolle Mensch-Sein ausmacht - dazu kann man dessen Würde, Einzigartigkeit oder Moralität zählen... so wie unzählige andere Dinge. M.E. sind sowohl der erste als auch der dritte Aspekt leere Subjektivitäten, der zweite allerdings eine unmissverständliche Tatsache. Uns widerstrebt die Vorstellung eines absolut einheitlich tristen Universums, weshalb wir dessen Vielfalt gerade so schätzen. Insofern besteht der Wert eines jeden Elements in der Relation zu allen anderen Elementen, hier bezogen auf die Einzigartigkeit, aber wir können es auch bezüglich anderer Eigenschaften tagtäglich feststellen. So wird der Warenwert durch seinen Tauschwert bestimmt, also durch die Relation seiner Begehrtheit zu anderen Waren. Ebenso ist es bei wissenschaftlichen Aussagen, wo Wahrheit in Relation zur unzureichenden Nachvollziehbarkeit aller anderen Thesen steht. Dieses relative Werten kommt sogar in der Liebe vor. Es ist ein tief verankerter menschlicher Relativismus, den so manch einer leugnet.

Um also auf die Frage zurück zu kommen, der Wert eines Menschen ist relativ von seinen relevanten Eigenschaften abhängig. Deren Relevanz bestimmt aber ein jeder für sich selbst und viele sehen schon die Eigenschaft des alleinigen Mensch-Seins als genügend an, um einen Menschen bzw. somit alle Menschen als wertvoll betrachten zu können.

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Zuerst einmal: ich finde es erfreulich, dass du in die Philosophie einsteigen möchtest und ich interessiere mich dafür, in welchem Alter du bei dieser Entscheidung bist. Ich persönlich war erst richtig mit 16 dabei.

Zur Philosophie: Es gibt verschiedene Herangehensweisen. Der Vorschlag von lordpropo, dass du dir zuerst einmal eigene Gedanken machst um nicht zu sehr von "großen" Philosophen beeinflusst zu werden, ist eine wirklich ratsame Idee. Aber welche Fragen soll man sich stellen? Dafür könnte dann doch ein kleiner Einblick in die Philosophiegeschichte hilfreich sein, wo allgemeine Strömungen von Ideen aufgeführt werden, mit denen man sich dann beschäftigen kann - wie Empirismus vs. Rationalismus, die vielen Ethiken der Antike und Neuzeit sowie auch Staatskonzepte der Antike und des Barock, die Ideale der Aufklärung, moderne Wissenschaftsphilosophie, usw...

Ja, nun gut. Welches Buch wäre dafür geeignet? Du sagst du willst keine Einzelphilosophen, aber wie ebenfalls unten genannt wirst du daran mit Sicherheit nicht vorbei kommen - wie Descartes und der Rationalismus, Locke und Hume und der Empirismus, Platon und die Staatsphilosophie, Ethik mit Aristoteles, Epikur, Kant, Bentham, Mill, Nietzsche, usw.... ich persönlich kann das hierfür gängige Buch "Sofies Welt" empfehlen. Ich selbst habe es erst vor kurzem nochmal gelesen und es birgt neben den Informationen auch eine äußerst nachdenkliche Geschichte (auch wenn mir der Schreibstiel nicht gefällt). Dort werden die wichtigsten Strömungen grob geschildert, immer im geschichtlichen Zusammenhang, sowie die Philosophen charakterisiert. Es ist ziemlich an der Erkenntnistheorie orientiert und gibt hier einen guten Überblick. Es ist aber sowieso kein Buch, das man durchlesen muss und fertig ist's. Du kannst dort aber Anreize erhalten für Themen, wo du dich näher informieren möchtest. Danach würde ich mich einfach mal im Internet zur Ethik schlau machen. Wichtige Anlaufpunkte: Aristoteles Eudaimonismus, Epikurs Hedonismus, Benthams und Mills Utilitatrismus, Kants Pflichtenlehre und Nietzsches Nihilismus :) bezüglich der Staatsphilosophie sind auf jeden Fall Platon, Aristoteles, Hobbes, Locke, Rousseau wichtig. Wirklich schwierige aber extrem gute Kost sind so manch moderne bekannte Philosophen: Heiddeger, Habermas (der einzige von allen aufgeführten, der noch lebt ;) und Adorno. Auch wichtig anzuschauen: Sartre (und diesbezüglich auch Kierkegaard) und Karl Popper. Und 2 des 19. Jahrhunderts die ich noch vergessen habe, aber unbedingt angeschaut werden müssen sind Schopenhauer und Marx.

Wenn du dir hieraus so manch ein Thema pickst werden deine Interessen dich sowieso in alle Ecken der Philosophie hintreiben. So kommst du langsam ins Ganze hinein und durchschaust die Zusammenhänge. Es ist aber unausweichlich für's Verständnis sich mal näher mit der Philosophie Einzelner auch mithilfe von Originallausgaben zu beschäftigen. Es gibt natürlich auch Sekundärliteraturen die zusammenfassen, aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass es ein wesentlich intensiveres Gefühl ist, Primärtexte durchzuackern.

Viel Glück :)

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Eine ausgezeichnete Frage, wirklich!

Die Abschattung vom Verachteten, der Versuch nicht in der Menge durch Anpassung unterzugehen , die Ruhesuche zur Förderung des Denkens, die Ablehnung jeder kommerziellen Massenkultur, die Misanthropie - sie alle sind gute Motive, die ein gesundes Einzelgänger Wesen fördern. Man betrachtet sich selbst nicht mehr als Mitglied des sich ewig wiederholenden Possenspiels, welches tatsächlich voller Primitivität steckt - man muss nur richtig hinschauen und sich nicht vorsagen lassen, dass alles normal sei.

Ja, wo bleibt nun die Liebe fragst du? Sowohl Liebe empfangen, als auch besonderns Liebe zu geben werden durch solch eine Einstellung nicht erleichtert. Aber doch nur im alltagsgebräuchlichen Sinne dieses Wortes!

Wie sollte man als Menschenverachter auch nur einen von ihnen wahrhaft lieben lernen, in dem Sinne, sich ihm völlig hinzugeben, sein Selbst zu teilen und sich dabei auch noch wohl fühlen zu müssen. Der Verzicht die Macken auszuleuchten, wie man es sonst doch immer bei jedem getan hatte, bis man anfing sie zu resignieren. Doch selbst die Teilnahmslosigkeit ist in diesem Liebesverständnis keine gültige Form, da wir unsere Liebe nach außen hin zeigen müssen, quasi beweisen. Der größte Beleg unserer Zeit dafür ist ironischer Weise in der asketisch lieblosen Kirche verankert: in der Ehe. Die absurde Reduktion von Gefühlen auf einen Gegenstand: einen Ring. Alles in dem Glauben Gottes Segen über sich zu wissen, obwohl wir heutzutage mehr vorehelichen-Sex-habende Atheisten als Theisten in Deutschland zählen - letztere erleben in diesem Akt die größte Perversion, da sie aus Angst heiraten. Angst vor Gottes Verachtung ihrer Unehelichkeit und Angst vor ehelosen Kindern, die armen gottlosen Bastarde. Das sprengt nun endgültig den Rahmen sinnvoller Kultur. Kinder als gängiger Beziehungsgrund. Aber es mag auch noch Leute geben, die wirklich lieben. Und das völlig reuelos, ohne das Gefühl das Verlustes - vielleicht macht gerade das sogar die gängige Liebe aus. Aber nicht die unsere!

Wir stehen in Distanz zum Menschen, daran ändert kein Grad an Zuneigung etwas, da wir auch in ihm die allgemeine Verkörperung dessen erblicken, was uns tagtäglich bei anderen so abstößt. Unsere Unfähigkeit in dieser Person die eine besonders individuelle zu betrachten, die sich so sehr von allen anderen unterscheidet, entsteht durch unsern Trotz mit in jenes Possenspiel miteinbezogen zu werden, in dem sich ein jeder bei seiner 14. Beziehung einredet, dass genau diese außergewöhnlich sei, nur um sie im Nachhinein als abstoßend zu empfinden.

Nein, unsere Liebe ist etwas anderes. Sie kann nicht so vergänglich und unbedeutend sein. Genau dies reizt auch nur einen simplen Charakter, der nicht das Ganze zu betrachten vermag. Bevor wir jemanden lieben lernen, müssen wir lernen, alle zu lieben. Und zwar nicht in diesem abgeschmackten oberen Schema, sondern in einem tiefen inneren Bewusstsein unserer allgemeinen Einzigartigkeit gegenüber allem anderen in der Welt. Wir müssen jedes einzelne Blutvergießen nicht als eine Untat schlechter feindlicher Parteien betrachten, sondern den Geschichtsverlauf als ein ewiges Wechselspiel von ungemeiner Emotionalität bewundern und innerhalb dieser Zeitgeraden, einen jeden Gefallenen gleichsam und gleichzeitig betrauern. Wir müssen uns über die verzweifelt eingeengten Meinungsfreiräume der Politiker amüsieren, ebenso über die Begabung anderer, dich nicht verstehen zu können - solange du es selbst tust. Man muss die großen Taten nicht als die einzelner betrachten, sondern als die einer langen Kette. Du erkennst den Weltgeist als keinen starren Werteturm, sondern als etwas lebendiges, von dem du denkst, außen vor zustehen, aber gerade durch diese Sonderstellung ebenso deinen Anteil dazu gibst, deine Rolle einnimmst. Wir können uns abschatten und über die Primitivitäten der Gesellschaft den Kopf schütteln, aber doch zugleich darüber lächelnd, dass man sich selbst aus dem großen Zusammenhang nicht ausschließen kann und zugleich dessen dankbar sein sollte, da auch ein Einzelgängerleben ein wahrhaft gutes Leben sein kann.

Und sobald man ein solches Menschenbild aufgenommen hat, wird man die Liebe zum Leben eines jeden Menschen dieses Kreislaufes auch auf den Einzelnen übertragen können. Da es genau dieser war, der dir in diesem Gewusel begegnet ist. Er steht genau jetzt zu deiner Seite und betrachtet mit dir gemeinsam das Geschehen, das du auch in ihm wiedergespiegelt siehst und das ihr niemals wirklich verlasst habt.

Er hält die Hand des Mannes, der ihm das Leben vor Augen geführt hatte. Der sich dem seinen entheben konnte. Der nicht um die Verlorenen trauerte, sondern viel mehr den Erhaltenen die Hand gab, sie küsste und ihre Nase in Ruhe ließ. Er ist der Mann, der er ist! Und er hat sich erhoben.

aus Affektsturm

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