Hat die Gen-Z eine völlig verzerrte Sicht auf die heutige Arbeitswelt?
Nein. Gen-Z hat begriffen, dass mehr Arbeitnehmer in Rente gehen als nachkommen, und sie sich daher ihre Arbeitgeber aussuchen können. Die Arbeitgeber wiederum haben großteils diese Entwicklung, vor der man bereits vor über 30 Jahren warnte, verschlafen und nichts getan. Jetzt müssen sie eben damit leben.
Gen-Z möchte im Grunde das, was alle möchten: vom Gehalt leben können, sich etwas leisten können und etwas vom Leben haben.
Im Gegensatz zu früheren Generation aber besteht Gen-Z auf deutlich mehr auf die Einhaltung ihrer Rechte. Das stößt vor allem eben den Branchen auf, die seit langem schlecht bezahlt werden und wo die Arbeitnehmer weitgehend ausgebeutet werden, also z.B. Reinigungsgewerbe oder die Gastronomie. Bei den Hungerlöhnen dort hat eben kaum noch jemand Lust arbeiten zu gehen, und warum sollten sie das auch bei Aussicht auf eine Rente unter Sozialhilfeniveau nach 45+ Jahren Arbeit in der Branche?
Wer dagegen eine verzerrte Sicht hat sind die Arbeitgeber, die die Welt nicht mehr verstehen und lautstark jammern. Denn die haben noch immer nicht begriffen, dass der Arbeitsmarkt ein Markt ist, und sich die Bedingungen eines Marktes je nachdem, wo gerade das Überangebot ist, ändern können. Und aktuell gibt es ein Überangebot an Arbeitsstellen, also die Arbeitssuchenden/-einsteiger können sich im Gegensatz zu früher die Stellen aussuchen. Damit kommen viele Arbeitgeber aber nicht klar, dass man sich nun auf einmal um Azubis/Arbeitnehmer bemühen muss.
Wie viele Freiheiten sollen Arbeitnehmer an ihren Arbeitgeber stellen dürfen?
Ich finde das hängt vom Einzelfall ab, und lässt sich so pauschal nicht sagen. Wer z.B. in einem Industriebetrieb am Fließband herstellt, wird sicherlich nicht in Heimarbeit gehen können.
Sind viele Arbeitgeber zu unflexibel hinsichtlich möglicher Benefits, die gewährt werden könnten?
Eindeutig ja, denn es wurde im Laufe der Zeit vieles, was es früher gab, eingespart - also Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Wer jedenfalls meint, nur mit einem Obstkorb könnte man heutzutage Mitarbeiter ködern, hat die aktuelle Lage nicht begriffen.
Handfeste Vorteile wären z.B. bezahlte Bahnkarte, kostenlose Kantine und Weiterbildungsperspektivern oder betriebseigenes Fitness-Studio.
Fehlt der Gen-Z das Verständnis dafür, dass ihr Wohlstand auf der harten Arbeit der Vorgängergenerationen basiert?
Eine absolut dumme und vor allem bösartige Frage, denn sie unterstellt Gen-Z ja Undankbarkeit.
Ich möchte darauf so antworten: wer hat denn Gen-Z erzogen, wenn nicht die Vorgängergenerationen? Wer hat denn Gen-Z Raffgier, Profit geht über alles und Rücksichtslosigkeit vorgelebt? Sicher nicht Gen-Z! Gen-Z ist das Ergebnis der Erziehung der Vorgängergenerationen! Die haben eben gesehen, wie sich ihre Eltern haben ausbeuten lassen, was sie dafür häufig als Dank vom Arbeitgeber bekamen - bestenfalls einen feuchten Händedruck und schlimmstenfalls einen Arschtritt - und kamen zum Schluss: nicht mit mir!
Und dafür, finde ich, ist Gen-Z prächtig geraten, denn die wollen einfach nicht nur saudummes Wirtschaftswachstum auf Teufel komm raus, Ellbogengesellschaft und ähnliches, sondern fragen auch stark nach dem Sinn der eigenen Arbeit. Die wollen etwas bewegen. Einfach Arbeiten reicht nicht nur aus, sondern es soll Sinn machen und sie wollen auch Leben.
Ich finde, Gen-Z ist trotz ihrer Elterngeneration ganz wunderbar geraten.
Sind grundlegende Tugenden im Laufe der Generationen verloren gegangen?
Nein. Übrigens auch hier wieder böses Minenfeld, denn die Leute, die hier oft mit Tugenden argumentieren meinen in Wirklichkeit damit die fehlende Möglichkeit, Gen-Z wie ihre Elterngeneration ausbeuten zu können.
Eines mag zutreffen: Gen-Z ist glücklicherweise deutlich weniger autoritätshörig als ihre Vorgängergenerationen. Sie lassen sich nicht so einfach von hohen Positionen und Titeln beeindrucken wie ihre Eltern. Bei Gen-Z gilt daher deutlich stärker als früher, dass man Mitleid geschenkt bekommt, aber sich Respekt erst verdienen muss.
Auch das eine Sache, die viele Leute, die auf der Welle der grundlegenden Tugenden daherreiten, eben instrumentalisieren wollen. Getreu dem Motto: leiste du erst einmal etwas im Leben, bevor du Forderungen stellt und das Maul aufmachst. Glücklicherweise leistet sich Gen-Z auch schon vorher eine fundierte, eigene Meinung.