Eine schöne Frage!
Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückblicke, haben mich (das gilt wohl für die meisten Menschen) größere und kleinere Traurigkeiten heimgesucht - ein manchmal nicht leicht zu ertragendes, aber wichtiges und intensives Gefühl.
"Unendlich traurig" - ich erinnere mich an zwei Situationen in meinem Leben, die mich tieftraurig gestimmt haben und deren starke Emotion zeitweilig immer noch nachhallt, plötzlich, wie aus heiterem Himmel. Ich möchte gerne eine Situation beschreiben:
An einem Nachmittag vor wenigen Jahren habe ich mal meine Mutter an einer U-Bahn-Station abgeholt. Ich hatte sie einige Wochen nicht mehr gesehen. Ich erinnere mich genau: ich fuhr die Rolltreppe zum Bahnsteig hinunter und bemerkte sie schon von Weitem. Sie sah mich erst nicht. Ich weiß nicht ... sie kam mir auf einmal so gealtert vor. Ich hatte sie nie so gesehen, als hätten die vielen Jahre ihr mit einer rauen Hand hinterrücks über das Gesicht gestrichen, dass sie mit einem Zuge welkte. Sie war so hineingeduckt in ihr Alter, so kleingeworden und hilflos - ich habe sie nie so wahrgenommen. Mich durchfuhr die Traurigkeit wie eine heiße Welle. Ich kann es schwer beschreiben. Es war nicht nur das Bewusstwerden ihres Alterns, ihrer Schwäche und Sterblichkeit, nicht nur Mitleid - es war mehr. Es stimmte mich traurig, dass vieles, was ich mit ihr erlebt habe, unwiderruflich vergangen ist, dass das Leben einfach so über uns hinweggezogen ist, dass sie selbst nicht mehr aus ihrem Leben gemacht hat, dass man die Zeit nicht zurückdrehen und manches korrigieren kann, dass man alles Vergangene hinter sich lassen und hinnehmen muss. Diese Empfindungen (und sicherlich noch andere) schwangen in meiner damaligen Traurigkeit mit - sie war vielleicht "unendlich" - denn sie bebt immer mal wieder in mir nach - und sie lässt sich nicht tilgen.
Liebe Grüße 🌳