Hey,
also ich danke dir zuerst einmal, denn diese Karikatur kannte ich noch nicht und ich werde sie mir demnächst noch einmal genauer ansehen. Da es schon so spät ist versuche ich einfach meine Gedanke dazu zu schreiben. Vieleicht hilft es dir etwas.
Ersteinmal kann ich nicht nachvollziehen, wo du hier Wilhelm II hineininterpretierst. (btw der 14 Punkte Plan war von dem amerikanischen Präsidenten Wilson und nicht von Kaiser Wilhelm II)
Diese "Vogelscheuche" (kann man das so nennen?) personifiziert den Frieden nach dem Ersten Weltkrieg. Wir fragen uns also: Welche direkten Folgen hatte das Kriegsende für die deutsche Bevölkerung? Denn wir sehen hier ein Bild einer Berliner Zeitung aus dem Jahr 1919.
Du solltest dir immer den Zeichner und die Zeitschrift genauer ansehen und gucken, welche Ansichten dieser vertreten könnte. Ich habe nicht viel zu Jo Steiner gefunden. Jedoch war er nachweislich im Ersten Weltkrieg an der Front und wurde 1918 in russische Kriegsgefangenschaft genommen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er wie viele deutsche und österreichische Soldaten die Schande nach der Kapitulation nicht einach hinnehmen wollte.
Die Zeitschrift "Ulk" war ein Satireblatt, welches in diesem Zeitraum von niemand geringeren als Kurt Tucholsky herausgebracht wurde. Bei Satire muss man immer darauf achten, dass hier gerne die Technik der Kontrapunktierung genutzt wird, also es wird genau das Gegenteil von dem gesagt, was eigentlich gemeint ist.
Wir sehen im Hintergrund eine menge Gräber. Diese stehen klar für die vielen Toten des Krieges. im Vordergrund flattert der Frieden im Wind (pax - lat. Frieden) und wird von einer hungernden Gestalt fast erstaunend angesehen. Am Stab liegt ein Zettel mit 14 Punkten. Dabei hast du wahrscheinlich auf Wilson geschlossen. Der amerikanische Präsident machte diesen Plan bereits 1917, noch vor dem Eintritt der USA in den Krieg. Einige seiner Forderungen waren:
- Gründung eines Verbandes der Nationen (später Völkerbund)
- militärische Abrüstung aller europäischen Staaten
- Selbstbestimmungsrecht der Nationen
- Gebietsveränderungen (Elsass-Lothringen zu Frankreich, Wiederherstellung Belgiens, Aufteilung von Österreich und Ungarn)
Das Deutsche Kaiserreich lehnte diese Möglichkeit des Friedens jedoch ab, da eine Niederlage in dieser Zeit noch nicht vollständig abzusehen war.
Wahrscheinlich kritisiert der Zeichner hier die untragbaren Bedingungen des Versailler Vertrages. Er prophezeit Hunger und Elend der deutschen Bevölkerung. Wilsons 14 Punkte könnten hier als eine Art Sündenbock agieren. Jedoch wurden kaum die Punkte so umgesetzt, wie Wilson es beabsichtigte. Beispielsweise war der Völkerbund eine eher lose Verbindung der Staaten, die eigene, nationale Interessen verfolgen.
Die Einschränkungen des Versailler Vertrages war für die Deutschen eine unglaubliche Belastung. Dieser Frieden war demnach für die Deutschen keineswegs eine Erleichterung (Aufstieg radikaler Kräfte, enorme Reparationszahlungen, Hyperinflation, Ruhrbesetzung...).
Die deutsche Bevölkerung konnte durch den Frieden leider nicht zur Ruhe kommen. Die Armut und das Elend stieg in der jungen Weimarer Republik rasch an und nährte den Boden für jene Kräfte, die einige Jahre später Deutschland wiederum in einen Krieg führen sollten.
Der Frieden ist also von Beginn an nur ein leichtes Rascheln im Wind. Keine feste und entschlossene Festung, sondern ein leichtes, schwaches Gebilde, welches vom Wind fast weggeblasen wird. Und das Volk muss hungernd zusehen!
Ich denke das ist die Aussage deines Bildes.
Ich hoffe ich konnte dir helfen.
Lg