Arbeitgeber berechnet Krankheit als Minusstunden trotz AU?

6 Antworten

Ist das zulässig?

Nein - wenn "krank =0 stunden" bedeuten soll,. dass Du kein Geld bekommst!

Grundsätzlich: Wenn Du einen Arbeitsvertrag über 35 Wochenstunden hast, dann bist Du auch für diese 35 Stunden zu bezahlen.

Dabei spielt es zunächst einmal keine Rolle, ob Du diese Stundenzahl tatsächlich auch immer erreichst oder nicht.

Diese Ausgangslage ist grundsätzlich auch zu berücksichtigen, wenn es um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geht: Du hast dasjenige an Entgelt zu bekommen, was Du auch erhalten würdest, wenn Du nicht erkrankt wärst (Lohn- oder Entgeltausfallprinzip nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz EntgFG § 4 "Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts" Abs. 1).

Das ist dann entweder das Entgelt, das Du aufgrund einer Einteilung in einen Dienstplan erhalten hättest, der für die Zeit der Erkrankung ursprünglich gegolten hat, oder dasjenige, was Du "normalerweise" verdienst.

Wenn es bei Dir so ist, dass Du regelmäßig fest am Montag und Dienstag eingeteilt bist und die Einteilung an den weiteren Tagen regelmäßig vom Arbeitgeber so vorgenommen wird, dass Du auf Deine 35 Stunden kommst, dann bist Du auch entsprechend während der Erkrankung so für insgesamt 35 Stunden zu bezahlen!

Die Tatsache, dass Du an den anderen Tagen noch nicht eingeteilt warst, als Du erkrankt bist, bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber diese Tage nicht bezahlen müsste; das wäre anders nur dann, wenn Du nach Dienstplan "frei" gehabt hättest.

Nur wenn es sehr unterschiedliche Wochenarbeitszeiten gibt, dann soll für die Entgeltberechnung im Krankheitsfall der durchschnittliche Verdienst aus den letzten 6 - 12 Monaten zugrunde gelegt werden, um "zufällige" Entgeltberechnungen aufgrund starker Arbeitszeitschwankungen zu vermeiden (siehe dazu Wedde, Peter [Hrsg.]: Arbeitsrecht - Kompaktkommentar zum Individualarbeitsrecht mit kollektivrechtlichen Bezügen, 2., überarbeitete Auflage 2010, Bund Verlag München, Seite 813 f, Rand-Nr 13 ff).

Der Anspruch auf die Entgeltfortzahlung ist zwingend und unverzichtbar (EntgFG § 12 "Unabdingbarkeit"); lediglich von den Bemessungsgrundlagen für die Entgeltberechnung darf durch einen Tarifvertrag abgewichen werden.

Und: Durch Krankenzeiten können keine Minusstunden entstehen!

Du solltest also ein Gespräch mit Deinem Arbeitgeber/der Personalverwaltung/Abrechnung führen und mit Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen zur Leistung der Entgeltfortzahlung auffordern.
Inwieweit dann möglicherweise weitere "Schritte" notwendig werden könnten, hängt dann allerdings von der Reaktion ab.

MangoDave 
Fragesteller
 06.01.2017, 13:15

Hallo Familiengerd, herzlichen Dank für die ausführliche Antwort! 

Mein gesunder Menschenverstand sagt mir auch, dass das nicht rechtens ist. Zumal ich dieses in meinem gesamten Arbeitsleben noch nicht erlebt habe.

Du hast geschrieben, bei 'geplant frei'wäre es rechtens, auch mit 0 Stunden vergütet zu werden.

Meine Kollegin machte mich nun auf den nächsten Hammer aufmerksam:

Ende November erkrankte ich ja (Gürtelrose) und sagte meiner Chefin, dass ich erstmal zwei Wochen ausfalle und danach weiter sehe. Meine erste AU ging 2 Wochen lang.

Da ja absehbar war dass ich im Dezember erstmal nicht einsetzbar war, hat meine Chefin mich vorab für den ganzen Dezember als "frei" eingetragen

Ich habe mir ja nicht ausgesucht, frei zu haben! Wäre ich nicht erkrankt hätte ich meine 35 Stunden gearbeitet!

Meine Kollegin meinte nun auch, dass "geplant frei" bedeutet, dass ich auch bei Krankheit 0 Stunden berechnet bekomme, da ich ja eh nicht geplant war!

Ich bin gerade wirklich verzweifelt! Dann hätte meine Chefin es ja so manipuliert als hätte ich eh frei gehabt und daher Pech, nur um sich der Lohnfortzahlung zu entziehen?

Habe ich bei diesem "Witz von einem Dienstplan" überhaupt noch die Grundlage das alles zu bemängeln? 

Momentan sieht mein Zeitkonto so aus:

Soll 7

Ist 0

Differenz  -7

Familiengerd  06.01.2017, 14:41
@MangoDave

Da ja absehbar war dass ich im Dezember erstmal nicht einsetzbar war, hat meine Chefin mich vorab für den ganzen Dezember als "frei" eingetragen

Das geht selbstverständlich nicht: Der Arbeitgeber weiß, dass der Arbeitnehmer wegen Erkrankung fehlen wirst, und trägt Dich "vorsorglich" mit "frei" in den Dienstplan ein ("krank" mit der normalen Stundenzahl wäre dann richtig gewesen), um sich so der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung zu entziehen.

Meine Kollegin meinte nun auch, dass "geplant frei" bedeutet, dass ich auch bei Krankheit 0 Stunden berechnet bekomme, da ich ja eh nicht geplant war!

Das gilt selbstverständlich aber dann nicht, wenn - wie oben gesagt - der Arbeitgeber wegen der Erkrankung "frei" einträgt!

Denn ohne Erkrankung wärst Du nicht mit "frei" in den Dienstplan eigetragen worden. Es handelt sich also um eine Manipulation, um nicht Entgeltfortzahlung leisten zu müssen.

Ich bin gerade wirklich verzweifelt! Dann hätte meine Chefin es ja so manipuliert als hätte ich eh frei gehabt und daher Pech, nur um sich der Lohnfortzahlung zu entziehen?

Wenn Dein Arbeitgeber sich nicht auf ein Zugeständnis einlässt, wenn Du ihn mit den hier dargelegten Informationen und Argumenten und auch mit dem Vorwurf der Manipulation zur Umgehung der Pflicht zur Entgeltfortzahlung konfrontierst, hilft nur die "Einknicken" Deinerseits  oder Drohung mit einer Arbeitsgerichtsklage.

Für eine solche Klage brauchst Du keinen Anwalt in dieser Instanz, wenn Du Dir das selbst zutrauen solltest (einen Anwalt müsstest Du ohnehin - unabhängig vom Ausgang des Verfahrens - selbst bezahlen, wenn Du nicht passend rechtsschutzversichert und kein Gewerkschaftsmitglied bist oder wegen geringen Einkommen keinen Beratungshilfeschein erhältst). Diese Klage mit allen notwendigen Fakten wird bei der Rechtsantragstelle des Gerichts eingereicht; die nimmt die Klage aber auch zur Niederschrift entgegen und hilft dann kostenlos bei der Formulierung.

Du hast bei einer Erkrankung einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für sechs Wochen, danach einen Krankengeldanspruch gegen Deine Krankenkasse.

Was Dein Arbeitgeber da macht, ist schlicht rechtswidrig. Du musst so gestellt werden als hättest Du gearbeitet, d.h. Deine Wochenstundenzahl mal dem Stundenlohn muss gezahlt werden.

Keinen Anspruch hast Du auf Überstunden-, Schichtzulagen u.ä.

Bist Du Gewerkschaftsmitglied? Falls ja, solltest Du Dich unbedingt dorthin wenden.

MangoDave 
Fragesteller
 05.01.2017, 14:44

Danke für deine Antwort! 

Leider bin ich nicht in der Gewerkschaft, das werde ich aber für die Zukunft nachholen!

Unser Betrieb ist leider auch sehr klein (20 Mitarbeiter) und kein Bertriebsrat. Bezahlt werden wir nach Haustarif

Du hast nach Vorlage einer AU -Bescheinigung Anspruch auf Lohnfortzahlung für bis zu 6 Wochen. Der Lohn im Krankheitsfall richtet sich nach dem Durchschnittslohn der voran gegangenen 13 Kalenderwochen. Minusstunden können daraus nicht resultieren.

Familiengerd  05.01.2017, 17:53

Der Lohn im Krankheitsfall richtet sich nach dem Durchschnittslohn der voran gegangenen 13 Kalenderwochen.

Im Krankheitsfall gehen die Gerichte vom durchschnittlichen Verdienst der vergangenen 6 bis 12 Monate aus (sofern es bereits einen entsprechend langen Beschäftigungszeitraum gibt); eine 13-Wochen-/3-Monate-Regelung wie beim Urlaubsentgelt gibt es hier nicht (siehe Peter Wedde [Hrsg.]: Kompaktkommentar zum Individualarbeitsrecht mit kollektivrechtlichen Bezügen, 2., überarbeitete Auflage 2010, Bund-Verlag Frankfurt/Main, Seite 813 f).

Ich machs kurz und Knapp. Das darf NICHT sein. Krankheit MUSS bezahlt werden, andernfalls gehe zum Betriebsrat falls vorhanden oder zum Anwalt.