Wovon kann das stottern kommen?

2 Antworten

Leider schreibst Du nicht, wie alt Du bist. Und Du schreibst auch nicht, ob Du seit 1-2 Monaten selbst stotterst.

Deine Fragen sind sehr schwierig, und ich habe keine einfachen Antworten. Aber eines ist klar: Kein Mensch beginnt zu stottern, weil er jemanden beobachtet oder mit jemandem zusammen ist, der stottert. Eltern, die mit ihren Kindern weggehen, wenn ihr Kind mit jemandem spricht, der stottert, glauben das manchmal, aber es ist nicht wahr. Der junge Mensch lernt durch Nachahmung dessen, was er/sie beobachtet. Wenn ein Kind ein anderes Kind oder einen Erwachsenen nachmacht, d.h. so ähnlich spricht, wie er/sie, dann kommt das daher, weil ihm/ihr dessen Sprechweise gefällt. wenn ihm/ihr die gestotterte Sprechweise gefällt, könnte er auch stotternd sprechen. Das wäre aber kein echtes Stottern, sondern "nachgemachtes Stottern", und aus nachgemachtem Stottern wird kein echtes Stottern.

Wieso stottert man überhaupt? Ich bin ein Logopäde, der vor allem mit Menschen arbeitet, also Therapie macht, die stottern und ich habe selbst bis zu meinem 32. Lebensjahr sehr stark gestottert. Ich sehe die Sache so an, dass Sprechen ja eine Bewegung ist. Beim Sprechen bewegt man den Atemapparat, den Stimmapparat in der Kehle und vor allem den Mund mit allem, was dazu gehört: Zunge, Lippen, Kiefer, Gaumensegel, das, wo das Zäpfchen dran ist. Diese Bewegung ist, wenn man das mal ganz bewusst macht, ziemlich kompliziert. Wenn alles glatt läuft, macht man sich das natürlich nicht bewusst, und man muss es noch nicht einmal verstehen, wenn alles glatt läuft. Wenn man stottert, passiert es immer mal wieder, dass eine Übergangsbewegung nicht glatt läuft, so wie wenn man auf Glatteis ausrutscht. Manchmal fällt man hin, aber oft genug schafft man es, nicht hinzufallen, indem man etwas macht (mit den Armen rudert, einen großen Schritt macht und anderes). Das kann beim Sprechen auch passieren, wie beim Ausrutschen auf Glatteis. Dabei kann es zu Stillständen (Blockierungen und Dehnungen=Verlängerungen) kommen oder auch zu schnellen oder langsamen Wiederholungen.

Die Ursache für den Beginn des Stotterns kann man oft nicht klar benennen. Einige Kinder und ihren Eltern können Ereignisse aus dem Leben des Kindes berichten, die mit dem Beginn des Stotterns zusammenhängen, darunter auch sogenannte traumatische (schädigende) Erlebnisse wie einen Unfall, ein Schreckerlebnis, die Scheidung der Eltern oder der Tod des geliebten Opas, aber oft findet man auch nichts, was passen könnte. Man weiß aber, dass die Wahrscheinlichkeit zu stottern bei Kindern, die einen stotternden Vorfahren (Eltern, Großeltern) haben, etwas höher ist als bei anderen Kindern. Aber viele stotternde Kinder haben auch keinen stotternden Vorfahren. Es ist vielleicht auch am Ende eine Glücksache, besser gesagt: Pechsache. Es gibt ja wohl auch eine Veranlagung dazu, nicht musikalisch zu sein. So denken Fachleute wie ich auch daran, dass stotternde Menschen im unteren Bereich dessen liegen, was für die Sprechgeschicklichkeit normal ist. Für alle Geschicklichkeiten gibt es Menschen, die davon viel mitbekommen haben, und andere, die wenig davon mitbekommen haben. Und der Rest liegt irgendwo dazwischen.

Glücklicherweise ist die Wahrscheinlichkeit, aus dem Stottern von selbst herauszukommen, sehr hoch. Man schätzt, dass 3 von 4 Kindern, die stottern, irgendwann nicht mehr stottern, mit Therapie und ohne. Die, die nicht von selbst aufhören, können in einer Therapie trainieren, ihre Sprechgeschicklichkeit zu erhöhen, ähnlich wie ein Mensch, der nicht Klavier spielen kann, lernen kann, Klavier zu spielen. Für Dich ist vielleicht wichtig zu wissen, dass keiner Deiner stotternden Kameraden stottert, weil er stottern will. Stottern macht auch keinen Spaß, es sei denn, sie machen sich darüber lustig.

Interessant ist vielleicht, dass man bei Glatteis weniger hinfällt, wenn man absichtlich rutscht, als wenn man sich Mühe gibt, nicht zu rutschen, um nicht hinzufallen. Verrückt, nicht?

Hallo,

ich bin Isabel und arbeite seit einigen Jahren für die Kasseler Stottertherapie.

Die Ursache für das Stottern ist bis heute immer noch nicht vollständig wissenschaftlich erklärt. Was man sicher weiß, ist, dass manche es vererbt bekommen. Und man konnte Veränderungen bei den Sprechprozessen im Gehirn feststellen. Man könnte also sehr vereinfacht sagen, dass Stottern angeboren ist.

Auf keinen Fall kann man sich das Stottern "abgucken". Dafür ist das Sprechen mit Stottersymptomen zu anstrengend und belastend. Auch psychische Belastungen gelten nicht als Ursache. Natürlich können negative Empfindungen und Gedanken Folge des Stotterns sein, aber eben keine Ursache.

Jeder Mensch spricht nicht zu 100% flüssig. Auch nicht-stotternde Menschen wiederholen mal Silben, ziehen Laute etwas länger oder haben kleine Mini-Blockaden. Das ist aber kein "richtiges" Stottern im Sinne der Redeflussstörung. Vielleicht könnte es sein, dass Du in letzter Zeit mehr Aufmerksamkeit auf diese kleineren natürlichen Unflüssigkeiten legst, da sie Dir mehr auffallen, wegen Deiner Freunde. Normalerweise werden diese kleineren Unflüssigkeiten einfach ausgeblendet, aber wenn man sich darauf konzentriert, fallen sie einem erst so richtig auf.

Wenn Du noch mehr zum Stottern wissen willst, kannst Du gerne auf unserer Internetseite stöbern. Dort kannst Du uns im Chat auch Fragen stellen.

http://www.kasseler-stottertherapie.de/stottern/was-ist-stottern/

Beste Grüße,

Isabel