Blickwechsel 11. März 2021
Deine Fragen an einen Buddhisten
Alles zum Blickwechsel

Wie wird im Buddhismus mit dem Thema Sterben, Tod und auch Selbstmord umgegangen?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Alles in allem ist es für den Buddhisten wichtig sich der Tatsache des Sterbens bewusst zu sein. Das hat der Buddha selber auch in Form der sog. fünf Gewissheiten formuliert:

- ich werde alt werden

- ich werde krank werden werden

- ich werde sterben

- ich werde alles verlieren

- ich bin der Träger meines Karmas

Diese fünf Punkte soll der gute Buddhist, aber nicht nur wissen, sondern sie zutiefst verinnerlichen. Sein ganzes Handeln soll von den fünf Gewissheiten beeinflusst sein. Nur auf Grundlage dessen ist ein sinnvolles Leben möglich. Denn auf diese Art & Weise beugt man "falschen" Zielen & Werten vor. Nur um ein Beispiel zu nennen: Statt sich auf seinen Besitz zu fokussieren, den man sowieso irgendwann mal verlieren wird, wäre es viel wichtiger, sich mit dem Gedanken zu versöhnen, dass man sterben wird, da dies Angst im Alter verhindert.

Ich möchte dazu dieses längere Video empfehlen: https://youtu.be/qx7FrUBuJNE

Zur Bewusstmachung der fünf Gewissheiten hilft auch eine dementsprechende Meditation. Der Dalai Lama empfiehlt beispielsweise eine Meditation in 3 Schritten: Erst solle man über sein eigenes Leben vom Anfang bis zum Ende zu meditieren. Dann solle man über sein eigenes Leben, alle vorhergehenden Leben & alle künftigen Leben meditieren. Im letzten Schritt soll man über das Leben aller Menschen, ihre vorhergehenden Leben & ihre künftigen Leben meditieren. Wie diese Meditation auch immer aussehen mag, das Ziel bleibt dasselbe.

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Ein ganz besondere Rolle kommt dem Thema Sterben im tibetischen Buddhismus (Vajrayana-Buddhismus) zu. Dort wird nämlich dem Zwischenzustand (Bardo) zwischen einer Reinkarnation & der nächsten eine besondere Bedeutung zugesprochen. Anscheinend ist es möglich dort noch einmal gutes Karma zu sammeln, seinen Geist zu profilieren, sich seine Wiedergeburt auszusuchen oder sogar die Erleuchtung (den Zustand von Nirvana) zu erlangen. Du kennst vielleicht das weiße Licht, welches viele Menschen nach ihrem medizinischen Tod sehen. Es geht darum in diesem Licht eine Meditation anzuwenden, die dann dementsprechende Effekte hat (ziemlich einfach gesagt). Diese Meditation wird von tibetischen Mönchen & Nonnen ein Leben lang geübt. Ich habe mal einen tibetischen Mönch kennengelernt, welcher dies 5-6x am Tag für jeweils zehn Minuten getan hat. Das ganze geht auf eines der wichtigsten Bücher des (tibetischen) Buddhismus zurück: Das Tibetische Totenbuch (Eig.: Große Befreiung durch hören im Zwischenzustand/Bardo) von Padmasambava (8-9Jh.). Es ist aber für Anfänger sehr zu schwer lesen. Ich verstehe darin bis heute selber noch nicht alles. Wenn dich das Thema aber genauer interessiert, dann kann ich dazu diese beiden Bücher empfehlen:

- https://www.amazon.de/Das-tibetische-Buch-Leben-Sterben/dp/3596160995

- https://www.amazon.de/Weg-zum-sinnvollen-Leben-Sterben/dp/3451280965

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Nun zum Thema Selbstmord: Selbstmord entsteht meistens auf Grundlage zwei verschiedener Faktoren: Hass gegenüber der Welt &/oder Gier danach das Leben zu beenden. Letzteres hat in der buddhistischen Literatur sogar einen Fachterminus namens Vibhavatrishna (Sanskrit), was soviel wie Vernichtungsdurst heißt. Jedenfalls gehören Hass & Gier neben der Unwissenheit zu den sog. drei Geistesgiften. Diese sind die Grundlage allen Leidens. Insofern erzeugen sie & besonders die Taten die aus ihnen hervorgehen schlechtes Karma. Schlechtes Karma ist dann wieder die Ursache für eine umgünstige Wiedergeburt z.B. als Tier, als Höllenbewohner oder als Hungergeist (Pali: Preta). Insofern sollte man sich aus buddhistischer Sicht nicht selbst töten. Eine Ausnahme ist natürlich, wenn Hass und Gier dabei keine Rolle spielen. Beispielsweise wenn man sein Leben beendet nur um jemand anderen zu schützen. In diesem Fall könnte die Selbsttötung vielleicht sogar zu gutem Karma führen.

KatzenEngel 
Fragesteller
 16.03.2021, 09:55

vielen Dank, lieber Bodhgaya, dass Du Dich trotz allem an meine Frage rangewagst und diese so anschaulich beantwortet hast.

Viele Grüße :-)

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SigridP  23.11.2021, 21:05

Sehr interessant

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