Wie löst man das autologisch - heterologisch Problem?

2 Antworten

Das habe ich mich auch schon gefragt. Die Grellingsche Antinomie ist ja ganz analog zur Russellschen Antinomie. Der Unterschied ist aber, daß die Russellsche Antinomie einen Widerspruch einer mathematischen Theorie zeigt, die Grellingsche Antinomie dagegen einen Widerspruch innerhalb der natürlichen Sprache, also eines "vorgefundenen" Phänomens. Aus der Russellschen Antinomie folgt, daß die Cantorsche Mengenlehre widersprüchlich ist. Gut, müssen wir eben die Cantorsche Mengenlehre aufgeben und durch etwas Besseres ersetzen (nämlich Russells Typenhierarchie oder axiomatische Mengenlehre nach Zermelo-Fraenkel). Frege hat das Komprehensionsaxiom aufgestellt, aus der Russellschen Antinomie folgt aber, daß es zu einem Widerspruch führt, gut, müssen wir das Fregesche Komprehensionsaxiom eben fallenlassen. Aber bei der der Grellingschen Antinomie haben wir es nicht mit Mengen oder Prädikaten zu tun, über die Menschen wie Cantor oder Frege irgendeine Theorie aufgestellt haben, sondern mit Adjektiven in natürlichen Sprachen. Unser Adjektivsystem in natürlichen Sprachen können wir nicht "fallenlassen" und durch ein anderes ersetzen. Was genau ist denn da überhaupt widersprüchlich? Ist unsere natürliche Sprache widersprüchlich?

In der Cantorschen Mengenlehre entsteht der Widerspruch dadurch, daß Mengen sich selber als Elemente enthalten können. Um den Widerspruch zu vermeiden, müssen wir also Mengen, die sich selber als Elemente enthalten, ausschließen. Den Mengen, die sich selber enthalten, entsprechen in der Grellingschen Antinomie die autologischen Adjektive. Aber während Mengen, die sich selbst enthalten, in der Mathematik nicht benötigt werden und sowieso irgendwie "komisch" sind, gilt dies für autologische Adjektive in natürlicher Sprache nicht. Dabei handelt es sich vielmehr um ganz "normale" Adjektive wie zum Beispiel "dreisilbig". Die können wir nicht einfach "abschaffen". Wenn wir die Grellingsche Antinomie analog zur Russelschen Antinomie lösen wollten, müßten wir z. B. sagen, daß es im Deutschen gar kein Adjektiv "dreisilbig" gibt, das auf sich selber zutrifft, sondern daß es eine unendliche Hierarchie von Adjektiven "dreisilbig1", "dreisilbig2", "dreisilbig3" usw. gibt, wobei das Adjektiv "dreisilbig1" "dreisilbig2" ist, das Adjektiv "dreisilbig2" "dreisilbig3" ist, usw. Dies entspricht jedoch nicht der sprachlichen Realität. Kein Sprecher des Deutschen würde es verstehen, wenn man sagen würde, daß es sich bei den beiden Vorkommen von "dreisilbig" in dem Satz "Das Adjektiv 'dreisilbig' ist selber 'dreisilbig'" eigentlich um zwei unterschiedliche Adjektive handelt. Es gibt im Deutschen ein Adjektiv "dreisilbig", und das trifft auf sich selber zu, Punkt. Das hat sich auch nicht irgendjemand ausgedacht, sondern das ist so.

Aber vielleicht ist es kein Zufall, daß die Adjektive "autologisch" und "heterologisch" selber in natürlicher Sprache eigentlich nicht vorkommen, auch nicht als linguistische Fachtermini, sondern nur erfunden wurden, um die Grellingsche Antinomie zu verdeutlichen. Andererseits: Niemand kann uns ja daran hindern, diese Adjektive einzuführen.

Ich hoffe, es ist kein Problem, daß ich hier auf "Antworten" geklickt habe, obwohl ich die Frage nicht beantworten kann, sondern nur die Problematik weiter ausgeführt habe.

Die meisten Wörter sind heterologisch. Die Frage, ob das Wort „heterologisch“ selbst heterologisch ist, lässt sich nicht ohne logischen Widerspruch beantworten (ausführlich siehe Grelling-Nelson-Antinomie).

Bild zum Beitrag

 - (Philosophie, Mathematiker, Logik)