Wie laufen eure Therapiestunden so ab?

5 Antworten

Als Therapeut bin ich zuerst einmal daran interessiert, wie die aktuelle Befindlichkeit meines Klienten / Patienten ist und was ihn derzeit innerlich bewegt. (Nicht die Bagatellen, sondern schon das persönlich Wichtige).
Eventuell nehme ich auch Bezug auf die letzte Sitzung (wenn dort ein tiefergehender Prozess war) und wie das sich zwischenzeitlich weiterentwickelt hat.
Dann entwickelt sich daraus das Thema für die aktuelle Stunde.


Lollipop4845 
Fragesteller
 21.03.2022, 11:15

Also gibts dann quasi jede Stunde schon ein konkretes Thema was besprochen wird? Gabs bei mir noch nie..

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Tamtamy  21.03.2022, 16:11
@Lollipop4845

Es geht jetzt nicht, wie in der Schule, um vorgegebene Themen, sondern das Thema entwickelt sich aus dem Gefühls- und Gedankenprozess heraus, wie er sich in dieser Sitzung darstellt. Z.B. kommst du und erzählst etwas. Ich habe aber den Eindruck, du bist gar nicht 'richtig bei der Sache' dabei. Dann versuche ich (mit dir zusammen) herauszufinden, was denn da 'blockiert'. Und so kommst du drauf, dass dir da noch eine Bemerkung nachgeht, die gestern jemand zu dir gemacht hat. Im weiteren Verlauf kristalliisiert sich heraus, dass diese Bemerkung einen wunden Punkt berührt hat, was du dir bis jetzt gar nicht so recht eingestanden hast. Und so kommen wir so langsam an diesen wunden Punkt heran - und was er dir bedeutet, und welche Gefühle mit ihm verbunden sind und wie das dein Bild von dir selbst beeinflusst. Und dann können Gefühle aufsteigen - Scham, oder eine Angst, oder eine beißende Selbstkritik, oder einfach eine Unsicherheit - und das ist dann zum 'Thema' dieser Sitzung geworden. - Vielleicht wird dieses Thema in der nächsten Sitzung weitergehen, weil es etwas ausgelöst hat, oder weil damit ein übergeordnetes Thema (z.B. Schwierigkeit, sich selbst zu akzeptieren - oder Schiwierigkeit, sich gegenüber anderen und ihrer Meinung abgrenzen zu können ...) in den Blick gekommen ist.

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sunnywobgirl  21.03.2022, 20:17
@Tamtamy

Tamtamy arbeitest du Verhaltenstherapeutisch oder tiefenpsychologisch? Und macht das überhhaupt einen Unterschied in der Struktur der Sitzungen? Ich hab immer das gefühl, in der Praxis verschwimmen diese Unterschiede schnell

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Tamtamy  21.03.2022, 20:33
@sunnywobgirl

Ich arbeite vorrangig prozessorientiert.

Durch das Studium bin ich mit der Verhaltenstherapie vertraut (die größte 'Kunstraubsammlung' auf dem Gebiet der Therapie - ihr Verdienst ist allerdings auch der Gewinn durch Strukturierung und die klarere Einbeziehung von Zielsetzungen). Von dort her ebenso mit Klientenzentrierter Gesprächspsychotherapie. Für psychoanalytische Theorie und Praxis habe ich mich selbst interessiert.

Meine wesentliche (Inspirations-)Quelle, Ausbildung und Selbsterfahrung ist allerdings die (tiefenpsychologisch orientierte) Gestalttherapie. Daneben habe ich mit einigem aus dem Bereich der humanistischen Psychotherapie zu tun gehabt (einschließlich Bonding und Holotropem Atmen; Familienaufstellung ...).

Spannend fand ich in den letzten Jahren meine Erfahrungen mit EMDR.
Das ist eine interessante Kombination von (sehr) strukturiertem Vorgehen und prozessorientierter Arbeit.

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sunnywobgirl  21.03.2022, 20:44
@Tamtamy

Mit anderen Worten du bist integrativ unterwegs. Kann ich viel mit Anfangen.

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Tamtamy  21.03.2022, 20:51
@sunnywobgirl

"Integrativ" ist sicherlich zutreffend, aber auch etwas nichtssagend hinsichtlich des Schwerpunktes. Und da ist meine Präferenz die Fokussierung auf Bewusstwerdung von Emotionen und prozesshaftes Geschehen. Daneben besteht durch jahrelange Arbeit im Bereich der 'Suchttherapie' genug Realitätssinn, um nicht in bloßer 'Gefühlsromantik' zu verharren. 😁

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sunnywobgirl  21.03.2022, 20:53
@Tamtamy

ja kann ich nachvollziehen. Aber irgendwo höre ich das "Prozessorientierte" überall..ob ich jetzt die "Beziehung als prozess" die "Selbstaktualisierung und die Integration des Inkongruenzerlebens" oder die "Veränderung dysfunktionaler Schemata" oder die "Integration von Modi" betrachte...desto mehr ich einsteige, desto weniger greifbare Unterschiede sehe ich eigentlich..

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sunnywobgirl  21.03.2022, 20:54
@Tamtamy

Nöö. Ich bin in dem Neuen Studiengang und darf nächstes Jahr versuchskaninchen für die neue Apporbationsprüfung spielen

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Tamtamy  21.03.2022, 21:07
@sunnywobgirl

Sag ich ja: 'Kunstraub'. 😁
Die Vertreter der Verhaltenstherapie haben nach langer 'akademischer Sauberkeit' gemerkt, dass sie nicht allzu weit kommen ohne Einbezug der Ansätze, die andere Verfahren, gegen die sie gewettert haben, vorrangig benutzt haben: nämlich die subjektive Wirklichkeit ihrer Klienten (Gedanken und Empfindungen, seelische Verwundungen und Sehnsüchte ...) als zentralen Ansatzpunkt zu nehmen.
Die Folge war eine systematische Übernahme vieler dort bewährter 'Techniken' bzw. therapeutischer Haltungen, die nun einen abstrakten, akademisch klingenden Namen bekamen (z.B. 'Veränderung dysfunktionaler Schemata', 'therapeutischer Rapport') und als 'verhaltenstherapeutische Entdeckungen' dargestellt wurden (jaja, die 'kognitive Wende', die "dritte Welle" ...).
Für mich liegt ein großer Unterschied darin, ob jemand sich persönlich auf das emotionale Erleben mit seinem Klienten einlässt und selber eine entsprechende therapeutische Selbsterfahrung durchlebt hat. Das kann auch bei Verhaltenstherapeuten der Fall sein - aber etliche belassen es auch bei der Anwendung gelernter Techniken. So jedenfalls meine langjährige Erfahrung.
Es kann gut sein, dass die jüngere VT-Therapeutengeneration da mutiger und offener ist.

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sunnywobgirl  21.03.2022, 21:12
@Tamtamy

das weiß ich nicht, das wird sich zeigen- vielleicht gibt es diese Chance jetzt, wo wir erstmal integrativ grundausgebildet werden und uns dann für ein Verfahren entscheiden. Ich habe dankenswerter Weise verhhaltens-Therapeuten gehabt, die ebenfalls sehr integrativ arbeiten, und kenne ein rein kognitiv- behaiviorales Arbeiten nur aus der Uni ( wo es mir sehr fremd vorkommt). Ich denke auch, es geht am ende darum, in eine echte therapeutische Beziehung mit dem Klienten einzusteigen und eben auch sich selbst als mensch einzubringen. Ich denke techniken können hilfreich sein ( auf diesen werkzeugkoffer möchte ich auch icht verzichten, weshalb ich zur VT tendiere), aber sie sind eben nicht alles. Vielleicht liegt mir die Vt auch gerade deswegen, weil ich dieses "Zusammengesuchte" sehr gern habe. ich mag mich eben nur nicht hinter meinem Werkzeug verstecken.

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sunnywobgirl  21.03.2022, 21:13
@Tamtamy

wir werden sehen...tja was für fruchtbare Diskussionen eine einfache Frage so ergeben kann. ich hoffe wir haben den Fragesteller jetzt nicht komplett verwirrt...

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Tamtamy  26.03.2022, 12:44
@Lollipop4845

Bitte noch an die Wahl der 'hilfreichsten Antwort' denken! 😊

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Zurzeit bin ich in einer Gruppentherapie

Das ist immer jede Woche am selben Tag und selbe Uhrzeit und geht 50 min

Bei den klassischen 50-Minuten Einheiten sagt man kurz Tag, bespricht ob es irgendwelche aktuellen, wichtigen Punkte gibt und macht dann da weiter wo man aufgehört hat. Zum Schluss kann es sein, dass es noch "Hausaufgaben" gibt, also Dinge die du machen / ausprobieren / ändern sollst

Wie geht es Ihnen? was bringen Sie mir heute mit?

ich erzähle was mich bewegt, und was ich besprechen möchte

"Können sie mir genauer erklären, was da in Ihnen passiert ist"

Wir arbeiten Emotionen, problematische Gedanken etc heraus, bzw erarbeiten den Kern des Problemes

Wir erarbeiten konkrete Lösungsstrategien

Abschluss, Terminvereinbarung, Organisatorisches, Smalltalk, Verabschiedung

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Psychologiestudium

Ganz individuell, je nach Patient und Diagnose.