Wie lässt sich das folgende Wahlplakat der DVP aus dem Jahre 1932 deuten, was bedeutet ,,Liste6"?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Dies ist ein Wahlplakat der DVP (Deutsche Volkspartei) zur Reichstagswahl vom 31. Juli 1932.

Die DVP ist auf dem Stimmzettel für die Wahl die Liste 6. Auf dem Stimmzettel standen untereinander die Parteien, die mit einer Kandidatenliste antraten. Die DVP stand an 6. Stelle. Die Reihenfolge der Parteien mit ihrem Wahlvorschlag (Kandidatenliste) richtet sich nach ihrem Ergebnis bei der vorhergehenden gleichartigen Wahl, also bei einer Reichstagswahl nach dem Ergebnis der Partei bei der vorhergehenden Reichstagswahl. Die DVP hatte bei der Reichstagswahl vom 14. September 1930 4, 5 % der Stimmen bekommen und war damit auf Platz 6 gelandet.

Die DVP will mit ihrem Wahlplakat die Wahlberechtigten dazu bringen, sie zu wählen.

Die Aufschrift ist:

„Deutsche Volks-Partei

Jede Stimme gesichert

Gegen Bürgerkrieg und Inflation“

Auf dem Plakat trägt ein sehr groß dargestellter kräftiger blondhaariger Mann eine Fahne mit der Aufschrift „Liste 6“. Er steht als Vertreter für die DVP.

Unten ist eine wilde Szene zu sehen, die für eine politische Lage steht, die Deutschland nach der Darstellung droht.

Menschen bewegen sich in einer schmutzigen Flut bzw. einem Morast/einem Sumpf. Dies bedeutet eine politische Lage ohne festen Halt, eine gefährliche Lage, in der Menschen verunglücken/untergehen können.

Es sind dabei zwei Themen verbunden, die in der Aufschrift genannt werden, nämlich Bürgerkrieg und Inflation.

Der Bürgerkrieg ist als gewalttätiger Kampf zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten dargestellt (Kommunisten an roten Fahnen [zum Teil mit Sterrn und Sichel] und Armbinden mit rotem Stern, Nationalsozialisten an Armbinde mit Hakenkreuzabzeichen, Hakenkreuzfahne hinten links und Braunhemd erkennbar). Sie scheinen mindestens teilweise bewaffnet (wohl mit Messern/Dolchen) zu sein. Einige Opfer des blutigen Kampfes sind zu sehen (tot oder verletzt).

Ein Mann mit einer Umhängetasche wirft Geldscheine hoch, die umherflattern. Darauf steht ein hoher Betrag (1000000). Ein Mann in einem Anzug versucht verzweifelt danach zu greifen und versinkt dabei. Dies steht für eine Inflationsgefahr. Bei einer Inflation vermindert sich die Kaufkraft des Geldes, es ist viel weniger wert. Es wird in einer Zeit der Weltwirtschafstkrise also nicht die Arbeitslosigkeit thematisiert, sondern eine drohende Inflation, wenn Regierungen und Reichsbank sehr viel mehr Geld drucken lassen bzw. die Preise stark hochgetrieben werden. 1923 war in Deutschland eine gewaltige Inflation gewesen und dies hatte Menschen aufgrund des Verlustes an Ersparnissen, die durch die Verluste kaum noch etwas wert waren, sehr mitgenommen.

In der Szene ist also ein drohender Untergang/eine drohende Katastrophe dargestellt.

Menschen, die sich von diesen Gefahren (Bürgerkrieg und Inflation) bedroht fühlen, sollen bewegt werden, die DVP zu wählen. „Jede Stimme gesichert“ richtet sich an einen Wunsch nach Sicherheit.

Die DVP präsentiert sich als rettende Kraft (symbolisch der Fahnenträger als Retter), die an den Gefahren nicht mitwirkt und nicht daran schuld ist, sondern unbeirrt und entschlossen ihren Weg geht.

Plakate als Spiegel der politischen Parteien in der Weimarer Republik : eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, München, 17. September - 8. November 1996. München : Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, 1996 (Ausstellungskataloge der staatlichen Archive Bayerns ; Nr. 36), S. 110:

„Die DVP will über die sich bekämpfenden Nationalsozialisten und Kommunisten sowie die Inflationsgefahr siegen.“

„Auf dem Plakat zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932 tritt die DVP mit dem Anspruch in Erscheinung, die wahre Volkspartei in der Mitte des Parteienspektrums zu sein. Deshalb wendet sie sich gegen Kommunisten und Nationalsozialisten, die sich im „Bürgerkrieg" zerfleischen, was den bürgerlichen Wählern Angst und Schrecken einjagen muß, aber auch gegen die Inflationsgefahr. Die Erlebnisse des Jahres 1923 hatten im Bürgertum ein Trauma entstehen lassen, das sich jetzt in der Zeit der Weltwirtschaftskrise bis zur Katastrophenfurcht steigerte. Über dem Chaos sich bekämpfender Nazis und Kommunisten, inmitten umherflatternden Inflationsgeldes, erhebt sich hünenhaft der athletische Sieger, die wehende Fahne mit der Aufschrift „Liste 6" in die Höhe reckend.“

Hallo7415366 
Fragesteller
 06.09.2019, 12:16

Danke für die wirklich hilfreiche Antwort! Warum steht aber auf dem Wahlplakat ,,Jede Stimme gesichert", obwohl die DVP so miserable Wahlergebnisse hatte?

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Albrecht  06.09.2019, 14:34
@Hallo7415366

Es galt Verhältniswahlrecht und es gab keine Sperrklausel (wie z.B. eine 5-Prozent-Hürde). Auf je 60000 Stimmen in einem Wahlkreis entfiel ein Abgeordnetensitz. Reststimmen wurden verrechnet, zunächst über Wahlkreisverbände, verbleibende über Reichslisten. Auch bei einem schlechten Abschneiden konnte die DVP mit Abgeordneten in den Reichstag kommen.

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Hallo7415366 
Fragesteller
 06.09.2019, 17:49
@Albrecht

Danke! Aber was bedeutet dann ,,Jede Stimme gesichert" überhaupt?

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Albrecht  06.09.2019, 18:43
@Hallo7415366

Die Anhängerschaft wird dazu aufgerufen, tatsächlich ihre Stimme für die DVP abzugeben und auch andere mögliche Wähler(innen) dazu zu bringen, es wird außerdem versichert, alle Stimmen würden wirklich zählen und zu Abgeordnetensitzen für die DVP führen, möglicherweise soll auch die Vorstellung entstehen, mit der Stimmabgabe für die DVP mit Sicherheit eine vernünftige Politik unterstützen.

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huan123484  22.01.2022, 22:58

Danke diggi, hast mir den Arsch poliert

mfg dein Huan

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Die Reihenfolge der Parteien wird auch heute nach deren Abschneiden bei der vorangegangenen Wahl bestimmt, die stärkste partei auf Platz 1, usw.. Dadurch kam die DVP damals auf den sechsten Listenplatz.

Liste 6 bedeutet, dass die DVP auf dem Wahlschein an 6. Stelle stand.