Wie ist ein freier Wille möglich, wenn alles immer auf Ursache und Wirkung beruht?


23.05.2020, 08:26

Begründung ist erwünscht :D

Das Ergebnis basiert auf 8 Abstimmungen

Es gibt einen freien Willen, weil... 50%
Es gibt keinen freien Willen, weil... 38%
Freier Wille ist begrenzt, weil 13%

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Es gibt keinen freien Willen, weil...

Der Wille des Menschen basiert auf elektrochemischen Reaktionen im Gehirn. Er ist somit eine Gehirnfunktion, die dermaßen komplex und kompliziert ist, dass die Ursachen dafür nicht oder nicht immer nachvollziehbar sind. Somit entsteht der subjektive Eindruck von Freiheit. Trotzdem ist der freie Wille garnicht so frei, wie wir ihn empfinden und abhängig von genetischen Anlagen und noch viel mehr von unseren Erfahrungen. Er ist im Wechselspiel von Handlung und Erfahrung entstanden. Jede Erfahrung hat Auswirkungen auf unser Handeln, so wie jede Handlung für neue Erfahrungen sorgt. Somit ist unsere Möglichkeit, einen Handlungsablauf zu verändern, durchaus beschränkt. Und auch der Wille, eine Handlungsstrategie zu verändern, ist der Erkenntnis geschuldet, dass die bisherige Strategie nicht oder nur ungenügend funktioniert. Freier Wille ist nur eine Illusion, die aufrecht erhalten wird im Interesse einer geistigen Gesundheit.


Dmlish 
Fragesteller
 23.05.2020, 08:59

Endlich mal jemand der rational und nicht emotional darauf antwortet.

1
BadWolf27  23.05.2020, 09:17
@Dmlish

Ist allerdings nicht auf meinem Mist gewachsen. So vermessen bin ich nicht. 😇 Wenn dich das Thema interessiert kann ich dir Richard David Precht empfehlen "Wer bin ich und wenn ja, wieviele?"

0
Dmlish 
Fragesteller
 23.05.2020, 09:23
@BadWolf27

Genau wie David Precht es erklärt, habe ich es mir schon immer denken können... Diese derart komplexen Wechselwirkungen, und vor allem das Empfinden geben nur einen Anschein frei zu sein. Witzig finde ich ist, dass man sich dieser Erkenntnis bewusst sein kann. Man kann seinen Verstand ins Unendliche durch den Verstand erkennen...

0
BadWolf27  23.05.2020, 09:28
@Dmlish

Der Mensch hat schon die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Das bedeutet aber nicht, dass wir über den Dingen stehen. Wir sind trotz allem ein Produkt der Evolution und an unsere Anlagen gebunden und durch diese begrenzt.

1
Dmlish 
Fragesteller
 23.05.2020, 09:32
@BadWolf27

Es heißt ja der Mensch weiß dass er nichts weiß...Aber das ist ja wiederum Paradox oder nicht? Wenn der Mensch so begrenzt ist, woher sollten wir dann wissen ob wir das Thema freier Wille mit der richtigen Logik bearbeiten. Was ist wenn Dimensionen existieren, die nichts mit unserer "Logik" zu tun haben und tatsächlich so etwas wie Freiheit bilden?

0
Dmlish 
Fragesteller
 23.05.2020, 09:36
@BadWolf27

Wir können nur Muster erkennen die in unserer eigenen "begrenzten" Realität existieren.. Aber diese Muster könnten ganz anders verstrickt sein, als wir diese Wahrnehmen, oder?

0
BadWolf27  23.05.2020, 11:55
@Dmlish

Sokrates wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Erkenntnisfähigkeit des Menschen prinzipiell eingeschränkt ist. Wir sehen immer nur das, was sich uns durch unsere Sinneseindrücke erschließt und auch wenn wir in der Lage sind, durch Technik und logische Schlüsse viele Dinge zu enträtseln, sehen wir nur Teilaspekte der Natur, nie "das Ding ansich".

0
Dmlish 
Fragesteller
 23.05.2020, 12:06
@BadWolf27

Ein Ding ansich kann man ja gar nicht in seiner Wahrheit erfassen, weil beobachten schon wieder ein externer Einfluss ist. Wahrheit ist nur dass es ist, und nicht wie es ist. Macht also Sinn denke ich.

1
NewKemroy  23.05.2020, 09:56
Freier Wille ist nur eine Illusion, die aufrecht erhalten wird im Interesse einer geistigen Gesundheit.

Bei Trump bin ich mir da nicht so sicher.

1
BadWolf27  23.05.2020, 12:41
@NewKemroy

Gerade bei dem bin ich sicher. Er ist sowas von emotionsgesteuert, dass die Logik und der gesunde Menschenverstand auf der Strecke bleibt. Ohne eine perfekte Illusion von freiem Willen kann ich mir solch einen Menschen garnicht vorstellen.

0
OlliBjoern  23.05.2020, 19:31

"Somit ist unsere Möglichkeit, einen Handlungsablauf zu verändern, durchaus beschränkt"

Richtig. Aber "beschränkt" ist nun mal nicht äquivalent zu dem Satz "es gibt keinen freien Willen".

" dass die Ursachen dafür nicht oder nicht immer nachvollziehbar sind. "

Eben. Daher halte ich es auch nicht für vernünftig, eine so starke Behauptung ("es gibt keinen freien Willen") daraus abzuleiten.

1
BadWolf27  23.05.2020, 23:23
@OlliBjoern

Wenn du aber das Gegenteil annimmst, also dass es einen freien Willen gibt, sollten wir erst einmal klären, wovon er denn frei sein soll. Ohne eine Definition, was denn freier Wille überhaupt ist, ist eine solche Aussage wertlos.

1
Freier Wille ist begrenzt, weil

Ich bin in dieser Frage nicht "extrem", sondern vertrete eine mittlere Position. Diese nennt man "Kompatibilismus". Es gibt zwar einen freien Willen (sonst würde unser ganzes Justizsystem ad absurdum geführt werden), dieser ist jedoch nicht unbeschränkt.

So ist z.B. die sexuelle Orientierung wohl kaum dem freien Willen untergeordnet. Ein Heterosexueller, der keine Neigungen zum eigenen Geschlecht hat, kann nicht plötzlich "wollen", dass er nun Menschen des eigenen Geschlechts will/begehrt. Hier gilt Schopenhauers Satz "man kann zwar tun, was man will, aber nicht wollen, was man will".

Dennoch: ganz so einfach ist es nicht immer. In der Physik ist der strenge Determinismus (siehe "Laplace'scher Dämon") schon lange tot. Seit der Quantenphysik wissen wir, dass die Welt im kleinen Maßstab inhärent "unscharf" ist, und dass es dort auch den Zufall gibt. Der nukleare Zerfall eines einzelnen Kerns ist nicht vorherbestimmt, er ist nicht determiniert. Erst eine große Menge radioaktiven Materials kann durch eine statistische Größe (Halbwertszeit) beschrieben werden. Den einzelnen Kern interessiert diese Größe aber nicht - auf dieser Ebene herrscht der Zufall.

Würden wir alles als "determiniert" betrachten, dann müssten wir sämtliche Straftäter als "unschuldig" betrachten, dann wären sie Opfer der Umstände. Sie konnten nicht anders handeln. Allerdings halte ich diese Folgerung für unvernünftig.

Geert Keil geht da noch weiter, er plädiert für einen freien Willen.

https://www.philosophie.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/anthro/mitarbeiter/keil/pdfs/C42Reprint

Sartre schreibt u.a. "Gleichzeitig weist Sartre darauf hin, dass die Bedingtheit des Handelns durch Motive kein Beweis ihrer Unfreiheit wäre. Er betont, dass jene „langweilige Diskussion" zwischen Deterministen, die behaupten, dass es für jede Handlung ein Motiv gibt, und Indeterministen, die sich darauf berufen, dass es Handlungen ohne Motiv oder mehrere gleichgewichtige Motive gibt, völlig unergiebig ist, da eine Handlung ohne Motiv gar keine Handlung wäre. "

Ich schätze Sartre in diesem Punkt, der Streit ist im Grunde ziemlich substanzlos.

https://www.sartreonline.com/WillensfreiheitSchopenhauerSartre.pdf

Siehe "die erste Bedingung des Handelns ist die Freiheit".
Handlungen haben immer ein Motiv. Und was ohne Motive passiert, sind eigentlich keine Handlungen.  


Zephyr711  24.05.2020, 01:16

Den Kompatibilismus halte ich für wenig zielführend, da er schlicht eine andere Definitionen anlegt als die, die gemeinhin für „Willensfreiheit“ gebräuchlich ist. Auch er behauptet nicht, dass unter gleichen Bedingungen anders hätte gehandelt werden können. Er sagt lediglich, dass unter unterschiedlichen Bedingungen unterschiedlich hätte gehandelt werden kann, was uns nicht wirklich weiter bringt. Er vertritt den „weichen Determinismus“.
Wahrscheinlicher ist ein System in dem Determinismen und Zufälle (Quantenphysik) einen zumindest partiellen neuronalen Indeterminismus bedingen, der dazu führt, dass Entscheidungen - bzw. Wille - entweder bedingt oder zufällig, in keinem Fall aber „frei“ ist.

1
OlliBjoern  24.05.2020, 01:58
@Zephyr711

Ok, das klingt gut.

Ich vermute auch, dass man "Willensfreiheit" sehr unterschiedlich definieren kann. Entscheidungen sind oft bedingt, das sehe ich auch so. Allerdings denke ich immer noch, dass "Bedingtheit" und "Unfreiheit" nicht wirklich dasselbe sind.

0

Die Aktion sowie die Reaktion ist doch im freien Willen in sofern sie von etwas mit Wille durchgeführt werden

Ich gib dir freien willens eine Ohrfeige, du gibst mir freien willens eine zurück - Karma (Prinzip von Ursache und Wirkung) + freier Wille

Lg,

Lacrimis

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Selbst aktiv beobachtet über viele Jahre; belesen

Userhm  24.05.2020, 08:15

So isses...

1
Es gibt keinen freien Willen, weil...

Zunächst mal ist der „Wille“ ohnehin nicht frei. Wir können nicht wollen - d.h. uns entscheiden - was wir wollen. Das ist immer bedingt durch für uns meist unveränderliche Einflüsse.
Aber auch die Handlungen, die durch diesen unfreien Willen motiviert sind, sind nicht frei. Könnte man sich bei gleichem Willen, gleicher Motivation und auch sonst unter gleichen Bedingungen in ein und dem selben Moment entscheiden, auf unterschiedliche Weisen zu handeln? Höchstwahrscheinlich nicht.


OlliBjoern  23.05.2020, 19:34

"Das ist immer bedingt durch für uns meist unveränderliche Einflüsse. "

Richtig. Dennoch folgt daraus eben nicht, dass es keinen freien Willen gäbe.

Und ich denke schon, dass man sich unter identischen Bedingungen mal so, mal so entscheiden könnte. Wieso sollte das nicht möglich sein?

Manche würden "Laune" oder "Zufall" dazu sagen.

0
Dmlish 
Fragesteller
 23.05.2020, 20:42
@OlliBjoern

Nein es gibt nur eine Option. Ein extrem komplexes Wechselspiel der Neuronen fühlt sich so an als wären Überlegungen vom Bewusstsein gesteuert... Zumindest laut unserer Logik!

1
Zephyr711  23.05.2020, 22:30
@OlliBjoern

Frage dich selbst: Könntest du in der Zeit an den Punkt einer Entscheidung zurückreisen; alles wäre identisch; dein Wissen, deine bisherigen Erfahrungen und auch die Synapsen im Gehirn, die auf bestimmte Weise feuern; könntest du trotzdem anders handeln, als du es vorher getan hast?

Was hier nicht verwechselt werden darf: ein Entscheidungsprozess findet trotzdem statt; er läuft nach wie vor im Gehirn ab. Du hast nur zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit ihn frei zu beeinflussen.

1
OlliBjoern  23.05.2020, 22:44
@Dmlish

Ich kann mir das vorstellen. Allerdings schreibt Sartre u.a.: "die Freiheit hat kein Wesen. (…) Wir erreichen sie über die Handlung (die von ihr mit den Motiven, Antrieben und Zwecken organisiert wird, die von der Handlung impliziert sind)"

Freiheit ist keine physikalische Größe. Es ist unser Sprachgebrauch, der sagt, dass Freiheit über eine Handlung erreicht wird. Freiheit ist ein Abstraktum (wie Demokratie).

Wo wäre der Unterschied zwischen "es fühlt sich so an" und einem (sagen wir mal hypothetischen) "es fühlt sich nicht nur so an"?

0
OlliBjoern  23.05.2020, 22:49
@Zephyr711

Ich weiß es nicht.

Derzeit versuche ich halt, Sartre ein wenig zu verstehen.

"Ein weiteres Merkmal der Freiheit ist ja gemeinhin, dass wir auch anders hätten handeln können. Sartre gibt darauf einfach eine ganz pragmatische Antwort: „ich hätte anders handeln können, zugegeben; aber um welchen Preis?""

Er sieht diese Option, allerdings sieht er sie auch als "jähe Metamorphose". Nicht unmöglich, aber wohl recht schwierig (oder "selbstverleugnend").

0
Es gibt keinen freien Willen, weil...

Der Mensch kann tun was er will, aber er kann nicht wollen was er will.

A. Schopenhauer.

Du kannst weder etwas tun noch etwas lassen.


Dmlish 
Fragesteller
 23.05.2020, 09:56

Ergibt natürlich Sinn, aber auch nur in der Logik der wir unterliegen, und davon nie entkommen könnten.

0
NewKemroy  23.05.2020, 09:58
@Dmlish

Ja durchaus. Nur die Illusion sagt, dies ist alles Illusion.

1
Dmlish 
Fragesteller
 23.05.2020, 10:01
@NewKemroy

Also wissen wir doch tatsächlich nicht einmal dass wir nichts wissen, und nicht einmal diese Erkenntnis, und diese wiederum auch nicht hoch Infinite. Brainfuckkkk alert

1
Albrecht  23.05.2020, 12:03

Der Satz „Der Mensch kann tun was er will, aber er kann nicht wollen was er will." ist Unsinn und Arthur Schopenhauer hat ihn auch nicht geschrieben.

Realität/grammatisch ein Realis („er will") schließt logischerweise mit Notwendigkeit die Möglichkeit/grammatisch ein Potentialis („kann wollen") ein. Beispielsweise kann logischer jemand eine Strecke laufen, die er läuft.

1
OlliBjoern  23.05.2020, 19:57
@Albrecht

Die Frage ist aber, was mit dem Satz "X kann nicht wollen, was er will" gemeint ist. Ich interpretiere ihn so: X hat z.B. eine Bevorzugung für Schnitzel. Er mag Schnitzel. Salat aber nicht.

Im Lokal kann er dennoch einen Salat bestellen (das kann er). An seinem "Willen" (er mag eigentlich Schnitzel) ändert das aber nichts. Diese Bevorzugung bleibt - egal wie er handelt.

Er kann tun was er will (er kann Schnitzel oder Salat bestellen), aber er kann nicht "wollen", nun z.B. kein Schnitzel mehr zu "wollen".

Womöglich kann man es anders auffassen. Ich sehe es so, dass die "Begierden" (das Wollen) nicht dem freien Willen unterworfen sind. 

1
Albrecht  12.06.2020, 15:29
@OlliBjoern

Der Satz „Der Mensch kann tun was er will, aber er kann nicht wollen was er will." ist eine verunglückte Aussage. Die Formulierung kann nicht gerettet werden.

Wenn auf etwas abgezielt wird, das nicht formuliert worden ist, sollte der Satz durch eine deutliche Aussage ersetzt werden, die zugrundliegende Annahmen durchsichtig macht.

„Wollen" ist nicht dasselbe wie „Präferenzen (Vorlieben/Bevorzugungen) haben", „Begierden haben" oder „Gefallen an etwas haben" und darf damit nicht gleichgesetzt werden. Daher ist es falsch, aus dem Bestehen nicht völlig dem Belieben unterliegender Präferenzen oder Begierden abzuleiten, jemand könne nicht „wollen". Präferenzen oder Begierden sind in einem Augenblick vorhanden und nicht beliebig veränderbar (über einen Zeitraum hinweg sind Veränderungen von Einstellungen denkbar). Aber Präferenzen oder Begierden setzen sich nicht automatisch in ein bestimmtes Wollen mit einer Entscheidung (als Abschluß einer Willensbildung) um. Personen gehen mit ihren Präferenzen, Begierden und Wünschen in irgendeiner Weise um. Wollen steht an einer Schnittstelle zwischen Denken und Handeln. Beim Wollen geht es darum, was handlungswirksam wird.

0