Wie geht die Elektronenschreibweise ?

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Moin,

für das Erklären der Elektronenschreibweise (auch "Lewis-Schreibweise" genannt) hast du dir mit Stickstoffdioxid (NO2) ein denkbar schlechtes Beispiel ausgesucht.

Darum erkläre ich dir das erst einmal an einfacheren Beispielen, nämlich

Beispiel A) Bromwasserstoff (Hydrogenbromid; HBr)
Die Regeln für das Erstellen einer Lewisformel sind relativ leicht zu verstehen. 1. Regel: Man beachtet bei dieser Schreibweise nur die Außenelektronen (Valenzelektronen) der beteiligten Atome.
2. Regel: Ungepaarte Elektronen werden als Punkt ("•") dargestellt.
3. Regel: Wenn zwei Elektronen zusammen in einem Raumabschnitt vorliegen (Orbital), dann spricht man von einem Elektronenpaar; Elektronenpaare werden in der Lewisformel als Strich ("–") dargestellt.
4. Regel: Oktettregel oder besser: Edelgasregel. Atome in Atombindungen streben eine Edelgaskonfiguration an. Das bedeutet für Wasserstoff, dass er zwei Elektronen in seiner Nähe haben muss (Edelgaskonstellation von Helium), während alle anderen Atome acht Valenzelektronen brauchen (daher die Bezeichnung "Oktettregel").
5. Regel: Formalladungen. Manchmal kommt es vor, dass ein bindendes Elektronenpaar vollständig von einem Bindungspartner zur Verfügung gestellt wird. Ein Vergleich der Elektronenanzahl, wenn man die bindenden Elektronenpaare einer Lewisformel zwischen den jeweiligen Bindungspartnern gerecht aufteilen würde, und der Elektronenzahl, die ein Bindungspartner als Atom besitzt, zeigt, ob die Atome als Bindungspartner eine Formalladung haben (diese Regel ist leichter zu verstehen, wenn wir sie an einem Beispiel erläutern). Meist gleichen sich Formalladungen innerhalb eines Moleküls aus (ein Bindungspartner hat eine positive Formalladung, ein anderer eine negative). Wenn nicht, kann eine Formalladung zu einer Ionenladung werden.

Okay, nach der Theorie nun die Praxis.

Für das Erstellen einer Lewisformel beginnst du am besten damit, alle beteiligten Atome einzeln hinzuschreiben. Im Falle des Bromwasserstoffs schreibst du also das Symbol für ein Wasserstoffatom

H
Symbol des Wasserstoffs

hin und umgibst es vorne, hinten, oben und unten mit so vielen Valenzelektronen, wie das Atom hat. Im Falle des Wasserstoffs ist das nur ein einziges Elektron, also nur ein Punkt:

H•
Wasserstoffatom

Das wiederholen wir jetzt für das Bromatom. Brom hat sieben Valenzelektronen (es steht in der 7. Hauptgruppe des Periodensystems; die Hauptgruppennummer gibt dir die Anzahl der Valenzelektronen an!). Darum schreibst du wieder das Symbol für Brom hin:

Br
Symbol des Broms

und umgibst es zunächst vorne, oben, dahinter, unten mit jeweils einem Punkt (das kann ich hier nicht darstellen). Dann hast du aber erst vier Elektronen verteilt. Darum musst du nun noch an drei Seiten ein weiteres Elektron hinzufügen. An den doppelt belegten Seiten kannst du die Elektronenpaare zu einem Strich zusammenfassen. Dann ergibt sich dieses Bild:

 _
IBr•
 ¯
Bromatom

Die Striche sind Elektronenpaare. Der Punkt ein einzelnes, ungepaartes Elektron.

Für die Lewisformel musst du nun nur noch alle ungepaarten Einzelelektronen deiner gemalten Atome so zusammenfügen, dass kein ungepaartes Elektron übrig bleibt. Dann sieht Bromwasserstoff so aus:

     _
H–BrI
     ¯
Bromwasserstoff in Lewisschreibweise.

Beispiel B) Ammoniak (NH3)
Laut Formel brauchst du dafür 1 Stickstoffatom und 3 Wasserstoffatome. Stickstoff steht in der 5. Hauptgruppe, seine Atome haben also fünf Valenzelektronen. Wasserstoff kennen wir schon aus dem ersten Beispiel. Also gut:

  _
• N •
   •
Stickstoffatom

H•      H•      H•
3 Wasserstoffatome

Alle ungepaarten Einzelelektronen zu Strichen paaren:

     _
H–N–H
     I
    H
Lewisformel von Ammoniak.

Beispiel C) Ethin (C2H4)
Du brauchst zwei Kohlenstoffatome und vier Wasserstoffatome. Kohlenstoff steht in der 4. Hauptgruppe, hat also vier Valenzelektronen:

   •
• C •
   •
Kohlenstoffatom. Beachte, dass du die vier Einzelelektronen hier nicht zu zwei Strichen vereinen darfst, weil sie um das Kohlenstoffatom herum in verschiedenen Räumen sind. Das hat etwas mit dem Atombau zu tun, was jetzt zu umfangreich wäre, es zu erklären. Nimm einfach als gegeben hin, dass Elektronen stets erst einmal vorne, oben, hinten und unten hingemalt werden müssen, bevor es zu einer Doppelbesetzung und damit zu einer Vereinigung zu einem Strich kommen kann.

H•     H•     H•     H•
4 Wasserstoffatome

Wenn du nun alle vier Wasserstoffatom-Elektronen mit den vier Valenzelektronen eines Kohlenstoffatoms paaren würdest, dann bekämst du diese Lewisformel heraus:

       H
        I
H – C – H
        I
       H
Lewisformel von Methan. Diesen Stoff gibt es zwar auch, aber in unserem Beispiel würde dann ein Kohlenstoffatom mit vier ungepaarten Elektronen übrig bleiben. Aber du solltest ja nicht die Lewisformel von Methan und Kohlenstoff hinschreiben, sondern die von Ethin!
Also musst du die ungepaarten Elektronen anders paaren. Auch drei Wasserstoffe an einem einzigen Kohlenstoffatom geht nicht, weil dann für das andere Kohlenstoffatom nur ein Wasserstoff übrig bliebe. Dann könnte man zwar noch eine Bindung zwischen den Kohlenstoffatomen hinzaubern, aber am zweiten Kohlenstoff blieben dann immer noch zwei Elektronen ungepaart. Das geht (in diesem Falle) gar nicht. Darum sieht die einzige Lösung so aus:

H–C=C–H
      I    I
     H   H
Lewisformel von Ethin

Beispiel D) Kohlenstoffmonoxid (CO)
Dies ist ein kompliziertes Beispiel. Fangen wir wieder mit den Atomen an:

   •
• C •
   •
Kohlenstoffatom

  _
• O •
  ¯
Sauerstoffatom

Wie du jetzt feststellen kannst, ist es nicht möglich, alle in den Atomen ungepaarten Elektronen einfach so zu kombinieren, dass nur Elektronenpaare entstehen. Aber wenn du dir vorstellst, dass das Sauerstoffatom eines seiner bereits im Atom vorhandenen Elektronenpaare auflöst und jeweils eines dieser Elektronen zu den ungepaarten Elektronen am Kohlenstoff gibt, dann entsteht einmal eine dritte Elektronenpaarbindung und ein nichtbindendes Elektronenaar am Kohlenstoff. Die drei bindenden Elektronenpaare zwischen den Elementsymbolen kann ich hier nicht darstellen, aber guckst du hier:

http://images.google.de/imgres?imgurl=https%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org%2Fwikipedia%2Fcommons%2F1%2F14%2FCarbon-monoxide-2D-dimensions.png&imgrefurl=https%3A%2F%2Fcommons.wikimedia.org%2Fwiki%2FFile%3ACarbon-monoxide-2D-dimensions.png&h=533&w=937&tbnid=xGMjAKItniXaaM%3A&vet=1&docid=suh_rzQRWuuivM&ei=cEaGWK7vG4XD6QSknL3YDQ&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=1587&page=0&start=0&ndsp=54&ved=0ahUKEwiu58WC7tjRAhWFYZoKHSROD9sQMwg3KBgwGA&bih=974&biw=1920

Aber wenn du hier die drei bindenden Elektronenpaare zwischen Sauerstoff und Kohlenstoff teilst und gleichmäßig auf die Bindungspartner verteilen würdest, dann würde sich herausstellen, dass Kohlenstoff und Sauerstoff plötzlich fünf Valenzelektronen hätten (jeweils zwei nichtbindende plus drei aus den drei Bindungspaaren). Wenn du das mit dem Zustand der ungebundenen Atome (siehe oben) vergleichst, hätte Kohlenstoff dann ein Elektron mehr und Sauerstoff eins weniger. Darum schreibt man an das Kohlenstoffatom ein Minuszeichen in einem Kreis an das Symbol, während das Sauerstoffsymbol ein Pluszeichen in einem Kreis erhält. Das sind die oben beschriebenen Formalladungen. Das ganze Molekül ist ungeladen, weil sich die Formalladungen gegenseitig ausgleichen.

Ich hoffe, du konntest all dem bis hierher folgen und weißt jetzt, wie man Lewisformeln erstellt und wie die Elektronenschreibweise geht. Kommen wir nun zu deinem Beispiel...
Mik38 hat dir ja bereits einen Link geschickt, wo du dir die Lewisformeln der Stickoxide anschauen kannst. Da wirst du entdeckt haben (oder kannst es entdecken), dass Stickstoffdioxid ein ungepaartes Elektron am Stickstoff besitzt. Das ist eigentlich ungewöhnlich für Lewisformeln, weil es dort (zumindest bei den stabilen) keine ungepaarten Elektronen geben soll. Solch einen Zustand nennt man "radikalisch" (Radikal). Das kommt daher, dass Atome mit so einem ungepaarten Elektron "sehr unglücklich" sind und (radikal) alles angreifen, was in die Nähe kommt. Soll heißen: solche Moleküle sind sehr reaktionsfreudig. Tatsächlich liegt Stickstoffdioxid (NO2) auch nicht in reiner Form vor, sondern steht mit Distickstoffdioxid (N2O2) in einem Gleichgewicht. Das heißt, es vereinen sich ständig radikalische Stickstoffdioxid-Moleküle zu Distickstoffdioxid-Molekülen und irgendwo anders im Reaktionsraum zerfallen Distickstoffdioxid-Moleküle in zwei Moleküle Stickstoffdioxid:

2 NO2 ---><--- N2O2

Da der radikalische Zustand im Grunde also nicht stabil ist, verstehst du jetzt vielleicht, warum ich oben schrieb, dass du dir für das Erklärt-haben-wollen der Elektronenschreibweise ein denkbar schlechtes Beispiel ausgesucht hast...

Ich hoffe, dass du trotzdem mit meinen Erklärungen und den anderen Beispielen etwas anfangen kannst.

LG von der Waterkant.