Wie entsteht eine Gesellschaft?

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Was eine Gesellschaft ist und damit auch wie sie entsteht ist Definitionssache und diese Definitionen sind nie einheitlich, vor allem nicht in der Soziologie. Der unten aufgeführte Absatz stammt aus einem Buch, das uns zur Einführung meines Soziologiestudiums von unseren Professoren empfohlen wurde. Es bleibt recht allgemein und stellt verschiedene Ansätze und Theorien vor. Ich hoffe es hilft dir weiter.

GesellschaftGesellschaft bedeutet dem Wortursprung nach „Inbegriff räumlich vereint lebender oder vorübergehend auf einem Raum vereinter Personen“ (Geiger, 1988). Die Komplexität des Begriffes lässt sich durch folgende Differenzierungen erfassen: 1.)Gesellschaft ist eine Bezeichnung für die Tatsache der Verbundenheit von Lebewesen (Menschen; Tiere; Pflanzen); 2.) als menschliche Gesellschaft eine Vereinigung zur Befriedigung und Sicherstellung gemeinsamer Bedürfnisse; 3.) i.e.S. jene Form des menschlichen Zusammenlebens, die seit der frühen Neuzeit als bürgerliche Gesellschaft, als nationale und industrielle Gesellschaft einen die individuelle Erfahrungswelt übersteigenden Handlungsrahmen entwickelte (des Rechts, der Ökonomie, des Zusammenlebens in großen Städten, der Kommunikation usw.) und in einen immer stärkeren Gegensatz zu den gemeinschaftlichen Formen des Zusammenlebens geriet; 4.) eine größere Gruppe, deren spezifischer Zweck mit dem Begriff Gesellschaft hervorgehoben wird, z. B. Abendgesellschaft, Reisegesellschaft, Tischgesellschaft; in der Form einer organisierten Zweckvereinigung und i.d.R. rechtsförmig ausgestaltet als Aktiengesellschaft, Gesellschaft der Wissenschaften, Gesellschaft der Musikfreunde, Gesellschaft Jesu (Jesuiten); 5.) in der Sprache der Theorien des sozialen Handelns und sozialer Systeme (T. Parsons; N. Luhmann): alle Interaktionssysteme mit Steuerungsfunktionen für gesellschaftliche Teilsysteme wie Familie, Schulen, Wirtschaft usw.; 6.) in einem historisch sich wandelnden Verständnis eine Bezeichnung für die kulturell und/oder politisch tonangebenden Kreise, von der Adelsgesellschaft zur „guten Gesellschaft“ bzw. high society; 7.) in wortursprünglicher Verwandtschaft mit Geselligkeit das gesellige Beieinandersein ganz allgemein: „eine Gesellschaft geben“; jemandem „Gesellschaft leisten“.Der Mensch als Gattungswesen ist auf das Zusammenleben und -wirken mit anderen angewiesen; so erklärte schon Aristoteles (384-322 v. Chr.) die Entstehung von Gesellschaft (der antiken Polis) aus der „geselligen Natur“ des Menschen einerseits, aus dem wechselseitigen Angewiesensein auf die unterschiedlichen (arbeitsteiligen) Fähigkeiten der Menschen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse andererseits. Über die längste Phase der Menschheitsgeschichte waren Gesellschaften – wie noch heute in vielen Regionen Asiens, Amerikas, v. a. Afrikas, Melanesiens und Polynesiens – als  Stammesgesellschaft organisiert. Entsprechend dem uneinheitlichen Gebrauch des Begriffes Stamm in der Ethnologie umfasst eine Stammesgesellschaft Angehörige  gleicher Abstammung, Sprache und Kultur; oder es handelt sich um überschaubare Gesellschaftsformen, die maximal 700 bis ca. 1500 Menschen umfassen.
Gesellschaft im heutigen soziologischen Verständnis ist v. a. die unter 3.) genannte Organisationsform menschlichen Zusammenlebens; mit ihr ist die Entwicklung der Soziologie als Gesellschaftswissenschaft aufs Engste verknüpft, also jener Form der gesellschaftlichen Organisation des Zusammenlebens, die von den Bürgern getragen und in den bürgerlichen Revolutionen des 17.-19. Jahrhunderts durchgesetzt wurde.

Quelle: Kopp, Johannes; Steinbach, Anna (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie: 2016 (11.Auflage). Springer Verlag: Wiesbaden. S. 100f.