Wie entstehen Obertöne bei einem Saiteninstrument?

4 Antworten

"Schlägt man eine Gitarrensaite an, so sieht man, wie sie sich bewegt, in der Mitte stark und zu den Enden hin abnehmend. Sie erzeugt dadurch einen Ton. Die Saite vollzieht aber gleichzeitig weitere komplexe Schwingungen und Windungen, die man nicht sieht. Der Klang, den die Saite verursacht, besteht daher nicht nur aus der Frequenz der sichtbaren Hauptbewegung." Quelle http://www.oberton.org/wp-content/uploads/ws_Fachartikel_FZ_Wellness_S.58-60.pdf

Doch, eine Saite kann im Grunde gleichzeitig ganz und in Teilen schwingen.

Stell Dir vor die Saite wäre eine flexible Stange, die du etwas biegst. Dann fixierst Du in Gedanken die Mitte der (gebogenen) Stange und biegst die eine Hälfte etwas nach außen - die andere Hälfte wird sich automatisch wieder etwas nach innen biegen. Dann fixierst Du wieder in Gedanken die Mitten der beiden Hälften und biegst wieder einen der Teile etwas in eine Richtung die benachbarten Teile werden sich etwas in die Gegenrichtung biegen usw.

Bei einer Sete können nun tatsächlich alle diese Biegungen gleichzeitig auftreten, d. h. die als ganzes schwingende Seite schwingt zusätzlich (während der Bewegung) auch noch mit einem Schwingungsknoten auf der halben Länge. Diese zweite Schwingung ist dann wieder mit einer weiteren Schwingung mit Knoten auf der Viertellänge überlagert usw. Diese überlagerten Schwingungen sind aber erheblich schwächer als die "Hauptschwingung", daher sind die Obertöne so vergleichsweise leise.

Auf Saiteninstrumenten (Gitarre, Geige u. ä) kann man übrigens diese Obertöne quasi verstärken, indem man die "Hauptschwingung" unterdrückt. Das nennt man dann "Flageolett spielen" (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Flageolettton). Dazu wird die Saite nicht fest auf das Griffbrett gedrückt, sondern an einer passenden Stelle nur ganz leicht mit dem Finger berührt, Wird nun die Seite angerissen, kann sowohl der Teil hinter dem Finger aus auch der davor schwingen, die Schwingung der Saite in voller Länge wird aber durch den Finger verhindert.

mistervogel 
Fragesteller
 28.01.2015, 17:38

Danke für die ausführliche Antwort.

Würde man nun die Elongation eines Punktes der Saite errechnen wollen , wie wäre das möglich ? Denn die Amplitude eines Punktes würde ja ständig wechseln ? Die Formel y=Asin(2pi t/T + phi) wobei A die Amplitude (2Y*sin(2pi * x/lambda)) ist kann so ja nicht mehr angewendet werden wenn man die x achse auf die saite setzt wenn diese nicht schwingt...

0
claushilbig  28.01.2015, 20:38
@mistervogel

Ohne jetzt genau die Formeln zu kennen (und zu wissen, was da jetzt was bedeutet - ich habe mehr ein "anschauliches" Verständnis von Akustik als ein mathematisches):

Die momentane Auslenkung der Saite müsste sich m. E. aus der Summe der Auslenkungen der einzelnen Schwingungen ergeben. Du müsstest also für den Grundton und für jeden Oberton die jeweilige Auslenkung berechnen und diese dann zusammenrechnen.

Dabei sind - wie gesagt - die Obertöne im Vergleich zum Grundton relativ leise, so dass ihr Anteil an der Gesamt-Auslenkung kleiner ist als der aus der Grundschwingung, und für jeden weiteren Oberton wird dieser Anteil noch kleiner.

0

Beides scheint mir physikalisch unlogisch da die Saite nur entweder ganz schwingen kann oder in Teilen aber nicht beides .

Es kann eine Überlagerung der beiden Schwingungen sein: http://archive.geogebra.org/de/examples/fourier/Arbeitsblaetter/2_ueberlagerung.html

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Masterabschluss Theoretische Physik
mistervogel 
Fragesteller
 27.01.2015, 22:50

Hat dies mit der Interferenz der eingehenden und reflektierten Welle zu tun? Obertöne entehen ja nur bei stehenden Wellen , das bedeutet die Art dieser stehenden Wellen ändert stetig ?

0
PhotonX  28.01.2015, 09:31
@mistervogel

Sie ändert nicht stetig sondern besteht zu jeder Zeit aus einer Überlagerung von stehenden Wellen unterschiedlicher Frequenzen.

1

Hier eine Videoaufnahme, bei der man die Oberschwingungen auf den Saiten eines Kontrabasses sehen kann.

Was man hier sieht, ist allerdings nicht direkt die Bewegung der Saiten, sondern ihre Interferenz mit der Aufnahmefrequenz der Videokamera, etwa so wie bei einem Stroboskop.

Franz1957  28.01.2015, 08:26

Um das Entstehungsprinzip der obigen Videoaufnahme zu verdeutlichen, hier noch eine Stroboskopaufnahme, die die erste Oberschwingunmg einer Saite sichtbar macht: https://www.youtube.com/watch?v=rkeIubVQ0N8 Was bei dem Video mit dem Kontrabaß der Verschluß der Kamera macht, das macht hier der Flackerblitz des Stroboskops.

0
Franz1957  28.01.2015, 09:06
@Franz1957

Es kann sein, daß ich mich irre. Vielleicht ist das, was man an den Saiten sieht, gar keine Stroboskopie, sondern eine Folge ungleichzeitiger Ablesung der Bildsensorzeilen durch die Kameraelektronik. In diesem Fall sähe man keine Oberschwingungen sondern nur ein Artefakt, so wie bei den verzerrten Rädern der Rennwagen, wenn sie mit Schlitzverschluß-Kameras fotografiert wurden: http://images.derstandard.at/2014/07/08/Unbenannt-1.jpg

1