Welche Auswirkungen haben unsere Kindheitserfahrungen auf unser Selbstwertgefühl?

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Natürlich prägt uns, welche Erfahrungen wir in der Kindheit gemacht haben.

Aber es kommt auch stark auf die individuelle Persönlichkeit drauf an WIE es einen prägt.

Weiters ist auch ausschlaggebend, wie man diese Erfahrungen verarbeitet hat. Verdrängt? Selbstständig daraus gelernt? Oder mit Anleitung und Begleitung verarbeitet?

Diese Auswirkungen sind meiner Meinung nach sehr groß - und man spürt sie erst im Erwachsenenleben richtig, entweder an sich selber oder wenn man sich mit anderen abgibt bzw. mit Leuten zu tun hat, die man schon als Kind kannte und wo man die Familienverhältnisse kannte & als Erwachsener mit anderen Augen sieht sowie mit gewisser Lebenserfahrung. Man kann da schon einiges zuordnen. Als ich letztes Jahr Klassentreffen hatte merkte ich schon ... einige sind genauso unangenehm geworden wie ihre komischen Eltern, andere hingegen sind genauso entspannt wie früher.

Ich selbst wuchs in einem merkwürdigen, tristen und bigott-katholischen, sehr einfachen Arbeitermilieu und grauen Vorstadt-Ambiente auf, wo ich schon im Kindergarten sehr negative, verstörende Dinge erfuhr und mit ansehen musste; die Grundschulzeit war gut und mit meinem heute 83-jährigen Lehrer habe ich immer noch einen herzlichen Kontakt - die Realschulzeit war dann aber grässlich und es gab nichts, was in der Zeit nicht vorgefallen wäre an Grausamkeiten, egal ob es Fleischbeschau war, sexuelle Übergriffe, Mobbing, Beleidigungen, Gewalt durch Lehrer, Ungerechtigkeit, was auch immer. Ich war bis zum Wechsel auf die Realschule ein glücklicher Junge & wusste, dass ich in Ordnung bin, das blieb im Kern auch immer erhalten, dieses Gefühl.

Ich wurde im Kiga und der Realschule nicht gemobbt, bekam aber oft von Erwachsenen (nie von Gleichaltrigen oder allgemein anderen Kindern) zu spüren "nur so ein Ausländer da" zu sein, kein Mitglied eines alteingesessenen "Clans" und daher "nicht gut genug" zu sein oder "schlechter als andere Kinder aus den normalen deutschen Familien", da hat schon im Kiga damals eine Erzieherin ganze Arbeit geleistet; in der Grundschule war wie gesagt alles gut, in der Realschule ging es dann schon wieder los. Auch standen wir unter Beobachtung, weil wir keine Arbeiterfamilie waren und sogar ein Lehrer meinte über uns ------> "die haben halt Geld, ne". Es gab Neid, Frust, schlechte Schwingungen, wie man dazu auch immer sagt.

Ich wurde zum Beispiel als Jugendlicher von einer älteren Dame an der Hand gepackt und recht wüst zur Seite gestellt, weil ich mich angeblich (war nicht so) im Postamt "vorgedrängelt" hätte und überdies ein "dreckiger Ausländerbub" gewesen sei, "die können sich ja alle nicht benehmen". Leider war ich damals noch nicht so weit, als dass ich was gesagt hätte, weil mich die Geste überfordert hat. Der Postbeamte hat hinterher zu mir gesagt, dass das nicht in Ordnung war und er die Dame drauf hinweise, wenn sie wieder käme. Ich kannte sie nicht persönlich, habe nur gesehen, wie sie in einen weinroten Audi 80 stieg, den ich aus dem damaligen Straßenbild kannte; sie war damals so 60 - das war sicher auch so jemand, der mich seit meinem beruflichen Aufstieg gelobt hätte und irgendwann gemeint hätte, wir könnten ruhig Du zueinander sagen. Das alles hinterließ Spuren und ich hatte lang noch mit solchen Entwürdigungen zu kämpfen.

Ich war als Jugendlicher objektiv gutaussehend und eine Art Mädchenschwarm, aber irgendwie konnte ich darauf nicht richtig eingehen weil ich oft dachte, man dürfe sich nicht attraktiv oder sympathisch finden oder sei nicht gut genug, obwohl ich gute Noten hatte und wie gesagt super bei den anderen angekommen bin - es will was heißen, dass ich nicht gemobbt wurde in einer Klasse, in der fast jeder gegen jeden war.

So was hinterlässt dennoch sicherlich auch aus der Zuschauerperspektive seine Spuren und löst auch Beklemmungen aus. Selbst als ich beruflich erfolgreich war und längst etabliert weigerte ich mich, anzuerkennen das alles selber geleistet zu haben. Ich (m, 33) war noch vor einigen Jahren u.a. deswegen ein paar Mal zum Reden bei einem Psychologen, weil ich auch deswegen Probleme mit dem Selbstwertgefühl hatte, wegen denen ich es unter anderem als nötig erachtete einen gebrauchten Siebener-BMW zu kaufen, sobald ich mir ein richtig gescheites Auto leisten konnte. Heute tut's eine gebrauchte ältere E-Klasse, der Siebener (E38 war das damals) war ein Teil meines Lebens - aber ich kapiere heute erst richtig, warum ich den so sehr gebraucht habe und überall präsentierte. Stark geholfen hat mir vor allem meine frühere Freundin ... man kann ihr einiges nachsagen, aber sie hat mir Selbstbewusstsein vermittelt und das so, dass es bis heute anhält nach dem Motto ... trau dich zu sagen was du denkst.

Heute bin ich ein zutiefst zufriedener Mensch und habe mir alle Wünsche erfüllt, die ich je hatte - mein Leben entspricht dem, was ich in der Realschule (9. Klasse) auf die Frage antwortete, wie ich mir mein Leben als Erwachsener vorstelle. Ich bin beruflich sehr erfolgreich geworden und auch menschlich ausgeglichen. Und das Schönste ist, ich habe das alles erreicht ohne über Leichen zu gehen und ohne jemandem weh zu tun, denn ich bin anders als die Leute aus meiner Heimat. Ich kann zwar auch mal Zunder geben, aber ich bin eigentlich sehr maßvoll.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Habe einiges erlebt udn es beeinfluss mich stark. Also es hat schon einen riesen Einfluss was man als kind erlebte auf die zukunft.

Sehr große! Und wirklich zu komplex das Thema, um es mal kurz hier zu erläutern!

Ganz gravierende Auswirkungen, ist doch logisch.

Woher ich das weiß:Recherche