Was möchte Bertolt Brecht mit diesen Sätzen verdeutlichen?
Zum Verständnis der Vorgänge war es nötig geworden, die Umwelt, in der die Menschen lebten, groß und „bedeutend“ zur Geltung zu bringen. Diese Umwelt war natürlich auch im bisherigen Drama gezeigt worden, jedoch nicht als selb- stāndiges Element, sondern nur von der Mittelpunktsfigur des Dramas aus. Sie erstand aus der Reaktion des Helden auf sie. [..] Im epischen Theater sollte sie [die Umwelt] aber nun selbständig in Erscheinung treten. Nicht der vierten.
Möchte er damit sagen, dass die Umwelt bzw. Umgebung, in der sich die Figuren befinden, veränderbar sein sollte? Also, so, dass die Umwelt eine richtige Rolle spielt? Man erkennt, dass ich etwas Schwierigkeiten damit.., jegliche Hilfe ist erwünscht!
Danke im Voraus!
1 Antwort
Hallo Lenalehmann, kann es vielleicht sein, dass diese Sätze aus DAS LEHRSTÜCK von Brecht stammen? Darin vertrat Brecht nämlich eine Theorie einer politisch-ästhetischen Erziehung. Deine Vermutung, dass Brecht damit auf die grundsätzliche Veränderbarkeit der Umwelt hinweisen möchte, scheint sehr nachvollziehbar zu sein. Brecht war kommunistisch geprägt und nach Karl Marx bestimmt das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein. Fazit: Brecht wollte mit der neuen literarischen Form des epischen Theaters eine Art "Klassenkampf auf der Bühne" durchführen und mit den Mitteln der Kunst zeigen, wie sehr die Handlungen eines Menschen von seiner äußeren Umgebung beeinflusst werden.
Deine Entscheidung, inwieweit Du dem persönlich zustimmen möchtest oder nicht, kann Dir vielleicht diese Analogiebildung erleichtern:
Stelle Dir eine Handlung heute in "Corona-Zeiten" vor. Was wird Deine Kunstfigur machen: sich an alle geltenden Regeln halten oder versuchen, diese Regeln zu durchbrechen und neue Regeln zu erschaffen?
Abschließend noch ein Zitat aus dem aktuellen WS der Uni Leipzig mit Quellenangabe unten:
Brechts ab der zweiten Hälfte der Zwanziger Jahre entstandene Lehrstücke erweisen sich bis in die Gegenwart hinein immer wieder als Herausforderung und Provokation nicht nur des Theaterbetriebs sondern auch des Verhältnisses von Ästhetik, Theatralität und Politik.
Den einen gelten sie als totalitäre Feiern des Kollektivs und eines mörderischen Kommunismus, den anderen als wegweisende experimentelle Form eines Theaters der Zukunft, welches nicht zuletzt die Trennung von Zuschauern und Darstellern aufhebt. Dabei wurden die Lehrstücke zunächst von der Brechtforschung eher ignoriert. Erst mit Reiner Steinwegs Studie "Das Lehrstück. Brechts Theorie einer politisch-ästhetischen Erziehung" von 1972 wurde es als Alternative zum bürgerlichen Schauspiel und als "revolutionärste[r] Stücktypus Brechts" wieder- und neuentdeckt. Laut Steinweg lautete die Basisregel der Lehrstücke, welche eine Vielzahl von eher theaterpädagogischen Versuchen inspirierte: "Spielen für sich selbst."
Das neu erwachte Interesse am Lehrstück im Rahmen der letzten Jahre ist freilich weniger diesem theaterpädagogischen Impuls zuzurechnen. Es speist sich vielmehr aus den Schnittstellen, welche die Lehrstücke zu den heutigen Auseinandersetzungen um die Politik bzw. das Politische von Theaterarbeit. Die Veranstaltung will vor diesem Hintergrund einerseits gegenwärtige Inszenierungen thematisieren, andererseits anhand intensiver Lektüren in die Lehrstücke sowie ihre Rezeption einführen. Im Fokus stehen dabei zentrale Arbeiten wie "Der Flug der Lindberghs", "Das Badener Lehrstück vom Einverständnis" sowie "Die Maßnahme".
Ich hoffe, dass ich Dir ein bisschen helfen konnte. Viel Erfolg! Stephan Giering, DDR-Zeitzeuge. Mehr zu mir auf meinem Profil.