Was macht es mit einem Mann, 14 Jahre in Haft zu sitzen?

1 Antwort

Unterschiedlich.

14 Jahre in totaler Unfreiheit und Fremdbestimmung zu verbringen kann schon zermürbend sein.

Selbstjustiz ist sicherlich keine Option.

Doch 14 Jahre für einen Vater zu verhängen, der einen Racheakt gegen den Mörder seines Sohnes und dem Schänder seiner Frau ausübte, finde ich sogar schon verhältnismäßig viel.

Wenn eine JVA für sich den Anspruch erhebt, einen Resozialisierungsauftrag zu erfüllen, dann ist eine solch lange Haftstrafe tendenziell absurd. Steht hier dann nicht eher im Vordergrund ein "Exempel zu statuieren"?

Die Länge der Haftstrafe sollte ja auch daran festgemacht werden, welche Gefahr vom Verurteilten für die Gesellschaft ausgeht. Geht vom Täter eine Wiederholungsgefahr aus?

Das Motiv eines Elternteils, das sein Kind rächt, ist ja gewissermaßen so einzigartig, dass man die Prädikate "Gefahr für die Gesellschaft" oder "Wiederholungsgefahr" eigentlich ausschließen könnte. Es würde womöglich auch kein "Mordmerkmal" erfüllen.

Doch was sollte eine Haftstrafe gegen Eltern, die ihr Kind durch ein Gewaltverbrechen verloren haben, noch bewirken, außer dass es sich aus deren Perspektive wie eine Doppelbestrafung anfühlen dürfte? - Das eigene Kind zu verlieren ist schon das denkbar schlimmste, was Eltern wiederfahren kann. Ein Gefängnisaufenthalt ist wahrscheinlich gar nichts dagegen und ein Elternteil, das zur Selbstjustiz gegriffen hat, wird in den meisten Fällen auch im Gefängnis wahrscheinlich noch sagen "Ich würde es wieder so machen!".

Selbstjustiz und Todesstrafe sind zweifellos falsch. Bei Eltern eines getöteten Kindes habe ich aber zumindest noch insoweit Verständnis, dass sie sich ohne diese Genugtuung nicht mehr imstande fühlen, jemals wieder Frieden zu finden. Am zermürbensten ist sicherlich noch die Vorstellung, der Mörder könnte nach einer gewissen Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt werden, womit er wieder Gelegenheit hätte, seine Verbrechen zu wiederholen. Manche Eltern wollen einfach nur sichergehen, dass der Mörder keinem anderen Kind mehr etwas antun kann.

Wem das eigene Kind genommen wurde hat sehr wahrscheinlich eh das Gefühl, im Leben alles verloren zu haben. Eine Gefängnisstrafe wird einem betroffenen Elternteil wohl kaum noch Angst machen und eignet sich daher auch nicht als Abschreckung. Die seelische Verelendung dürfte hinter Gefängsnismauern wohl nur noch zusätzlich beschleunigt werden.

eccojohn  11.07.2020, 22:30

Du hast viele Punkte EXAKT RICHTIG eingeordnet. DAS was sich bei uns in diesem Themenbereich Rechtsprechung und Justiz nennt, ist in solchen Fällen mit der Rechtsprechung einer Bananen-Republik zu vergleichen ! Ein UNRECHT-.STAAT !

Kindermörder und Vergewaltiger hatten bislang immer eine schlechte Kindheit, ein unzumutbares Umfeld oder waren psychisch krank, drogenabhängig alkoholkrank oder sonst was !

Das da auch mal bei einigen Betroffenen die Sicherung durchbrennt, kann ich gut verstehen - und würde es mit einer formalen Bestrafung abtun.

Doch Fakt ist, das der Betroffene - wie hier geschildert - der zum Täter wird, wohl BRUTAL NACH DEN BUCHSTABEN DES GESETZES mit garantierter Höchststrafe bedacht wird, ein wahrer Kindermörder und Vergewaltiger jedoch selbst für beide Taten irgendwie MILDERNDE UMSTÄNDE zuerkannt würde und die "Lappalie" höchstens mit 5 bis 8 Jahre bestraft werden würde.

Hierbei ist unsere Justiz meist kranker wie die wirklichen Täter - LEIDER !

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RhoMalV  11.07.2020, 23:52
@eccojohn

Ja, es kommt sicherlich oft vor, dass Täterinteressen über den Opferschutz und die Belange der Gesellschaft gestellt werden.

Richtig ist, dass wer als voll zurechnungsfähig und nicht psychisch vorbelastet befunden wird, am wenigsten mit Milde rechnen kann.

Dass ein Kindermörder höchstens mit 8 Jahren Freiheitsstrafe versehen wird, ist faktisch allerdings nicht die Regel.

Skandalös war sicherlich ein Fall, wo ein gewisser Rolf Diesterweg für einen Mord an einer Teenagerin 6 Jahre Jugendstrafe erhielt und bereits nach 4 Jahren wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Später als Mittdreißiger ermordete er dann die elfjährige Kim aus Varel, wo die Richter auch von einer besonderen Schwere der Schuld absahen, wodurch er nach Verbüßen von 15 Jahren Haft bereits einen Bewährungsantrag stellen konnte. Dies ist sicherlich so ein Fall, wie Du ihn etwa geschildert hast.

Ronny Schulte (damals Ronny Rieken) erregte erstmals durch die brutale Vergewaltigung an seiner Schwester Aufsehen. Anfangs wurde richtigerweise auf 10 Jahren Freiheitsstrafe entschieden, in der Revision jedoch unter Berücksichtigung seiner Kindheit die Strafe auf nur noch 5-einhalb Jahre herabgesetzt. Zwischen 96 und 98 ermordete er zwei Mädchen. Hier wurde er 1998 zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Es bleibt abzuwarten, ob er tatsächlich nächstes Jahr (womöglich im Mai) wieder auf freien Fuß kommt oder ob seine Haftstrafe nochmals verlängert wird.

Marc Hoffmann hatte 2004 zwei Kindermorde begangen und erhielt dafür lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Dieses Urteil sehe ich auch als das Richtigste an, da ein Mensch, der ohne Not und nur zur Befriedigung der eigenen Triebe ein Kind entführt, verschleppt, missbraucht und zuletzt auch tötet, sein Recht am Gesellschaftsleben teilzunehmen dadurch für immer verwirkt hat.

Wer erwiesenermaßen dazu imstande ist, ein Kind in seine Gewalt zu bringen und ihm das denkbar allerschlimmste anzutun, der DARF niemals mehr auf die Gesellschaft losgelassen werden. Selbst wenn ein solcher Täter sich als therapierbar erweisen würde, so ist bereits das Risiko viel zu groß, so dass diese oft geübten und gefährlichen Resozialisierungsexperimente gerade bei solchen Tätern gegenüber der Gesellschaft unverantwortlich sind.

Es gibt wahrlich daneben genügend Urteile, die bei einem vernunftbegabten Menschen nur noch Kopfschütteln auslösen können.

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eccojohn  13.07.2020, 00:54
@RhoMalV

Du scheinst gut informiert zu sein. Kennst du auch die jeweilige Familien und deren individuellen Leidensweg und deren Einstellung dazu ?

Nicht nur vernunftbegabte Menschen schütteln vielfach den Kopf, selbst geistig gering oder Minderbemittelte sind durchaus in der Lage, solche Sachen realistischer zu betrachten wie manch ein sog. Gericht.

Seit ich selber ein Kind durch ähnlich gelagerte Umstände zu Grabe tragen mußte, weiß ich, was man von dieser Art RECHT ZU SPRECHEN zu halten habe. Auch eine darauf später folgende langjahrige Tätigkeit in einer entsprechenden Hilfsorganisation zugunsten von Opfern konnte und kann diese gewachsene Einstellung nicht ändern - höchstens noch verstärken.

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RhoMalV  13.07.2020, 23:22
@eccojohn

Oh. Das tut mir furchtbar leid mit dem Kind. War es Dein eigenes Kind?

Ja, gerade wenn man selbst betroffen ist oder mit solchen Fällen aus nächster Nähe in Berührung kam, lässt der Schmerz, die Trauer und das Entsetzen kaum noch einen rationellen Umgang mit diesem Thema zu.

Gerichte orientieren sich danach, was Gesetz ist und zeigen nicht immer großes Verständnis dafür, wenn ein Angehöriger eines Verbrechensopfers oder eine nahestehende Person nach solch einem Ereignis nur noch mit Verzweiflung reagiert und dadurch etwas tut, was vom Gesetz her als strafbar festgelegt ist.

Es ist in der Tat so, dass auch manch einfach gestrickter Mensch ein ausgeprägteres Gerechtigkeitsempfinden haben, als viele Richter und Gerichte.

Viele Betroffene wählen den Weg, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, um sich gegenseitig Hilfe zu leisten und Trost zu spenden. Es ist aber oft so, wie Du sagst, dass ein ständiger Kontakt mit dieser Thematik nicht immer zur Besserung beiträgt.

Ich habe mich ja auch teilweise mit Kriminologie auseinandergesetzt, über Quellen, wo sich wesentlich wissenschaftlicher und realitätsnäher mit Verbrechensphänomenen auseinandergesetzt wird. Also, wo eben auch der Frage nachgegangen wird "Warum werden gewisse Personen zu Schwerverbrechern?".

Der Mythos mit der schweren Kindheit hält sich in vielen Gerichten. Eine schlechte Kindheit kann evtl. verstärkend wirken, ist aber nicht die entscheidende Wurzel allen Übels. Denn wenn es so wäre, würden ja viel viel mehr Leute zu gefährlichen Straftätern werden.

Es gibt ja tatsächlich ein bestimmtes Areal bei uns im menschlichen Gehirn, das unser moralisches Empfinden und Verhalten steuert. Bei Schwerverbrechern ist dieser Gehirnbereich oft unterentwickelt, weswegen sie ihr Verhalten nur äußerst eingeschränkt steuern und kontrollieren können. Stattdessen wird deren Verhalten oft durch Impulse gelenkt. Sie sind nicht in der Lage, Mitgefühl zu empfinden oder Richtig und Falsch einzuordnen. Bei Manchen sind auch organische Fehlfunktionen wie ein zu langsamer Herzschlag und die chronische Unterversorgung des Hirns mit Sauerstoff Ursache für ihr Verhalten und Handeln.

Ich meine, dass sind auch so Faktoren, die mich auch von der Todesstrafe Abstand nehmen lassen. Selbst wenn die Schuld eines Angeklagten zweifelsfrei erwiesen ist und seine sardistischen Neigungen von Gutachtern attestiert wurden.

Es ist mir auch völlig klar, dass selbst solche Erkenntnisse die Gefühle der Eltern, die ihr Liebstes verloren haben, keineswegs milder stimmen kann.

Schon wenn man durch Unfall oder Krankheit sein Kind verliert, kann der Schmerz und die Trauer für Eltern schon zermürbend sein.

Wenn allerdings zusätzlich zu diesen ohnehin schon schweren Gefühlen noch abgrundtiefer Hass hinzukommt, dann ist eine Konstellation erreicht, die fast jedes betroffene Elternteil seelisch, innerlich zerstört.

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eccojohn  16.07.2020, 13:06
@RhoMalV

NUR MAL AM RANDE: Die zeitliche Verzögerung meiner Rückmeldung war beabsichtigt. Das allgemeine Interesse an der hier gestellten Frage sollte sich weitgehend gelegt haben, denn wir bewegen uns hier in einer Thematik, die auf dieser Plattform irgendwie nicht wirklich gut aufgehoben ist. #####

Ja, mein Eindruck verstärkt sich - du hast dich viel und grundlegend mit der Materie beschäftigt - Respekt - und JA, es war unser eigenes Kind.

In einigen Punkten deiner vorhergehenden Antwort muss ich dir aber widersprechen. Dies deckt sich aber mit den allgemein von Betroffenen mit Außenstehenden gemachten üblichen Erfahrungen.

Es ist normal, das Außenstehende sich nicht in die Situation und in die emotionale Lage von Betroffenen und Angehörige versetzen können.( Die Ergebnisse sind etwa so, als wenn man einen Friseur mit der Arbeit eines Uhrmachers konfrontieren würde; .....zum Scheitern verurteilt.) Der normale machbare Maßstab reicht einfach nicht - auch bei noch so gut gemeinten Versuchen kann es nur daneben gehen.

Ich bin entgegen deiner Einschätzung nicht verbittert oder festgefahren - im Gegenteil ! Heute bin ich realistischer und "trockener in der Thematik" wie je zuvor. Nach der Trauerphase habe ich mich dazu entschlossen, die gesamten Vorkommnisse unvoreingenommen zu analysieren um die ganzen dubiosen Abläufe besser verstehen und verarbeiten zu können.

Deine Aussage zum "Erfahrungsaustausch unter Betroffenen" trifft dabei voll zu. Dies ist ein Automatismus, der sich als einer von zwei möglichen Wegen zwangsläufig ergibt. Betroffene haben nur die Chance sich entweder einzuigeln, oder passende Gesprächspartner zu suchen/finden. Im laufe der Jahre habe ich festgestellt, das es insgesamt KEINE GEEIGNETEN ANLAUFGSTELLEN für Betroffene dieser Thematik gibt.

Zum Exekutiven und Judikativen - eine ganz andere Welt. Alle beteiligten Ermittlungsbehörden brauchen eine deutliche Distanz um ihre Arbeit gewissenhaft und gründlich machen zu können. Das ist zwingend erforderlich.

Im gewissen Sinne gilt das auch für die Justiz, aber hier läuft fast immer ALLES aus dem Ruder. Hier einzelne Punkte zu konkretisieren, würde aber jeden Rahmen sprengen.

Ich kann aus selbst durchlebter Erfahrung und auch nach vielen Jahren meiner später nachfolgenden Tätigkeit in einer Hilfsorganisation mit Einblicken in ALLE NUR ERDENKLICHEN FACETTEN DIESES THEMAS nur jedem irgendwie Betroffenem dringend dazu anraten, solch einem JUSTIZ-THEATER besser fern zu bleiben, um nicht - gerade dadurch - den Respekt vor der Gesellschaft zu verlieren und anschließend - wie von dir richtig angedeutet - sich selbst im dann fast unvermeidbaren und garantiert selbstzerstörerischen HASS wiederzufinden.

Die absolute Krone im Ablauf gebührt dabei sicherlich der Fraktion der meist involvierten "Speziasl-Psychologen". ( Man fragt sich bei Nutzung des gesunden Menschenverstandes fast immer zwangsläufig, wer denn nun schwerer erkrankt ist. Jede zweite Glaskugel dürfte wohl treffendere Analysen abliefern.)

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RhoMalV  17.07.2020, 22:43
@eccojohn

An dieser Stelle noch mein aufrichtigstes Beileid.

Ich kann es verstehen, dass Du diese Unterhaltung an diesem Punkt beenden möchtest.

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eccojohn  17.07.2020, 23:22
@RhoMalV

Danke dir für deine offene, ehrliche und aufrichtige Art - hat man leider selten hier !

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