Was ist das besondere, an der Dreigroschenoper von Berthold Brecht, versteht Ihr das?

1 Antwort

Das Besondere ist die falsche, nicht vorausgeahnte Wirkung des satirischen Musikdramas auf das ethisch dekadente Publikum!

Das kann man sehr gut zum Beispiel in WIKIPEDIA nachlesen:

Das damalige Berliner Publikum verstand die Satire nicht, sondern identifizierte sich mit dem Milieu und den amoralischen Figuren, dazu diente auch die "moderne" (amerikanische) Musik C. Weills.

KOPIERT: "Bereits im Januar 1929 wurde sie an 19 deutschen Theatern sowie in WienPrag und Budapest gespielt. Die eingängigsten Songs – Die Moritat von Mackie Messer, das Lied von der Seeräuber-Jenny oder die Ballade vom angenehmen Leben – wurden auf allen Gassen nachgepfiffen. Die Dreigroschenoper sollte später das erfolgreichste deutsche Stück des 20. Jahrhunderts werden. Allein zum Ende der Saison 1928/29 verzeichnete man 4000 Aufführungen in 200 Inszenierungen – schon damals ein Jahrhundertrekord. Elias Canetti schrieb später: „Es war eine raffinierte Aufführung, kalt berechnet. Es war der genaueste Ausdruck dieses Berlin. Die Leute jubelten sich zu, das waren sie selbst, und sie gefielen sich. Erst kam ihr Fressen, dann kam ihre Moral, besser hätte es keiner von ihnen sagen können. Das nahmen sie wörtlich.[6]

1933 wurde Die Dreigroschenoper von den Nationalsozialisten verboten. Das Stück war bis dahin in 18 Sprachen übersetzt und mehr als 10.000 Mal an europäischen Bühnen aufgeführt worden. Ihre erste Wiederaufführung im Nachkriegs-Berlin erlebte sie bereits im August 1945 am Hebbel-Theater mit Hubert von Meyerinck in der Hauptrolle. 1949 spielten die Münchner Kammerspiele eine von Brecht veränderte Fassung mit Hans Albers als Macheath.

Hannah Arendt behauptet in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft 1951, das Stück habe „das genaue Gegenteil von dem, was Brecht mit ihm gewollt hatte“ bewirkt – die Entlarvung bürgerlicher Heuchelei. Das „einzige politische Ergebnis des Stückes war, dass jedermann ermutigt wurde, die unbequeme Maske der Heuchelei fallen zu lassen und offen die Maßstäbe des Pöbels zu übernehmen“.

Gringo58  08.02.2023, 14:33

Was hat Brecht bewegt oder ist er nur von der "durchschlagenden Wirkungslosigkeit eines Klassikers" wie ihm Max Frisch bescheinigte? Wo ist sein unbequemer Geist heute noch spürbar? Was ist sein Erbe? https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/extrem-unbequem-aber-wirkungslos-der-grenzgaenger-bertolt-brecht-swr2-forum-2023-02-08-100.html

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Skoph  08.02.2023, 23:00
@Gringo58

Oh, das kann ich persönlich nicht beurteilen, nicht beantworten. Mein fantasievolles, träumerisches Gehirn mag keine materialistische, realistische Literatur. Auch Brechts Balladen erscheinen mir leider nur als Milieuliteratur. Ich mag magisch-reale Literatur, leider in Deutschland unüblich:

Wir sind zu rational geworden (vgl. Aufklärung bis heute), zu brechtisch ohne Brechts erhoffte gesellschaftliche Veränderung. Im Gegenteil, wir träumen egomanisch kapitalistisch gedrillt erst recht nur noch von persönlichem Reichtum, nicht von wachsendem Wissen und Können, erst recht nicht von wachsenden Intelligenzen. Wir hoffen auf "Künstliche Intelligenz", damit wird uns gar nicht mehr für irgendetwas anstrengen müssen.

Und ich befürchte, Brechts Werke werden nicht mehr als Mahnung verstanden, sondern als Abbild der modernen, sinnvollen Moral abgetan - wie eben schon damals die Dreigroschenoper mit Kommentaren wie "Was ist daran spannend?" und "Was ist an ihrem Verhalten falsch?", nur zwei Kommentare eines schick gekleideten Sitznachbarn, als ich mit ihm "Mutter Courage" im Theater ansah...

Nicht einmal Dürrenmatts verzweifelte absurd-reale Dramen wie "Die Physiker" oder "Der Besuch der alten Dame" werden noch als Warnung vor dem maskierten Bösen zu vieler Menschen begriffen!

"Zu sensible" Menschen verzweifeln immer mehr, ihre Depressionen steigen und steigen, - und die empathielosen geben den Ton an und verkünden, dass humanistische Ideale Utopien seien. Klar, sie bemühen sich nicht um eine ethische Evolution. Brecht rotiert sicher auch im Grab, nicht nur er.

Habe ich die Frage nun doch ein bisschen zu beantworten versucht?! - Worte! Nichts als Worte! Auch Brecht wollte aber Taten sehen wie vielleicht "sein" Karl Marx: "Die Philosophen interpretieren nur die Welt, sie muss aber verändert werden!" - Ich bin u.a. auch mehr Denker als Täter, leider?!

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