Was haltet ihr von Philosophie findet ihr das ist eine wichtige Sache oder denkt ihr das is eher quatsch?

Das Ergebnis basiert auf 15 Abstimmungen

Ist wichtig und sollte mehr Beachtung finden 80%
Ist eher nicht so wichtig 20%

11 Antworten

Weder noch, ich habe meine eigene Meinung dazu. Mir persönlich ist vieles aus dem Bereich Philosophie trotz aller Achtung davor zu subjektiv, weil es von jedem anders bzw. individuell definiert wird. Was irgendein "großer Meister" als Maximum an moralischem Handeln definiert, das widerlegt ein Anderer sofort und liefert den subjektiven Gegenbeweis - und das ist nicht mein Ding. Es gibt aber Sachen, die mich ansprechen und wo ich merke, das gibt meine Haltung wieder.

Ich stamme tatsächlich aus einer Familie, in der viel gesprochen und auch debattiert worden ist und in der auch gelesen wurde und wird - aber gerade die Philosophen des deutschsprachigen Raumes von Immanuel Kant bis Arthur Schopenhauer haben oft so etwas Barsches und Belehrendes an sich, das den Gedanken wenig Freiraum bietet und sie stattdessen einengt; ich persönlich kam nur mit den Ansätzen Theodor W. Adornos und auch das nur teilweise zurecht.

Ich mag es einfach nicht, wenn mir jemand Meinungen vorzukauen versucht und ich möchte meine eigenen Eindrücke haben und verarbeiten. Genau das tut die deutsche Philosophie aber, so wie sich der gemeine Deutsche in aller Welt nur allzu gern als Oberlehrer und Nabel der Welt und Epizentrum der Bildung aufzuspielen versucht, der alles besser kann und alles besser weiß - und damit habe ich einfach ein großes Problem, weil es nicht meiner Erziehung, nicht meiner Art von Lebenshaltung und nicht meinem Verständnis von Toleranz entspricht. Ich finde, dass die deutsche Mentalität in der deutschen Philosophie durchschimmert und das auf eine so omnipräsente Weise, dass sie keinen Spaß macht.

Ähnlich ist es übrigens - soviel zum Thema katholische Theologie - mit der Liturgie der katholischen Kirche und deren Kanon. Das sind letztlich alles Philosophien anstatt Fakten - windelweiche Auslegungen von Überlieferungen, an die ich persönlich davon abgesehen nicht direkt glaube - und so etwas kann man durchaus auch als Philosophie ansehen. Von daher ist die Theologie aus meiner Sicht nichts Anderes als eine kirchen-/glaubensbegrenzte Form der Philosophie bzw. ist die klassische Philosophie eine weltliche Form der Theologie - wie man es eben sehen möchte.

Einen Richard David Precht, der durch Talkshows tingelt und gelegentlich mainstreamige Gedanken zum Besten gibt oder am laufenden Band Bücher veröffentlicht, nehme ich als Philosophen "unserer Zeit" persönlich nicht wirklich ernst; das ist für mich in erster Linie ein geschäftstüchtiger Autor unter vielen.

Philosophie geht von der geistigen Haltung ihres Erzeugers aus - wenn Precht etwa so etwas von sich gibt, geht er da sicher von sich selbst aus und wälzt das auf die Masse der Gesellschaft um. Das war auch bei anderen (echten) Philosophen häufig so - nur waren viele in ihren Aussagen her weiser. Für einen echten Philosophen palavert Precht mir zu viel trutschigen Nonsens für pseudo-intellektuelle Talkshows; sicher hat er auch irgendwo eine Kolumne in irgendeiner Illustrierten, wo er wie Franz-Josef Wagner in der Bild (der aber zugegeben den Kern der Sache meistens durchaus trifft, egal was man von ihm hält) Briefe an den lieben Gott schreibt und sich wundert, dass nix zurück kommt. Kann durchaus sein, ich traue es ihm zu, nur lesen wir so was halt nicht...!

Viele internationale bzw. aus anderen geistigen Räumen stammende Philosophen von Sokrates über Erasmus von Rotterdam bis hin zu Khalil Gibran oder dem Franzosen André Comte-Sponville (gute Bücher!) haben wie die oft sehr weise altägyptische Dichtung, über die ich ein sehr schönes Reclam-Heft besitze, jedoch meinen Nerv getroffen.


EmmaInVienna1  17.01.2021, 13:07

Wow! Das ist eine super Antwort,so sehr ich das auch,war nur etwas zu faul um es auszuschreiben 😬😂

1
rotesand  17.01.2021, 13:12
@EmmaInVienna1

Danke dir :)

Es ist mir schon immer ein Dorn im Auge gewesen, dass die Philosophie - gerade die Deutsche - die Gedanken nicht beflügelt, sondern einengt und daher ein Spiegelbild der Mentalität ist.

Was ich sehr gern lese sind Werke von Phil Bosmans. Ob man ihn - er war Pfarrer - als Philosophen ansieht, darüber lässt sich bestimmt streiten. Aber die Aussage seiner Texte ist gut und das Niveau ist da, es ist jedoch verständlich. Habe früher Altenwerk gemacht mit "literarischen Impulsen" und da waren auch Bosmans-Texte dabei, weil sie einfach formuliert und doch tiefsinnig sind. Die Senioren waren ein sehr ehrliches Publikum und hätten es gesagt, wenn es ihnen nicht gefallen hätte.

1
EmmaInVienna1  17.01.2021, 13:26
@rotesand

Interessant,da schau ich mal rein:) wenn es in einer ausdrucksstarken Sprache geschrieben ist werde ich es auch bestimmt zu Ende lesen. Obwohl ich erst 14 bin leg ich auf die Sprache nämlich einen hohen Wert... es ist immer wieder interessante verschiedene schreibstile zu lesen

1
darkarth1  17.01.2021, 13:09

Kann man nur unterschreiben.

1
darkarth1  17.01.2021, 13:24
@rotesand

Was viele gern vergessen ist, dass es in der Philosophie weniger um die Suche nach der Wahrheit als viel mehr um den Dialog mit sich selbst. Genauso wie die Wissenschaft nicht zu erklären versucht, wie die Natur funktioniert, sondern aufzeigen zu versucht, was so wunderbar an ihr ist. Und das dass eine ohne das Andere nicht existieren kann. Aber das liegt wohl auch am Zeitgeist. In meiner Kindheit hat man Wolken- oder Sternegucken gespielt und war fasziniert von den Farben und Formen. Heutzutage spielt man nicht mehr mal Fußball, wo man sich wenigstens noch körperlich betätigt hätte.

Einer den ich gerne sehe und der die Brücke noch zu schlagen vermag ist Ernst Peter Fischer. Seine Vorträge sind immer wieder inspirierend und von seiner Leidenschaft geprägt. Viel besser als Harald Lesch's platter Zynismus. Aber der macht halt bessere Fernseh-Quoten. ^^

1
rotesand  17.01.2021, 13:26
@darkarth1

Ich komme mir da einfach ein Stück weit beeinflusst vor. Wäre ich gehässig, könnte ich das Wort "manipuliert" statt "beeinflusst" einsetzen, aber das bin ich nicht^^ ich bin nur ein Mensch, der sich gern eigene Gedanken macht.

1
darkarth1  17.01.2021, 13:33
@rotesand

Prinzipiell finde ich es nicht schlimm sich beeinflussen zu lassen. Solange man für sich reflektieren kann, ob die Beeinflussung einen weiterbringt oder in eine Sackgasse führt. Sich inspieren lassen zu können, ist für mich ein wunderbares Gefühl, wenn es meinen Horizont ein Stück erweitern kann und mir komplett neue Sichtweisen aufzeigt, die ich einfach mal frei durchdenken und am Ende schaue, was davon für mich hängen bleibt. Aber ja, es kann natürlich auch eine Sackasse sein, wenn man sich dem Gedankengut eines Anderen zu sehr annähert und das eigene Denken dabei vernachlässigt. Ich bemühe mich um eine gute Balance. Nicht nur konsumieren, auch daraus etwas eigenes machen.

0
Enzylexikon  17.01.2021, 13:24

Sehr gut gesagt - ich bin beispielsweise ein religiöser Mensch und wurde viel mehr von "einfachen" Mönchen inspiriert, statt von Menschen, die als "spirituelle Weisheitslehrer" gehandelt werden.

1
rotesand  17.01.2021, 13:25
@Enzylexikon

Danke!

Ich bin nicht das, was man bibelfest nennt, aber mir geht es ähnlich. Beeindruckt haben mich stets immer diejenigen, die aus Erfahrung sprachen statt aus Zitaten oder Aphorismen.

1
Enzylexikon  17.01.2021, 13:31
@rotesand

Genau so meine ich es auch!

Jemand der selbst in Lebensgefahr war und dann etwas über das Gefühl der Vergänglichkeit erzählt, ist mir einfach näher als jemand, der aus seinem geheizten Zimmer durchs Fenster auf herabfallende Blätter blickt und über "Verlust" spricht.

(nichts gegen Herbstlyrik, aber das ist etwas anderes...)

Natürlich kann man bei autobiographischen Anekdoten durchaus mal skeptisch sein, ob da nicht nachträglich etwas dramatisiert oder idealisiert wurde - aber wenn man die Erfahrung als "echt" empfindet, hat es einfach mehr Tiefe für mich.

1
rotesand  17.01.2021, 13:34
@Enzylexikon

Volle Zustimmung.

Was ich besonders abstoßend fand, waren christlich motivierte Poetry-Slam-Geschichten, die so austauschbar wie moderne deutsche Pop-Songs waren und Böhmermanns Parodie "Menschen, Leben, Tanzen, Welt" Flügel verliehen. Es wirkt einfach komisch und parodierend, wenn Wohlstandskiddies, die Arbeiten nur vom Zusehen kennen, sich über arme Kinder oder die verlorene Generation und ähnlichen Nonsens auslassen und ein betroffenes Gesicht dabei ziehen. Auch die wollen nur Geld verdienen und bekannt werden/Preise gewinnen.

0
ulrich1919  17.01.2021, 16:18

Vielen Dank für diese ausführliche Stellungnahme. Leider muss ich eine Behauptung wiedersprechen:

Von daher ist die Theologie aus meiner Sicht nichts Anderes als eine kirchen-/glaubensbegrenzte Form der Philosophie

Die Philosophie, wenn richtig betrieben, beruht auf ,,saubere Sprache" wellche die Anforderungen von Logik und Semantik erfüllt. Die katholische Lehre (mir auch sehr gut bekannt) enthält aber viele Widersprüche und andere Denkfehler. In der Bibel an sich; in deren Erklärung, in der Dogmatik und in der Katechese. Die (katholische) Theologie ist deshalb keine Form der Philosophie, sondern ein Lehrgebäude, das sich von philosophischen Werkzeugen bedient wenn es gerade in den Kram passt.

Ein zweites Argument gegen die Aussage: Philsophie muss imstande sein, Fehler zu korrigieren. Die Scheinparadoxe aus dem Altertum ,,Achilles und die Schildkröte" und ,,Epimenides der Kreter" werden nicht mehr als philosophische Paradoxe anerkannt, weil sie Denkfehler enthalten.

Die katholische Theologie hat bisher noch keine der vielen Denkfehler anerkannt und korrigiert, mit Ausnahme der Verurteilung Galilei. Sie baut immer weiter auf Denkfehler der vergangenen Kirchenlehrer und die Anzahl Widersprüche nimmt dadurch immer mehr zu.

0
Ist wichtig und sollte mehr Beachtung finden

Auf jeden Fall ist es wichtig. Aber ich denke man sollte sich manchmal nicht so sehr an die Worte anderer Klammern und sich selbst auch eine Meinung und Einstellung bilden:)


Moltke66 
Fragesteller
 17.01.2021, 13:18

Ja das stimmt jeder muss seine eigene Form der Philosophie finden und ich finde das Philosophen uns dafür eine wertvolle Grundlage liefern derer wir uns bedienen können.

2

Für mich ist manches davon einfach nur geistige Masturbation und ein Hobby von irgendwelchen Intellektuellen, die zu viel Zeit haben und sich selbst gerne reden hören (und womöglich mit ihren Glückskeks-Weisheiten noch ordentlich verdienen).

Ich stamme selbst aus dem so genannten "Bildungsbürgertum" und habe erlebt, wie manche sich unglaublich kultiviert vorkamen, wenn sie Lyrik zitierten oder über irgendwelche Dinge philosophierten. Das verstärkte nur ihren Egoismus.

Aus meiner Sicht sollte eine Philosophie auch immer eine "Philosophie der Tat" sein - wer über die Verbesserung der Welt und Umweltschutz sinniert und mit einem dicken SUV eine Straße weiter zum Philosophentreff fährt, ist für mich nicht ernstzunehmen.

Geistige Tiefe muss sich nicht in eloquenten Worten und komplizierten Schachtelsätzen ausdrücken, sondern kann ganz natürlich zu Tage treten.


rotesand  17.01.2021, 13:22

Eine ganz tolle Antwort, deren zweite Passage ich wie die Erste bestätigen kann - eigentlich kann ich alles davon so stehen lassen, nur diese beiden Abschnitte ganz besonders.

Wegen des ersten Absatzes nehme ich Dauerquassler wie Precht und Co. nicht ernst, über die Begebenheit im zweiten Absatz habe ich mich immer wieder aufgeregt. Echte Intellektuelle/Feingeister mit Anstand oder Leute mit Background und Niveau haben so etwas nie nötig und prahlen nicht mit ihrem Wissen oder ihrer Intelligenz. Sie bringen es ein, wo es Sinn macht und anderen hilft oder Dinge erklärt, aber das war's.

Klar, ich habe auch den Brockhaus in 30 Bänden und zitiere gern oder lasse mich gern hierzu und dazu aus, aber ich hänge das nicht an die große Glocke und definiere mich nicht darüber. Nach dem Motto, man hat's, aber man hat's nicht nötig. Ich bezeichne mich übrigens bewusst nicht als Intellektuellen und will auch keiner sein.

2
Enzylexikon  17.01.2021, 13:36
@rotesand
Ich bezeichne mich übrigens bewusst nicht als Intellektuellen und will auch keiner sein.

Willkommen. Da sind wir beide einer Meinung. :-)

Für mich ist der Mensch auch nicht ein "Geist" der im Apparat "Körper" haust, sondern ich sehe da eine Wechselwirkung von Bewusstsein und Körper als Einheit - Die Plastik "Der Denker" von Rodin drückt doch beispielsweise genau das aus, was körperlich passiert, wenn man nur auf intellektueller Ebene bleibt. ;-)

0
Ist eher nicht so wichtig

Wenn jemand denkt, dass Philosophie keine Bedeutung hat, dann ist das genau der Grund, warum er Philosophie für trivial hält und auch der Grund dafür, warum er kaum eine Philosophie kognitiv durchdringen kann, und zuletzt der Grund dafür, dass Philosophie keine Bedeutung für solche Leute hat.

In sofern kein Problem.

Es reicht wenn die klugen Leute Entscheidungen treffen.

Ist wichtig und sollte mehr Beachtung finden

Ohne philosophischen Kenntnisse hätte ich bei GF weniger hilfreich sein können, auch in anderen Fachgebieten als Philosophie. Die Behauptung ,,Quatsch" bedeutet, dass der Urheber entweder dumm ist oder (wahrscheinlicher) einen schlechten Lehrer hatte, der nicht gelehrt hat, was philosophieren heißt, sondern nur Aussagen der großen Philosophen reproduziert hat.


Moltke66 
Fragesteller
 17.01.2021, 13:14

Von dem Wort quatsch habe ich keinen gebrauch gemacht weil ich die Philosophie für solchen halte sondern weil ich mich relativ einfach ausdrücken wollte um möglichst viele Leute anzusprechen. Mich interessiert wie die Philosophie in der breiten Masse der Bevölkerung wahrgenommen wird.

1
Moltke66 
Fragesteller
 17.01.2021, 13:22

Allerdings drängt sich mir die Frage auf warum von dem Wort quatsch auf Dummheit geschlossen werden kann

1
ulrich1919  17.01.2021, 16:04
@Moltke66

Dummheit ist nicht ,,mangel an Intelliigenz" sondern Mangel an Vernunft. Und es ist nicht vernünftig Philosophie als Quatsch zu bezeichnen, wenn man nichts davon weiß oder versteht.

Überigens war meine Aussage nicht gegen Dich gerichtet. Du hast nämlich nichts behauptet sondern nur gefragt. Das ist doch völlig legitim, nichtwahr?

1
Moltke66 
Fragesteller
 17.01.2021, 16:26
@ulrich1919

Ja ich wollte eigentlich auch darauf hinaus das ich Philosophie nicht als Quatsch bezeichnet habe sondern nur gefragt habe ob jemand das tun würde. Es tut mir leid deine Aussage missverstanden zu haben.

1
Moltke66 
Fragesteller
 17.01.2021, 16:29
@Moltke66

Von dem Standpunkt aus muss ich dir recht geben.

1
Moltke66 
Fragesteller
 17.01.2021, 16:31
@ulrich1919

Von dem Standpunkt aus muss ich dir recht geben.

1