Warum waren solche Menschen so rhetorisch begabt? Also besaßen ein solches Redetalent?

8 Antworten

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Eine Frage, die schwierig zu beantworten ist - ich habe lediglich ein paar Vermutungen. Ich denke, es hängt zum einen mit der klassischen Bildung zusammen, die viele dieser "alten Redner" durchlaufen haben. Lateinkenntnisse feilen die Redefähigkeit durchaus und Sprachen waren in dieser Zeit im Unterricht generell viel wichtiger. Vielleicht waren die großen Redner dieser Tage aber auch einfach überzeugter von den Dingen, die sie vortrugen, ihre Überzeugungen fanden einfach Niederschlag in ihren euphorischen Worten. Dementsprechend gelang es ihnen dann vielleicht, andere ebenfalls zu begeistern.

Ihr vergesst fast alle, dass Rethorik eine Disziplin ist, die bereits in der Antike immer weiter professionalisiert wurde. Die Kunst des Sprechens. Heute ist für Führungskräfte international eine rethorische Schulung Pflicht. Ihr könnt davon ausgehen, dass viele bedeutende Menschen der Geschichte, auch die in der Frage aufgeführten, in der Kunst des Sprechens geschult waren. Diejenigen, die die Rethorik nicht extra erlernt haben, stammen häufig aus intelektuellen Kreisen, in denen ständig debattiert wird. In solchen Debatten wird ganz unbewusst eine überzeugende Sprachqualität trainiert. Nur die wenigsten haben derartiges Talent in die Wiege bekommen.

Also Deine Beispiele sind ja nur ganz wenige, und die darin enthaltene "Rhetorik" ist eigentlich nur die Idiologie, die diese Personen verinnerlicht und auch vehement vertreten haben. (Evtl. auch gegen besseren Wissens). Denen war es auch voellig egal, ob Ihre Auesserungen von den weltweiten Medien verbreitet wurden, denn die gab es noch nicht. Wenn Lenin , Trotzki , Liebknecht oder Luxemburg heute leben wuerden, wuerden sie sich Ihre Auesserungen sehr genauer ueberlegen, diese aufschreiben und ablesen, so wie unsere Politiker - und Schluss mit Rhetorik.

agt334  14.02.2011, 21:16

Naja. Sicherlich hat sich einiges am politischen Stil geändert - es fällt dennoch ins Auge, dass Politiker wie Helmut Schmidt auch heute rhetorisch noch deutlich mehr glänzen, als gewisse andere Politiker. An der Medienrevolution allein kann es also nicht gelegen haben, zumal gerade Leinn, aber auch Trotzki die damaligen Medien geschickt für ihre politischen Ziele genutzt haben.

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Sie lesen wirklich sehr (!!) viel, sie haben nicht nur eine Idelogie oder eine Idee, die sie verbreiten wollen. Sie haben eine Vision, zu der sie sich berufen fühlen. Fidel Castro wäre z.B. so einer. Auch heute noch gibt es Leute, die jahrelang im Gefängnis saßen und sich zu Genies entwickelt haben, vielleicht nicht in Dt. Aber solche wie Malcolm X., der als Autodidakt im Gefängnis ganze Wörterbücher auswendig gelernt hat. Ich finde nicht, dass es was mit der Bildung oder so zu tun hat. Sie haben wirklich Rhetorik geübt, ob es der Vater ist, der sie trainiert oder sie selbst lernen, was Sprache bewirken kann.So manch ein Eroberer hat unzählige Mentoren gehabt und war dennoch ein Idiot, wenn er etwas sagte, was nicht unbedingt vorher auswendig gelernt wurde.

Meine These wäre, dass so viel Pathos heute ganz einfach lächerlich wirken würde. Der Pathos ist entzaubert worden und hat sich durch die großen Kriege des 20. Jhts auch selber entzaubert. Zumindestens in Deutschland. Die Reden der amerikanischen Präsidenten zum Beispiel sind nämlich auch heute handwerklich sehr gut und bewegend. Und dann vielleicht noch dieser Gedanke: Wir vergessen, dass die von dir genannten Figuren ja auch zu ihrer Zeit Ausnahmegestalten waren. Vor und nach ihnen hielten heute vergessene Leute auch Reden, und zwar weit schlechtere. Der Eindruck, dass heute niemand mehr Reden halten kann, entsteht dann dadurch, dass wir die Ausnahmegestalten von früher mit den Durchschnittspolitikern von heute vergleichen, wobei letztere natürlich schlecht wegkommen müssen.