Warum enthält das alte Testament mehr Bücher als die Lutherbibel und der jüdischen Ausgabe?

7 Antworten

Kommt auf die Ausgabe an. Bei manchen Übersetzungen sind viele Apokryphen enthalten, bei manchen bloß einige, bei manchen keine!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

weil das AT ca. 4000 Jahre Menschheitsgeschichte enthält, das NT ganz andere Inhalte hat

Das AT enthält 66 Bücher oder 70, wenn man die Psalmbücher einzeln zählt.

Zur Zeit des Frühchristentums waren sehr viele Texte in verschiedenen Varianten und Sprachen einzeln im Umlauf. Wie aus diesen Texten dann letztlich die Bibel entstand, lässt sich auch heute noch sehr gut nachvollziehen, da die entsprechenden Briefe und Texte hierzu immer noch in der Bibliothek des Vatikans vorliegen und öffentlich einsehbar sind.

Schon im 2. Jahrhundert äußersten sich erste katholische Kirchenlehrer dazu, welche dieser Schriften kanonisiert, also für gültig erklärt werden sollten und welche nicht. Gleichzeitig wurden diese Texte auch redaktionell überarbeitet, indem einige Textpassagen entfernt, einige hinzugefügt und andere umgeschrieben wurden.

Beim Konzil zu Nicäa 325 wurde dann erstmals intensiv diskutiert, eine allgemein verbindliche Bibel aus den vorhandenen Texten zusammenzustellen. Dabei wurde für das AT praktisch der vorhandene hebräische Tanach komplett übernommen und lediglich neu sortiert.

Zur Entstehung des Tanach:

Als die Babylonier Jerusalem Anfang des 6. Jhdt. v.u.Z. eroberten, verschleppten sie die israelitische Elite nach Babylon. Das dürften einige 1000 Leute gewesen sein. Die "Entführten" wurden aber nicht gefangen gehalten, sie mussten nur in Babylon leben.

Und nun passierte etwas, das wir von heute kennen. Ein Teil der Israeliten (Hebräer) integrierte sich in die babylonische Gesellschaft und lernte die Vorteile einer fortgeschrittenen Zivilisation kennen. Aus außerbiblischen Texten weiß man, dass Israeliten sogar in hohe Staatsämter gelangen konnten. Viele heirateten auch Babylonier/innen. Das brachte es auch mit sich, dass der jüdische Glaube nicht mehr so intensiv gepflegt wurde.

Ein anderer Teil der Israeliten lehnte jedoch jegliche Integration ab und radikalisierte sich. Die "Angepassten" wurden heftig als Abweichler verunglimpft. Diese radikalen Fundamentalisten setzten sich nun zusammen und schrieben das Alte Testament. Dabei verwendeten sie einzelne schon vorhandene Schriften und mündliche Überlieferungen als Grundlage und formten die Religion dabei in ihrem Sinne um. Die Absicht war dabei, nochmal deutlich darzustellen, dass die Abweichler den Zorn Gottes hervorrufen und dadurch alle Israeliten damit bestraft würden, dass sie nicht mehr nach Jerusalem zurückdürften. Mit dem neu geschriebenen AT wollten die Fundamentalisten sozusagen die Meinungsherrschaft zurückerlangen.

Es gab aber noch kein einheitliches Buch. Die Tora, die vor allem die Bücher Mose enthielt, die Prophetenschriften oder die Psalmen waren noch getrennte Schriften.

Um etwa 200 v.Chr., genau weiß man die Zeit aber nicht, stellten dann hebräische Juden in Judäa aus den ganzen verschiedenen religiösen Schriften den sogenannten Tanach zusammen. Dieser lag auf Hebräisch vor.

Da hellenistische Judentum:

Nach der Befreiung aus der Babylonischen Gefangenschaft kehrten nicht alle Juden nach Judäa zurück. Viele zogen in andere Länder rund um das Mittelmeer und bildeten die sogenannte Diaspora. Besonders in Alexandria wuchs die jüdische Diasporagemeinde ab dem 3. Jahrhundert v.Chr, stark an. Ägypten wurde von den Ptolemäern, als Griechen regiert. Dementsprechend war Griechisch für die dortigen Juden die Alltagssprache und nicht Hebräisch. Die dortigen Juden strebten wie die Griechen, die das Sagen in Ägypten hatten, die gleichen Rechte und Privilegien wie die Griechen an. Es entstand das sogenannte hellenistische Judentum. Innerhalb dieses hellenistischen Judentums wurde so ab etwa 200 v.Chr. der hebräische Tanach ins Altgriechische übersetzt. Die ganzen Übersetzungen zogen sich ziemlich hin und wurden erst um 100 n.Chr. beendet. Bei dieser Übersetzungsarbeit beschränkten sich die hellenistischen Juden aber nicht auf den hebräischen Tanach, sondern sie nahmen weitere Schriften, die innerhalb des hellenistischen Judentums entstanden waren, zusätzlich in ihren Kanon auf und bildeten dann daraus ihre eigene „Bibel“ des Alten Testaments, die sie Septuaginta nannten.

Kanonisierung der christlichen Bibel

Das das Frühchristentum vor allem aus dem hellenistischen und weniger aus dem hebräischen Judentum hervorging, bezogen sich die frühen christlichen Bischöfe hauptsächlich auf die Septuaginta und weniger auf den Tanach. Da gab es wenige Diskussionen, dass das Alte Testament der katholischen Bibel aus der Septuaginta hervorging.

Bei den Schriften, die zum neuen Testament zusammengestellt werden sollten, gab es unter den Bischöfen allerdings heftige Diskussionen. Letztlich setzten sich aber die Katholiken aus Rom durch, da sie mit Kaiser Konstantin im Rücken, einem berüchtigten Mörder,  die größte Macht hatten. Konnten sich die Bischöfe überhaupt nicht einigen, sprach Konstantin auch schonmal ein Machtwort betreffs Glaubensinhalte und aufzunehmender Bücher. Am Ende gelangten so nur die Schriften ins NT, die der damals schon weit entwickelten katholischen Dogmatik entsprachen. Die Schriften, die nicht zur katholischen Dogmatik passten, wurden verdammt und systematisch vernichtet. Viele dieser Schriften sind daher auch nur dem Namen nach bekannt, da sie in Schriften der Kirchenlehrer als abzulehnend erwähnt werden. Einige der abgelehnten und vernichteten Schriften haben aber doch überlebt, z.B. in Nag Hammadi oder Qumran. Die Anhänger der abgelehnten Schriften, die nicht der katholischen Dogmatik entsprachen, wurden systematisch verfolgt, unterdrückt und notfalls auch ermordet.

Endgültig beschlossen wurde die Zusammenstellung der Bibel dann von den katholischen Bischöfen auf dem Konzil zu Karthago im Jahre 397. Diese Zusammenstellung ist noch heute die Grundlage der katholischen Bibel, die in ihrer lateinischen Übersetzung Vulgata genannt wird. Auf diesem Konzil wurde auch beschlossen, dass genau diese Texte als "göttlich" anzusehen seien und alle nicht aufgenommenen Texte nicht göttlichen Ursprungs seien, weshalb sie auch in Zukunft niemals in einer Bibel auftauchen dürfen.

Diese Zusammenstellung der griechischen Texte wurde dann vom katholischen Kirchenlehrer Hyronimus anfangs des 5. Jahrhunderts ins Lateinische übersetzt und diese lateinische Übersetzung ergab dann die erste Bibel, die sogenannte Vulgata, die bis zu Luther alleine verbindlich für alle römisch-katholischen Christen war.

Mit Luther und seiner deutschen Übersetzung der Bibeltexte wurde von den Reformatoren nie verbindlich festgelegt, welche Schriften in die Bibel gehören und so kam es, dass insbesondere die Bibeln der Protestanten bzw. deren Ableger überwiegend nur die Bücher des Tanach, also des hebräischen AT enthalten, während die Schriften des hellenistischen Judentums entfernt wurden.

So gesehen ist die katholische Bibel die originale Bibel und die protestantischen Versionen sind davon gekürzte Ausgaben. Diese Bibeln sind aber auf der Basis der katholischen Dogmatik entstanden, weshalb z.B. auch Paulus, der Ideengeber des Katholizismus, so breiten Raum erhielt. Sie stellen aber nicht den ursprünglichen Glauben innerhalb der frühchristlichen Gemeinden dar und schon gar nicht die Lehre Jesu im Original, sondern nur insoweit diese den Katholiken in den Kram passte, wie man aus später gefundenen und ursprünglich verdammten Schriften, wie z.B. dem Thomasevangelium inzwischen weiß.

Fazit zu deiner Frage:
Die Katholiken hatten in das Alte Tetsament ihrer Bibel, der Vulgata, neben dem hebräischen Tanach auch Schriften des hellenistischen Judentums, die sich in der Septuaginta fanden, übernommen. Diese Schriften wurden bei den Lutheranern wieder entfernt, sodass sich dort nur die Schriften aus dem hebräischen Tanach wiederfinden.