Wann durfte man beim Antiken Olympia zuschauen?

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Für das Zuschauen bei den Wettkämpfen zu Ehren des Gottes Zeus im antiken Olympia (Olympische Spiele der Antike) gab es nur wenige Einschränkungen (für die Teilnahme an denWettkämpfen waren die Voraussetzungen stärker einschränkend). Alle freien Männer waren als Zuschauer zugelassen, wenn sie nicht ein schweres Verbrechen begangen hatten und ihnen es deshalb der Zutritt verboten war.

Ausgeschlossen waren:

  • alle Menschen, denen wegen schwerer Verbrechen der Zutritt verboten war
  • verheiratete Frauen (mit Ausnahme der Priesterin der Demeter Chamyne, die auch zuschauen durfte, wenn sie verheiratet war)


Mädchen/Frauen durften zuschauen, solange sie noch nicht verheiratet waren. Vom Zuschauen waren nur andere, also verheiratete (oder verheiratet gewesene) Frauen ausgeschlossen (vgl. Pausanias 5, 6, 7; 5, 13, 10; 6, 20, 9; Scholion zu Pindar, Olympische Ode 7; Aischines, Epistolai [Ἐπιστολαί; Briefe; lateinischer Titel: Epistulae] 4, 5).

Unfreie/Sklaven konnten nicht selbständig/eigenmächtig, ohne Erlaubnis der Herren zum Zuschauen kommen. Auch Unfreie/Sklaven konnten aber anscheinend zuschauen, als Ausführende von Dienstleistungen im Festgelände bzw. als Begleitung ihrer Herren. Claudius Aelianus, Poikile historia (Ποικίλη ἱστορία; Bunte Geschichte; lateinischer Titel:Varia historia) 14, 18 erzählt eine Anekdote über einem Mann aus Chios, der auf seinen Sklaven zornig war und zu ihm sagte, er werde ihn nicht in die Mühle, sondern nach Olympia bringen. Offenbar habe er es für eine härtere Strafe gehalten, in Olympia als Zuschauer in der Sonne zu schmoren, als zum Mahlen in der Mühle verurteilt zu sein.

Nach Pausanias 6, 20, 9 hatte die Priesterin der Demeter Chamyne einen Ehrensitz und unverheiratete Frauen (Mädchen/Jungfrauen) waren vom Zuschauen nicht ausgeschlossen Die Priesterin der Demeter Chamyne durfte auch als verheiratete Frau zuschauen und zwar auf einem Ehrensitz auf einem Altar gegenüber der Tribüne für die Hellanodiken (Ἑλληνοδίκαι [Hellanodikai]; »Hellenenrichter«), die Kampfrichter (Pausanias 6, 20, 9). Die Eleer/Eleier (Bürger des griechischen Staates Elis), die in der Antike die meiste Zeit über Ausrichter der olympischen Spiele waren, gaben das Ehrenamt der Demeter-Priesterin bei den olympischen Spielen einer Frau, bei den nächsten olympischen Spielen einer anderen Frau.

Olympiasiegerin (Olympionikin) bei den Wettkämpfen zu Ehren des Gottes Zeus im antiken Olympia konnte eine Frau bei den hippischen Agonen (Pferdesportwettkämpfe) werden. Frauen konnten als Besitzerinnen des Pferdegespanns Siegerinnen werden. 396 v. Chr. wurde die Spartanerin Kyniska (Tochter des spartanischen Königs Archidamos II. und Schwester der Könige Agis II. und Agesilaos II.) als Olympiasiegerin im Rennen mit dem Fohlen-Viergespann ausgerufen (392 v. Chr. wiederum).

Es gab in Olympia alle 4 Jahre Laufwettbewerbe der Mädchen/Jungfrauen (παρθένοι; Singular: παρθένος = Jungfrau, Mädchen, unverheiratete junge Frau) bei einem Fest zu Ehren der Göttin Hera, den Heraien/Heräen (griechisch: Ἡραῖα [Heraia]), in drei Altersgruppen (Pausanias 5, 16, 2).

Frauen, die das Verbot für verheiratete Frauen übertraten und während der Wettkampfzeit beim Zuschauen oder auch nur beim Überschreiten des Flusses Alpheios, der die Grenze zum heiligen Bezirk, der Wettkampfstätte, war, ertappt wurden, drohte Todestrafe, Herabstürzen von einem „Typaion“ genannten Berg mit hohen, schroffen Felsen. Es ist ein Fall überliefert, bei dem eine Frau ertappt, allerdings eine Bestrafung trotz Verstoßes gegen das Gesetz aus Respekt gegenüber der Familie (aus ihr kamen mehrere Olympiasieger) unterlassen wurde, bzw. ein Zuschauen ausnahmsweise erlaubt wurde. Diese Frau war eine Tochter des Olympiasiegers Diagoras aus Rhodos und hieß (die Quellen sind nicht einheitlich) Kallipateira (Καλλιπάτειρα) bzw. Pherenike (Φερενίκη).

Ulrich Sinn, Olympia : Kult, Sport und Fest in der Antike. Originalausgabe. 3. Auflage. München : Beck, 2004 (Beck'sche Reihe : C. H. Beck Wissen ; 2039), S. 61 - 62:  
„Noch befremdlicher ist die Bestimmung im Sakralgesetz des Heiligtums, die es verheirateten Frauen untersagte, den Wettkämpfen im Stadion zuzuschauen, während unverheiratete Mädchen von diesem Verbot nicht betroffen waren (Pausanias VI 20,9). Um so erstaunlicher ist es, daß dann doch wieder einer Frau, die durchaus verheiratet sein konnte, inmitten der Nordtribüne ein steinerner Ehrensitz vorbehalten war, nämlich der der Priesterin der Demeter.

Dieser Ehrensitz der Demeter liefert vermutlich den Schlüssel zum Verständnis der Eigentümlichkeiten des Stadions von Olympia. Der Kultname der Göttin, deren Priesterin einen Ehrensitz im Stadion besaß, lautete Chamyne, das bedeutet so viel wie ,die, die ihr Bett auf der Erde hat'. Demeter gehörte zum Kreis der seit alters im Alpheiostal verehrten Vegetationsgottheiten. Als die Ebene südöstlich des Kronoshügels um 700 v. Chr. für die Sportanlagen planiert worden ist […], ist dadurch wahrscheinlich der Kultplatz der Demeter Chamyne gestört worden. Als Erinnerung daran, wer ursprüngliche Herrin des Grund und Bodens war, könnte daraufhin der Ehrensitz der Priesterin im Stadion errichtet worden sein. Auch der Verzicht auf einen steinernen Ausbau des Stadions ließe sich gut aus dem Kult ,der auf der Erde lagernden Demeter' erklären. Die Sonderstellung der Priesterin und die Beibehaltung der Erdoberfläche wären dann als Zeichen der Sühne für die Störung des einstigen Kultplatzes zu verstehen.

Vor diesem Hintergrund drängt sich die Überlegung auf, daß auch die unterschiedlche Behandlung der Frauen bei dem Zutritt ins Stadion auf alte Sakralbestimmungen des Demeter-Kultes zurückzuführen ist. Es wäre jedenfalls nicht ungewöhnlich, wenn der Kult der Demeter-Chamyne den noch unverheirateten Mädchen vorbehalten gewesen wäre, die hier in einer Folge von Initiationsriten auf ihre spätere Rolle als Ehefrauen und Mütter vorbereitet wurden.“

Katja Gorbahn, Die Geschichte des antiken Griechenland als Identifikationsangebot : Untersuchungen zur Konstruktion sozialer Identität in neueren Schulgeschichtsbüchern. Göttingen : V & R Unipress, 2011 (Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik ; Band 3), S. 174:

„Häufig ist davon die Rede, »die Griechen« hätten sich in Olympiagetroffen. Nötig ist jedoch eine Binnendifferenzierung in sozio-ökonomischer Hinsicht, denn trotz der großen Zahl an Zuschauern handelte es sich nur um eine spezifische Auswahl. Als Athleten zugelassen waren zunächst nur griechische Bürger, die sich keiner schweren Verbrechen schuldig gemacht hatten, später wurde diese Teilnahmebeschränkung zunächst für Makedonen und Römer gelockert und schließlich faktisch ganz aufgehoben. Das Recht zum Zuschauen war weniger beschränkt: Sklaven durften als Zuschauer dabei sein. Doch dürften sie unter den herrschenden Bedingungen, z. B. unter Wassermangel und Hitze, am meisten gelitten haben. Auf jeden Fall musste man sich eine Reise nach Olympia zeitlich wie ökonomisch leisten können, besonders wenn ein weiterer Weg zurückzulegen war.

Ein spezielles Problem ist die Frage nach der Rolle der Frauen: Nach Auskunft des Pausanias durften nur unverheiratete Frauen zuschauen. Welche Vorschriften in dieser Frage bei anderen Agonen galten, ist nicht bekannt. Jedenfalls scheinen sich die strengen Regeln insbesondere in römischer Zeit gelockert zu haben. Als Besitzerinnen von Pferden bzw. Gespannen konnten Frauen jedenfalls Siegerinnen in hippischen Agonen werden. Im Übrigen betätigten sich im antiken Griechenland auch Frauen sportlich: Belegt sind jedenfalls verschiedentlich Frauenwettläufe, u. a. zu Ehren Heras in Olympia, und insbesondere Sparta nahm eine Ausnahmestellung ein. In welchem Maße Frauen auch in in anderen Poleis Sport trieben, etwa im Rahmen des Kultes, ist schwer zu beurteilen. Insgesamt spielte Frauensport im Vergleich zur Athletik der Männer jedenfalls eine äußerst marginale Rolle.“

swagskill  16.11.2019, 19:18

Hallo, ich muss demnächst ein Referat über die olymp. Spiele in der Antike halten. Im Internet finde ich zu den gefragten themen nur bedingt antworten. Würdest du mit ein paar beantworten können/wollen?

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