Blickwechsel 20. Dezember 2021
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Wann darf man jemanden erschießen?

1 Antwort

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Grüße,

Kurzantwort: Auf Grund der Notwehr dürfte ich ihn dann auch in den Kopf schießen, ja.

Lange Antwort:

Der Schusswaffengebrauch der Polizei ist gesetzlich auf 4 Punkte beschränkt. Ich versuch möglichst einfach zusammenzufassen, bedenke aber, dass wir das 2 1/2 Jahre in der Ausbildung durchgekaut haben, ist also doch etwas komplexer das Thema:

  1. 1. Um eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben abzuwenden (Notwehr z.B. Typ rennt mit Messer auf mich zu und schreit "ich stech dich ab du Bullensau" oder Nothilfe (genau das gleiche aber er rennt auf meinen Kollegen zu)
  2. 2. Um die unmittelbare bevorstehende Begehung eines Verbrechens oder Vergehens, wenn dieses Mithilfe von Schusswaffen begangen wird, zu verhindern. Dazu muss ich dir ehrlich sagen fällt mir auf Anhieb kein logisches Beispiel ein... nehmen wir einen Vergewaltiger, der sein Opfer an den Baum gefesselt hat und sich gerade über es her machen will...
  3. 3. um eine Person anzuhalten, die sich der Identiätsfeststellung entziehen will, und a) dringend verdächtig ist, ein Verbrechen oder b) dringend verdächtig ist ein Vergehen begangen zu haben und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person hierbei eine Schusswaffen dabei hatte, begangen zu haben. (Beispiel: Polizei kommt zu einem Mord, vermutlicher Mörder, blutüberströmt kniet über der Leiche, hat ein Messer in der Hand, sieht die Polizei und läuft weg.)
  4. 4. Um entwichene Gefangene aufzuhalten.

Zu diesen Vorschriften gibt es sogenannte befugnisnormergänzende Vorschriften, d.h. Vorschriften, die in der Regel, soweit dies in der Lage möglich und dem Polizeibeamten zuzumuten ist.

Auch davon gibt es etliche, ich zähl nur mal die wichtigsten auf, ohne ins Detail zu gehen:

Eine andere Form der körperlichen Gewalt darf keinen Erfolg versprechen oder muss bereits erfolglos angewand worden sein. (logisch, wenn ich einen einfach mit Handschellen fesseln darf, darf ich ihm nicht nachschießen)

Der Schusswaffengebrauch ist vorher anzudrohen (Einer läuft weg, ich schrei ihm nach: "Halt Polizei, stehen bleiben oder ich schieße!" Wie gesagt, alles nur wenns die Lage zulässt, wenn der auf einmal mit dem Messer auf mich losstürmt, muss ich das nicht noch lang vorher ankündigen)

Wenn es möglich ist, soll zuerst auf eine Sache und nicht auf einen Menschen geschossen werden. (Auch logisch, in der Regel aber nicht machbar. Du kannst ihm einfach nicht das Messer aus der Hand schießen. Zu beachten hierbei: laut Rechtsprechung ist ein Schusswaffengebrauch gegen den Reifen eines Autos gleichzustellen mit dem Schusswaffengebrauch gegen eine Person)

Ein, aller Wahrscheinlichkeit nach, tödlicher Schuss darf nur angebracht werden, wenn das die einzige Möglichkeit ist, Leib und Leben eines anderen zu schützen. (Krasses Beispiel: Geiselnehmer, der im Begriff ist eine Geisel zu erschießen, dürfte ein Polizist auch gezielt in den Kopf schießen... ist aber die absolute Ausnahme!!!) Dennoch wirst du niemals eine Verurteilung erleben, wenn ein Polizist jmd "hinterherschießt" und der dabei stirbt. Ist - böse formuliert - das Restrisiko des Straftäters (natürlich gesetz des Falles, dass der Polizist auf den Fuß gezielt hat und halt in der Aufregung, Adrenalin, weil der andere sich auf einmal hingeworfen hat, sonst was, einen tödlichen Schuss angebracht hat).

Bei jedem Schusswaffengebrauch gilt es, den Angreifer angriffs- und/oder fluchtunfähig zu machen, niemals (bis auf den letzten Punkt) ihn zu töten!!!

Meine Informationen beziehen sich auf die Artikel 58 ff. der PAG (Polizei Aufgaben Gesetz) welches so nur in Bayern gültig ist. Beim Schusswaffengebrauch speziell der Artikel 65. Jedoch sind diese Gesetztespassagen in allen anderen Bundesländer nahezu wörtlich aufgeführt.