Volker Braun Gedichte?

2 Antworten

http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/135604/volker-brauns-reflexionen-ueber-die-teilung-deutschlands?p=all

aus dem Jahr 1965

Die Mauer

1

Zwischen den seltsamen Städten, die den gleichen

Namen haben, zwischen vielem Beton

Eisen Draht Rauch, den Schüssen

Der Motore: in des seltsamen Lands

Wundermal steht aus all dem

Ein Bau, zwischen den Wundern

Auffallend, im erstaunlichen Land

Ausland. Gewöhnt

An hängende Brücken und Stahltürme

Und was noch an die Grenze geht

Von Material und Maschinen, faßt

Der Blick doch nicht

Das hier.

Zwischen all den Rätseln: das ist

Fast ihre Lösung. Schrecklich

Hält sie, steinerne Grenze |

Auf was keine Grenze

Kennt: den Krieg. Und sie hält

Im friedlichen Land, denn es muß stark sein

Nlicht arm, die abhaun zu den Wölfen

Die Lämmer. Vor den Kopf

Stößt sie, das gehn soll wohin es will, nicht

In die Massengräber, das Volk der Denker.

Aber das mich so hält, das halbe

Land, das sich geändert hat mit mir, jetzt

Ist es sichrer, aber

Ändre ichs noch? Von dem Panzer

Gedeckt, freut sichs

Seiner Ruhe, fast ruhig? Schwer

Aus den Gewehren fallen die Schüsse:

Auf die, die es anders besser

Halten könnte. Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

2

Die hinter den Zeitungen

Anbelln den Beton und, besengt

Von den Sendern, sich aus dem Staub machen

Der Baustellen oder am Stacheldraht

Unter Brüdern harfen und

Unter den Kirchen scharm Tunnel: die

Blinden Hühner finden sich

Vor Kimme und Korn. Unerfindlich

Aber ist ihnen, was diese Städte

Trennt. Weil das nicht

Aus Beton vor der Stirn pappt.

Uns trennt keine Mauer

Das ist Dreck aus Beton, schafft

Das dann weg, mit Schneidbrennern

Reißt das klein, mit Brecheisen

Legts ins Gras: wenn sie nicht mehr

Abhaun mit ihrer Haut zum Markt

Zerhaut den Verhau. Wenn machtlos sind

Die noch Grenzen ändern wollen

Zerbrecht die Grenze. Der letzte Panzer

Zerdrück sie und sie ihn.

Daß sie weg ist.

Jetzt laßt das da.

3

Aber

Ich sag: es steht durch die Stadt

Unstattlich, der Baukunst langer Unbau

Streicht das schwarz

Die Brandmauer (scheißt drauf)

Denn es ist nicht

Unsre Schande: zeigt sie.

Macht nicht in einem August

Einen Garten daraus, wälzt den Dreck nicht

Zu Beeten breit, mit Lilien über den Minen

Pflanzt Nesseln, nicht Nelken

Vermehrt nicht, zwischen den seltsamen

Städten, die Rätsel, krachend

Schmückt das Land nicht

Mit seiner Not. Und

Laßt nicht das Gras wachsen

Über der offenen Schande: es ist

Nicht unsre, zeigt sie.