Unterschied Isomerie & Mesomerie?

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Moin,

Isomere sind Moleküle, bei denen zwar die gleichen Atome in gleicher Anzahl vorkommen, aber bei denen die Atome in unterschiedlicher Weise miteinander verknüpft sind. Kurz gesagt: gleiche Summenformel, aber unterschiedliche Strukturformeln.

Mit den unterschiedlichen Strukturformeln gehen auch verschiedene Eigenschaften einher. Mit anderen Worten: Strukturisomere sind reale Stoffe mit verschiedenen Eigenschaften.

Bei deinem Beispiel hast du es mit drei Stoffen zu tun, in denen jeweils 1 x H, 1 x O, 1 x C und 1 x N vorkommen.

Diese Atome können nun folgendermaßen angeordnet sein:

Cyansäure:
N≡C–O–H

Das N ist über eine Dreifachbindung mit dem C verbunden, an das dann noch über eine Einfachbindung das O gebunden ist, das wiederum noch über eine weitere Einfachbindung mit dem H verbunden ist.

Isocyansäure:
O=C=N–H

Das O ist über eine Doppelbindung an das C gebunden, das wiederum über eine weitere Doppelbindung mit dem N verbunden ist, von dem dann noch eine Einfachbindung zum H führt.

Da in beiden Molekülen die gleichen Atomsorten vorkommen, aber die Art, wie sie miteinander verbunden sind, unterschiedlich ist, handelt es sich um Isomerie.

Bei einer Mesomerie gibt es dagegen Grenzstrukturen. Das bedeutet, dass die dargestellten Moleküle Extremfälle der Bindungsverhältnisse zeigen, die in der Realität so eigentlich nicht der Wahrheit entsprechen.
Da gibt es die hübsche Geschichte, um das klarzumachen: Als Leute im Mittelalter aus Afrika zurück kamen, da berichteten sie, dass sie dort Tiere gesehen hätten, die ein Horn am Kopf und eine gepanzerte Haut hatten (sie hatten ein Nashorn gesehen). Als die staunenden Zuhörenden sich das nicht vorstellen konnten, da beschrieben die Reisenden das Tier als Mischung aus Einhorn (Horn am Kopf) und Drachen (gepanzerte Haut). Das konnten sich die Leute vorstellen.
Obwohl niemand von ihnen jemals die nicht existenten Fabelwesen Einhorn oder Drache gesehen hatte, wussten alle, was gemeint war, wenn es um das einzig reale Nashorn ging.

Einhorn und Drache sind also vergleichbar mit mesomeren Grenzstrukturen. Sie sind eigentlich nicht existent, helfen aber die Realität (das Nashorn bzw. die tatsächlichen Bindungsverhältnisse) zu beschreiben.

Und so kommen wir zu einem weiteren Isomer in der Reihe, der...

Knallsäure:
[O–+N≡C–H ↔ O–N=C+–H]*

* Die Ladungen sollen eingekreist sein = Formalladung

Hier ist ein O-Atom über eine Einfachbindung mit einem N-Atom verbunden, das wiederum mit einem C-Atom verbunden ist, an dem schließlich noch ein H-Atom wieder über eine Einfachbindung gebunden ist.

Auch hier ist die Summenformel gleich zu den Beispielen oben (CHNO). Das bedeutet, dass alle drei Substanzen (Cyansäure, Isocyansäure und Knallsäure) zueinander isomer sind.

Aber bei der Knallsäure kannst du auch noch das Phänomen der Mesomerie sehen. In einer der Grenzstrukturen ist zwischen dem N und dem C eine Dreifachbindung zu sehen. Hier hat der Sauerstoff eine negative und der Stickstoff eine positive Formalladung.
Aber dann gibt es auch noch die Möglichkeit, dass sich der Stickstoff sein freies Elektronenpaar zurück holt, wodurch nun nur noch eine Doppelbindung zwischen N und C vorliegt. Das bedeutet, dass der Kohlenstoff hier nur noch dreibindig wäre, so dass nun er die positive Formalladung hat.

Beide Grenzstrukturen sind nicht real. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Der Stickstoff und der Kohlenstoff „teilen die positive Formalladung unter sich auf”.

Bei einer (Struktur-)Isomerie kommen in den Molekülen die gleichen Atome in gleicher Anzahl vor, aber sie sind in verschiedener Weise miteinander verknüpft.

Bei einer Mesomerie sind die vorkommenden Atome zwar immer am gleichen Platz, aber vorhandene Mehrfachbindungen (und gegebenenfalls Formalladungen) sind verschieden verteilt.

Isomere sind real existierende Molekülstrukturen.
Mesomere sind nicht real existierende Grenzstrukturen.

Alles klarer jetzt?

LG von der Waterkant

Isomerie ist ein reales Phänomen. Die drei Moleküle Cyansäure HOCN, Isocyansäure HNCO und Knallsäure HCNO sind zueinander isomer.

  • Jedes dieser Moleküle existiert, und es hat molekulare Eigenschaften, die sich von denen seiner Isomeren unterscheidet, z.B. unterschiedliche IR-Spektren, die man wirklich messen kann.
  • Dabei ist es eine Komplikation, daß Cyansäure und Isocyansäure sich rasch inein­ander umwandeln, so daß man sie nicht getrennt in Flaschen abfüllen kann. Das ändert aber nichts am Prinzip: In der Gasphase bei niedrigem Druck ist jedes der beiden stabil, und wenn man das H durch CH₃ ersetzt, dann hat man das Um­wand­lungs­problem auch gelöst.

Isomere sind also reale Moleküle mit realen Eigenschaften, die sich real voneinander unterscheiden.

Mesomerie ist es etwas ganz anderes, und letztlich nicht real. Wenn man zu einem Molekül verschiedene mesomere Grenzstrukturen aufschreiben kann, dann kommt jeder einzelnen Grenzstruktur überhaupt keine Realität zu, sie beschreibt für sich al­lein gar nichts. Stattdessen braucht man alle Grenzstrukturen zusammen zur Be­schrei­bung eines einzigen Stoffes. Ozon O₃ hat z.B. zwei Grenzstrukturen, bei denen je­weils eine OO-Bindung einfach und die andere doppelt ist. Es gibt aber kein O₃-Mo­le­kül mit einer kurzen (doppelten) und einer langen (einfachen) OO-Bindung; im realen Molekül sind beide OO-Bindungen gleich lang, es ist sozusagen der Mittelwert (und nicht die Mischung) aus beiden Grenzstrukturen.

Wenn man von Mesomerie spricht, dann meint man damit letztlich nur, daß dieses Molekül sich nicht mit einer einzigen Lewis-Formel anschreiben läßt, sondern daß man mehrere davon braucht. Wir kultivieren gerne die Vorstellung, jedes Elektronen­paar stecke an einer bestimmten Stelle im Molekül fest und könne mit einem Strich repräsentiert werden; aber das ist nur menschliches Wunschdenken, und Moleküle haben keine Verpflichtung, sich daran zu halten (für Moleküle ist nur die Schrödin­ger­gleichung verbindlich, und die erlaubt viel mehr).