Trauerbewältigung bei Atheisten

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Hallo AlwaysTheSun,

der Prozess der Trauer ist ein gänzlich normaler, und er hat mit Atheismus vs. Religion nichts im Geringsten zu tun. Natürlich findet man on line Fundamentalisten aller Fraktionen, aber deren Gekeife ist in aller Regel nicht sehr sinnvoll.

Trauerarbeit hat nichts damit zu tun, sich mit einem Placebo, einer Vorstellung zu trösten, sondern viel eher damit, einen Verlust zu bewältigen und dafür zu sorgen, dass die eigene vollkommen normale Reaktion darauf nicht pathologisch wird - d.h., dass der Prozess der Trauer und der Bewältigung von Statten geht, ohne dass Du davon unnötig Schaden nimmst.

Ich glaube ferner nicht, dass der Rahmen eines Internetforums - gleich welcher Art - der richtige ist, um solche Dinge vorzunehmen. Das Sprechen mit Leuten, die Deinen Vater kannten, der ja wahrscheinlich eine der wichtigsten Bezugspersonen Deines Lebens war, ist sicherlich schon sehr gut. Denn das Ausdrücken von eigenen Empfindungen gegenüber Menschen, die "mitfühlen", weil sie selbst trauern, ist ganz wesentlich, da Du auf diesem Wege diesen Schmerz nicht allein mit Dir selbst ausmachen musst.

Darüber hinaus wäre eine gezielte Hilfe durch Fachleute, die Dir 1.) Strategien vermitteln können, mit der Trauer umzugehen, und 2.) Dich eventuell auch auf diesen Wege begleiten können, eventuell anzuraten. Denn wenn der eigene Vater stirbt, ist dies ja nicht so, als wenn ein entfernter Freund oder Verwandter verstirbt. Insofern wäre das auch eine Überlegung wert.

In jeder größeren Stadt gibt es Beratungsstellen, die sich u.a. mit solchen Themen beschäftigen. Adressen erfährst Du auch über die Telefonseelsorge. Selbstverständlich stehen die meisten dieser Organisationen unter kirchlicher Trägerschaft; auch wenn die meisten Menschen dort professionelle und gute Arbeit leisten, und vielfach die dort Angestellten Sozialarbeiter und keine Theologen sind, kann es durchaus auch hier vereinzelt zu einer Vereinnahmung in weltanschauliche Gedanken kommen. Wenn Du dem ganz entgehen willst, könntest Du auch alternativ privat einen Psychotherapeuten aufsuchen; dass die Kasse Deinen Besuch übernimmt ist allerdings fraglich.

Tendenziell würde ich Dir zu dem Besuch einer Beratungsstelle raten. Ich glaube auch nicht, dass das unbedingt über vier bis fünf Sitzungen hinausgehen muss; Du scheinst ein sehr klarer Mensch zu sein, und Du gibst gut darüber Auskunft, was Dich bewegt. Insofern können diese Leute Dir helfen, eigene Ansätze zu finden, um diesen Verlust besser zu verarbeiten und so durch die folgende Zeit zu kommen. Ich wünsche Dir alles Gute.

Kendall

AlwaysTheSun 
Fragesteller
 27.02.2011, 13:25

Danke für Deine umfassende Antwort. Ich spreche viel mit meiner Mutter, mit Verwandten und Freunden. Das Internet kann das nicht ersetzen, objektive Denkansätze finde ich dennoch hilfreich. Ich hatte auch schon über verschiedene Möglichkeiten der Hilfe von Außen nachgedacht, war mir nur nicht so schlüssig, wieviel Raum ich dem ganzen geben kann, ohne dass es mich völlig überrollt. Vielleicht schützt die Psyche auch und lässt Stück für Stück zu, was man bereit ist zu verarbeiten. Aber Du hast recht, eine Beratung kann da vielleicht dennoch hilfreiche Ansätze vermitteln.

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verreisterNutzer  27.02.2011, 13:45
@AlwaysTheSun

Du hast vollkommen Recht, insbesondere was das Überrollen betrifft. Dazu kann ich Dir nur ungefähr sagen, wie ich vorgehen würde: Bei einem Beratungsgespräch würde ich erst einmal auf Tuchfühlung gehen. Wie komme ich mit der Person klar, liegt sie ungefähr auf meiner Linie (geschwurbelte Beleidsbekundungen und pseudo-empathisches Gebrabbel sind in der Regel nicht meins, also für mich wäre das z.B. ein Killerkriterium), und wenn ich das Gefühl hätte, dass diese Person unprofessionellerweise von mir fordert, mich ihr gegenüber in einer umfassenden Weise zu öffnen - dann würde ich gehen. Denn keine Beratung ist immer noch besser als eine schlechte. Ein guter Berater oder Therapeut orientiert sich an dem, was der Klient sagt und worüber er zu sprechen bereit ist. Was ihn beschäftigt. Folglich würde ich als Klient erst einmal auf Tuchfühlung gehen, und schauen, ob diese Person mir Ansätze vermitteln kann und ob sie dies auf eine für mich angenehme Weise tut. Wenn nicht, geh'n wa halt nach Hause (um es platt zu formulieren). Verloren habe ich dann gar nichts - nur etwas Zeit. Abschließend muss ich Dir noch ein Kompliment machen; ich finde es toll, dass Du so rational daran gehst. Ich kann erahnen, dass Dir das in Deinem derzeitigen Gemütszustand einiges abverlangt. Meine Hochachtung!

Kendall

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ich bin mir nicht sicher, vorallem da das ein sehr heikeles Thema ist.

Vielleicht hilft es dir da du ja geschrieben hast mit schlimmen Verlauf, dass der Tod deinen Vater von seinen Schmerzen und Qualen erlöst hat.

Für manche Menschen ist es ja vielleicht tröstend, dass sie sich vorstellen, dass man sich irgenwann wieder trifft.

Wenn man nun aber mal solchen Dingen nicht angetan ist hat man ja gie Vorstellung, das es nach dem Tod nichts mehr gibt. Das heißt das auch der Tote nichts mehr empfindet und somit weder Trauer .... spürt.

Aber es gibt sicherlich professionelle Hilfe, die können mit so einem Schicksal besser umgehen. Ich würde echt empfehlen mir so eine Hilfe zu suchen, da man dass gerne verdrängt. Doch wenn mit dem Thema noch nicht abgeschlossen ist, dann kann sich das noch nach Jahren negativ auswirken. :(

AlwaysTheSun 
Fragesteller
 27.02.2011, 13:44

Das Schlimme und schwer Verständliche ist, dass es durch unsachgemäße Behandlung und durch eine falsche Beruteilung der Situation so schlimm geworden ist, er könnte noch leben, wäre er richtig behandelt worden. Er stand mitten im Leben, er war weder besonders alt noch zuvor besonders krank. Daher fällt es mir besonders schwer, es zu akzeptieren. Ganz am Ende war es eine Erlösung. Zuvor hatte er aber kein Leben, von dem er erlöst werden musste. Nun schwanke ich eben auch zwischen dem Zulassen der Trauer und der Ablenkung, ich wache auf aus diesem Schockzustand und versuche die Endgültigkeit zu verstehen.

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ich mussze zwar noch keinen tod verarbeiten aber ich friss sonst alles in mich rein

ich weiß jetzt nicht wie dein vater beerdigt wurde aber ein grab ist oft für die trauer bewältigung gedacht trauere so oft und solange wie du willst sprech mit anderen menschen drüber wenn er in einem grab liegt schreib ihm einen brief und leg ihn mit ans grab wenn du nicht mit ihm "reden" möchtest vielleicht hilft diese geste

jeder trauert auf seine eigene art und weise dies kann man nicht pauschalisieren

AlwaysTheSun 
Fragesteller
 27.02.2011, 13:33

Ja, es gibt ein Grab. Da waren wir erst gestern. Bei mir reißt es leider die Wunden immer wieder auf, ich rede lieber in Gedanken oder tatsächlich laut mit ihm, wenn ich alleine bin. Das mit dem Brief ist eine wirklich schöne Idee, vielen Dank dafür.

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Wie soll man es ohne 'religiöse Ansätze'schaffen, seine Trauer zu bewältigen, und nicht nur abzulegen?!Als nichtgläubiger Mensch ist mit dem Tod alles vorbei.Also trauert man, bis die Zeit einen abgestumpft hat.- Im Islam weiss man, was nach dem Tod geschieht, und kann deshalb schon bald mit der verweifelten Trauer, über den Verlust eines lieben Menschen, hinwegkommen.

wueselduesel  27.02.2011, 16:45

"Im Islam weiss man, was nach dem Tod geschieht, und kann deshalb schon bald mit der verweifelten Trauer, über den Verlust eines lieben Menschen, hinwegkommen."

Allerdings nur dann, wenn man aus einer islamischen Familie kommt. Konvertiten müssten z.B. mit der Vorstellung leben, dass ihre nichtislamischen Eltern, Großeltern und Geschwister als Ungläubige in die Hölle wandern und dort aufs bestialischste gequält werden.

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Nachtflug  27.02.2011, 17:40
@wueselduesel

Woher weiß man das im Islam? Ich dachte bisher immer, dass auch Moslems auf den Glauben angewiesen sind und nichts darüber wirklich wissen können.

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malschauen100  28.02.2011, 06:55
@wueselduesel

wueselduesel:auch ich bin konvertiert.Und auch meine Mutter will nichts vom Islam oder einer anderen Religion wissen.Und das geht auch im Islam geborenen so.Nicht jeder Muslim ist ein Gläubiger.

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malschauen100  28.02.2011, 06:58
@Nachtflug

Nachtflug:Im Islam weiss man sehr viel, und detailiert über das Leben nach dem Tod bescheid. Das macht auch so sicher und standhaft im Glauben.

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wueselduesel  28.02.2011, 19:39
@malschauen100

Aber trotzdem müsste man dann (wenn man den Koran ernst nimmt) verzweifeln beim Tod der Eltern. Oder etwa nicht?

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malschauen100  01.03.2011, 07:05
@wueselduesel

Als gläubiger Muslim, also jemand, der Gott über alles vertraut, hadert man nicht am Schicksal.- Natürlich wünsche, und bitte ich immer darum, dass meine Mutter das Glaubensbekenntnis ausspricht.- Aber selbst, wenn sie ohne das sterben sollte, möge ALLAH es verhindern,werde ich deshalb nicht von meinem Glauben abfallen.ALLAH tröstet über alles.

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