The Force of Circumstance, Guy

2 Antworten

Es ist lange her, daß ich die Geschichte gelesen habe. Meine Erinnerung mag mich also trügen.

Ich denke aber schon, daß in der Geschichte eine gewisse Portion "Kolonialismuskritik" steckt. Doris verkörpert "westliche Werte". Sie geht aber nach England zurück. Die Ehe ist gescheitert - und damit der Versuch, im fremden Land nach englischer Konvention zu leben, ohne sich selbst untreu zu werden.

Guy ist nicht gerade der Prototyp eines vorbildlichen britischen Kolonialbeamten. Sein "going native", Teil 1, widerspricht den Grundsätzen britischer Kolonialpolitik - wenn auch nicht deren Praxis vor Ort. "Going native", Teil 2, nach gescheiterter "bürgerlicher Ehe", ist nun schon gar nicht die Lösung, die man an der Heimatfront als Handlungsmuster gutheißen würde.

Gruß, earnest

Elfchen1237 
Fragesteller
 28.02.2013, 14:11

Ja, genau so empfinde ich es auch, vielen Dank!

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earnest  28.02.2013, 16:09
@Elfchen1237

You're welcome.

Angesichts der Realitäten des britischen Kolonialismus in Indien, Malaysia, Burma und anderswo könnte man natürlich argumentieren, daß fast jede fiktionale Darstellung des Lebens in den Kolonien schon kritische Züge in sich trägt - sofern sie auch realistische Aspekte beschreibt. Was bei Maugham sicher der Fall ist.

So muß einem Kolonialbeamten - auch George Orwell war ein solcher! - kein kritisches Wort über die Lippen kommen. Eher Whisky und Gin Tonic eimerweise. Es reicht, wenn er sich jeden Abend im Club - aus Verzweiflung über das brutale Klima, über den Mangel an Abwechslung und über die natives - total gefrustet besäuft. Und wenn er sich dann am nächsten Morgen, wie George Orwell, fragt, was er denn eigentlich hier im tiefsten Burma zu suchen hat...

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Etwa 192o geschrieben, mit Kritik am British Empire? Also, eine solche seh ich wirklich nicht. Da wird ganz einfach die damals selbstverständliche Haltung praktisch aller Weißen gegenüber sämtlichen "Natives" gezeigt.

Da es nur wenige weiße Frauen gibt, ist es ja nicht nur für diesen in "Sembulu" aufgewachsenen dicken und recht häßlichen Guy überhaupt nichts Außergewöhnliches, sich mit einer Malain einzulassen - und sie in dem Moment wieder stehen zu lassen, wo er etwas anderes vorhat . So etwas machen alle. Guy macht aber einen beträchtlichen Schritt in Richtung Überwindung von Vorurteilen. Integration: Er trägt einheimische Kleidung und er kehrt zu seiner malaischen Familie zurück. Natürlich bleibt ihm ja auch nicht viel anderes übrig, nachdem es seiner weißen Frau unmöglich war, ihre rassischen Vorurteile zu überwinden. Doris ist's einfach unmöglich, sich an die gegebenen Umstände anzupassen - mit dem Empire an sich und "the White Man's Burden" (Kipling) aber hat das nichts zu tun.

Elfchen1237 
Fragesteller
 27.02.2013, 18:58

Aber ich denke eher, dass Guy gar nicht perfekt integriert ist! Natürlich hat er äußerlich all' die Voraussetzungen, da sein Vater bereits für den Sultan arbeitete, er perfekt Malaisisch spricht, etc. aber ich finde, dass er moralisch gesehen gar nicht integriert ist, da er seine Mätresse einfach im Stich lässt, nachdem er Doris getroffen hat! Für ihn ist sie doch nur ein Lustobjekt und nicht ein gleichwertiges Wesen... so empfinde ich es zumindest! und ich denke diese Tatsache ist auch ein wichtiger Grund, warum Doris schlussendlich Malaysia verlässt. Denkst du, dass ich damit komplett falsch liege ?

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