Sokratisches Gespräch/Dialog?

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Sokratischer Dialog am Beispiel Prüfungsangst

Im folgenden Auszug zum Sokratischen Dialog handelt es sich um eine 48-jährige Dame, die mich wegen Ihrer Ängste – hinsichtlich der Überprüfung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie – aufsuchte.

Bitte beachten Sie, dass es sich beim folgenden Beispiel um einen kleinen Ausschnitt handelt, der auf eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung basiert und bei dem es sich lediglich um eine beginnende Kognitive Umstrukturierung handelt.

Sie können jedoch die folgenden hilfreichen Fragen auch verwenden, um zunächst einen vernünftigen Abstand zu Ihren eigenen blockierenden Denk- und Verhaltensmustern zu bekommen.

„Ich schaffe die Überprüfung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie nicht.“

T: Was geht Ihnen gerade durch den Kopf?

P: Ich schaffe die Prüfung nicht.

T: Und wie fühlen Sie sich, wenn Sie das denken?

P: Ich bin angespannt und bekomme Panik. Ich habe Angst vor der Prüfung.

T: Sie haben also den Gedanken: „Ich schaffe die Prüfung nicht“, und dieser Gedanke macht Sie ängstlich. Was ist der Beweis dafür, dass Sie die Prüfung nicht schaffen können?

P: Ich habe das Gefühl, dass nichts hängen bleibt, von dem was ich lerne.

T: Okay. Was noch?

P: Ich habe so viel um die Ohren, mit meiner Familie und meinem Job. Ich kann mich gar nicht richtig aufs Lernen konzentrieren. Immer wenn ich mich hinsetzen und lernen will, dann muss ich an etwas anderes denken.

T: Gibt es noch andere Belege dafür, dass Sie die Prüfung nicht schaffen können?

P: Ich glaube außerdem, dass es mir in meinem Alter besonders schwer fällt, noch etwas Neues zu lernen. Manchmal komme ich mir im Vergleich zu anderen wirklich dumm vor. Und da denke ich mir dann: „Da hast du eh keine Chance. Spar dir lieber die Zeit und kümmere dich um wichtigere Dinge.“

T: Das sehen wir uns gleich genauer an. Den meisten Menschen fällt es schwer, sich zu konzentrieren, wenn sie zu viel im Kopf haben. Aber unabhängig davon, gibt es noch andere Belege dafür, dass Sie die Prüfung nicht schaffen können?

P: … Nein, mehr fallen mir im Moment nicht ein.

T: Gibt es Gegenbeweise? Dafür, dass Sie die Prüfung schaffen könnten!

P: Ja, ich habe erst vor 2 Jahren meine Abschlussprüfung in Italienisch geschafft, obwohl ich dort die Älteste war. Aber dazu habe ich mich auch regelmäßig hingesetzt und gelernt.

T: Gibt es noch mehr Beweise dafür, dass Sie die Prüfung schaffen könnten ?

P: Ich weiß nicht. … Ich habe ja auch meine kaufmännische Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, aber das ist schon lange her. … Meine Kinder haben früher immer zu mir gesagt: „Mama, was du dir alles merken kannst …“ Ich habe ja auch schon viele Weiterbildungen gemacht und bin noch nie durch eine Prüfung gefallen. Vielleicht liegt es ja gar nicht so sehr an meinem Gedächtnis, sondern weil ich an so viele andere Sachen denken muss.

T: Und was wäre das Schlimmste, was passieren könnte, wenn Sie die Prüfung nicht schaffen würden?

P: Dass ich mich schlecht fühlen würde.

T: Und würden Sie das überleben?

P: Ja, klar. Wahrscheinlich wäre ich sehr enttäuscht, aber ich würde es sicherlich nochmal versuchen.

T: Und was wäre das Beste, was passieren könnte?

P: Hm … dass ich die Prüfung irgendwie schaffe.

T: Und was ist das wahrscheinlichere Ergebnis?

P: Ich weiß nicht, aber ich habe bis jetzt noch jede Prüfung geschafft. Vielleicht stehen die Chancen, dass ich die Prüfung bestehe etwas höher, als dass ich durchfalle, so 60 zu 40%.

T: Was passiert, wenn Sie diesen Gedanken vom Anfang glauben: „Ich schaffe die Prüfung nicht.“

P: Ich kriege Panik und kann mich gar nicht richtig aufs Lernen konzentrieren. …. Dann setzte ich mich auch nur wegen meines schlechten Gewissens hin und lese was, aber oft denke ich, dass das eh nichts bringt und dann lasse ich mich von anderen Dingen ablenken.

T: Was würde geschehen, wenn Sie Ihr Denken ändern oder den Gedanken „Ich schaffe die Prüfung nicht“ nicht so ernst nehmen würden?

P: Ich würde mir wieder mehr zutrauen und dann würde ich auch lieber lernen als jetzt. Wahrscheinlich wäre ich nicht so verspannt und würde mir mehr merken können. Und dann wäre ich vielleicht auch nicht so aufgeregt in der Prüfung. … Ich könnte das eher schaffen als jetzt.