Sinn von zwischenmenschlicher Interaktion?

7 Antworten

Hallo Baroque,

ich muss gerade ein bisschen an mich halten, um auf dem Punkt zu bleiben, weil die Nebenausführungen in meinen Ohren auch noch nach gut gemeinten Bemerkungen schreien. Die hänge ich hinten an, wenn die Zeit reicht.

Für das allgemeinste halte ich erstmal eine Differenzierung für sinnvoll: Die zwischen streng zweckgebundener Interaktion, wie das Bezahlen an der Supermarktkase, deren Sinn jeweils eindeutig definiert ist, und beziehungsgebundener Interaktion, um die es hier geht (für alles folgende ist dieses also der Referenzrahmen).

Und da gilt, dass Menschen sich miteinander unterhalten, um die gegenseitige Bindung zu (ver)stärken, zu bestätigen oder herzustellen. Verschiedene Sprechhaltungen dienen dabei verschiedenen Teilzwecken:

  • Im Aufregen lässt sich freundlicherweise die Verteidigung eigener Werte wiederfinden. Bzw, andersherum, eine Abwehrreaktion gegen etwas, das eigene Werte bedroht. Man wehrt sich quasi gegen das Falsche und teilt sein Werturteil mit, sucht nach Verbündeten oder, lowest case, nach Bestätigung seiner Einschätzung. Womit auch schon der Grenzbereich zur nicht so freundlichen Variante dieses Verhaltens erreicht wäre (wozu auch gehört, dass die Deutschen vllt nicht ganz zu Unrecht den Ruf haben, Meckerköppe zu sein): Das, was passiert, wenn man gar keine eigenen Werte hat und einfach nur gegen alles vorgeht, was einem schon ein Minimum an Unannehmlichkeiten verursacht. Es ist die einzige Option, die man hat, wenn man nicht weiß, was man eigentlich anstrebt. Das Meckern selbst ist dann so etwas ähnliches, wie das Schreien eines Säuglings, der seine Werte (satt, sauber, warm, Mama) zwar genau kennt, aber noch keine Handlungsoptionen hat, als allein, sein Unbehagen mitzuteilen, damit jemand sich darum kümmere. Die Grundaussage ist dann im Wesentlichen "Ich find das schlecht, find Du das auch schlecht, damit ich mich im recht fühlen kann" und manchmal tatsächlich auch "Mach was, damit es mir besser geht".

  • Irrelevante Informationen sind eigentlich Bindungsbestätigung in Reinform. Muster: "Wenn ich mich für Dich interessiere, interessiere ich mich auch dafür, weil es Dich betrifft". Das ist das eine. Das andere ist, dass sie nicht immer so irrelevant sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Sie können auch schlicht den Kontext geben, in dem man auf eine Relevante Information, eine Erkenntnis, ein Muster, einen Zusammenhang, gestoßen ist, und können dann sehr relevant werden (wobei mein vllt. größter Charakterfehler in der Konversation darin besteht, einem Anekdotenerzähler Schlussfolgerungen aus seiner Anekdote an den Kopf zu werfen, was meist schon wieder als off topic empfunden wird, weil das Interesse am Thema bereits wieder weg ist (im Schnitt hat man in einer normalen Konversation für ein Thema etwa 30 Sekunden, bevor die Aufmerksamkeit weiter schweift. Nicht wirklich toll, erklärt aber eine Menge über menschliches Gesprächsverhalten)).

  • Und der dritte Punkt: Naja, ja. Und vllt ist es jetzt etwas verständlicher.

Womit ich dann am momentanen Nebenschauplatz wäre:

A) Es gibt zwei große Anfragen an Emotionslosigkeit (mindestens), eine aus meiner eigenen Erfahrung, die andere aus der Philosophie:

  1. Wie schützt man sich vor Lethargie? Dabei geht es um den eigenen Antrieb zum Handeln, wozu Gefühle, vor allem das Gefühl, dass einem etwas wichtig ist (und die Folge, dass man an seiner Realisierung arbeitet) eine große Hilfe sein können. Und wobei man ohne sie mit etwas Pech recht schnell auf dem Trockenen sitzen kann und sich nurnoch wie einen nassen Sack durch den Tag schleppt. Hoffe ich nat. nicht, dass es Dir passiert, aber das Risiko ist da.

  2. WIrklich gar kein Gefühl? – Ich streite nicht ab, dass es möglich ist. Ich denke sogar, dass man bei best. Gelegenheiten weder fühlen kann, noch sollte (wenn die Konzentration für etwas anderes gebraucht wird). Und manchmal sind sie einem auch einfach zu anstrengend. Nur: Als Mensch ist man eigentlich nicht darauf als Dauerzustand ausgelegt. Selbst Leere fühlt man (und sie fühlt sich nicht unbedingt gut an, wenn sie einfach so da ist). Du beschreibst Dich als Pessimist. Stellt sich die Frage: Wovor hast Du Angst? (Und an Dich: Brauchst Du diese Angst wirklich? – Ich meine: Klar, wir werden sterben und wenn man etwas anstrebt, stellt sich einem in der Regel vieles in den Weg. Nur: Vorher können wir, dürfen wir (und müssen wir) leben. Und haben alle Möglichkeiten an der Hand, ein verdammt schönes Leben zu führen. Und überwundene Widerstände vergrößern nur den Triumph.)

B) Es gibt keinen notwendigen Widerspruch zwischen Vernunft und Emotionen. Jedenfalls, wenn man Emotionen als Wertungen versteht, dann sind Gefühle und die Ergebnisse vernünftiger Überlegungen ineinander übersetzbar. Die Grundausrichtung aller Gefühle sind die Wertungen Zustimmung, positive Emotionen über etwas, und Ablehnung, negative Gefühle – die Zuordnung ist also denkbar einfach.

[Fortsetzung folgt]

nemoUnfound  27.09.2014, 13:27

[Fortsetzung] (Neid ist ein Grenzfall: Man stimmt einem Wert zu, aber nicht der Tatsache, dass jemand anders ihn hat bzw. man selbst nicht, entsprechend kann man daraus in die produktive Richtung handeln, ihn für sich selber zu realisieren, oder auch in die destruktive, ihn dem anderen zu zerstören). Hat man das eigene Gefühl zugeordnet, kann man vernünftig nachprüfen, ob man zurecht dem betroffenen Sachverhalt zustimmt oder ihn ablehnt. Bringt man diese Disziplin auf, hat man die Grundlage für einen sehr gesunden emotionalen Haushalt, der vor allem gut mit unwillkürlichen Gefühlen zurecht kommen kann. Und dann kann man sich auch erlauben, etwas für wichtig zu halten, weil man die Wichtigkeiten in eine vernünftige Hierarchie bringen kann (Basale Notwendigkeiten des Lebens – wie man ihnen nachkommt – was man mit dem Rest seiner Zeit anfangen möchte, so grob). Um das klar zu stellen: Dadurch, dass Du lebst, aber nicht unsterblich bist, gibt es de facto bereits Dinge, die für Dich wichtig sind, um weiterzuleben. Dass man in die Basis keine Energie investiert, die sie emotional wichtig machen würde, ist weitgehend normal (das passiert meistens erst, wenn die Basisversorgung grundlegend bedroht ist). Natürlich ist es Deine Wahl, ob Du irgendetwas anderes emotional wichtig werden lässt. Ich will bloß sagen: Man wird nicht automatisch dümmer, wenn man sich freut. Oder mal stinksauer ist. Und diesen ganzen Aufwand, Dir dieses denkerische Angebot anzutragen, betreibe ich bloß, weil Du ganz gute Voraussetzungen für ein glückliches Leben mitbringst, wenn Du Dir nicht unhinterfragt alle Wertvorstellungen (Moden) von der Gesellschaft überhelfen lässt – das viele etwas für richtig oder wichtig halten, macht es weder richtig, noch wichtig. Aber dieser Umstand heißt nicht, dass es gar nichts geben könnte, was richtig oder wichtig wäre. Ich gehe davon aus, dass Du hiermit machst, was Du willst und es nicht einfach so schluckst. Und genau deswegen finde ich, die Zeit hierfür gut investiert zu haben :).

Liebe Grüße

von Nemo

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Auf den ersten Blick könnte einem die Frage als Trollversuch vorkommen, wo einer Sheldon spielt, aber dafür ist das ganze dann doch zu gut geschrieben.

Um deine Frage kurz und prägnant zu beantworten: Soziale Interaktion hat sich evolutioär als vorteilhaft erwiesen und wird aus diesem Grunde in Form von ausgestoßenen Glückshormonen belohnt. Kurz, es macht Spaß. Darauf kann man aber auch alleine durch rationales Denken selbst drauf kommen, und ich denke, dass das - evtl. unbewusst - gar nicht der Grund war, obrige Frage zu stellen. Was selbstverständlich nur meine nicht-fachkundliche Meinung ist.

Zwischen den Zeilen klingt für mich durch, dass du mit deiner Lebenssituation eben doch nicht so zufrieden bist, relativ deutlich schreibst du, dass es dir "nicht viel" ausmacht. Nicht viel > gar nichts. Mit dem folgenden im vorletzten Absatz hast du Recht, der Punkt ist allerdings, dass man sich um die "richtigen" Kontakte nicht aktiv kümmern muss, sondern die Bindung zum Selbstläufer wird. Ich bin auch niemand, der außerordentlich viele Freunde hat; dafür allerdings wenige, außergewöhnlich gute Freundschaften. Dabei findet auch nichts dergleichen statt, was du in deinen 3 Punken aufzählst (Smalltalk eben, dafür hat doch bestimmt Wikipedia eine gute Erklärung), sprich: Wenig bis kein Austausch irrelevanter Informationen, wobei "irrelevant" höchst subjektiv ist; während Modetratsch in meinem engeren Freundeskreis eben kein Thema ist, mag selbiges Thema ja für andere Personengruppen interessant sein.

Menschen sind verschieden, nicht jeder kommt mit jedem aus. Ich würde mathematisch ausgedrückt sagen, gute Freundschaften entstehen da, wo die Schnittmenge der relevanten Informationen am Größten ist. :D

Wieso unterhalten sich Menschen?

Weil sie soziale Wesen sind. Sie haben das Bedürfnis, sich mit anderen Menschen auszutauschen, mit ihnen zu interagieren. Deshalb tun sie es.

dass (1) sich einer der Gesprächspartner über etwas übermäßig aufregt

In deinen Augen zumindest. Für den Gesprächspartner selbst ist es eben keine übermäßige, sondern eine völlig angemessene Aufregung. Er hat einfach andere Wertevorstellungen als du.

(2) Austausch von irrelevanten Informationen (z.B. "Ich war heute einkaufen..bla..bla")

Wieder dasselbe: Du hälst diese Informationen für irrelevant, die Leute, die sie austauschen, nicht.

(3) Anreize/Einwürfe um die Konversation weiter fortzuführen (Man redet um zu reden..)

Dienen aus tatsächlich diesem Zweck. Man will die Konversation weiterführen, weil man das Bedürfnis hat, es zu tun.

Alleine die Tatsache, dass du eine Frage die du hier stellst, beruhend auf deinem rationalen Denkmuster, interagierst du mit anderen Community-Mitgliedern. Ich verstehe also nicht warum du dich selbst "emotionslos" nennst, eine Frage hier zu stellen bedeutet sich etwas zu hinterfragen und eine Antwort zu erwarten, quasi eine Antwort von anderen menschlichen Individuen, insofern hast du auch hier im Web eine soziale Interaktion. Nun zu deiner Frage, der Sinn von menschlichen Interaktionen. Nun die Antwort ist leicht zu beantworten und zwar mit einer Gegenfrage. Warum stellst du uns diese Frage?

WhiteBaroque 
Fragesteller
 26.09.2014, 23:13

Um eine Lücke in meinem Denkmuster zu füllen, die ich allein durch rationales Denken nicht beheben kann. Sozusagen eine Einholung von Informationen, die für mich relevant sind - Denn mir fehlt es in dieser Hinsicht wohl an Erfahrung. Inwiefern beantwortet das nun meine Frage?

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huuuaah  26.09.2014, 23:33
@WhiteBaroque

"..Einholung von Informationen, die...relevant sind.." Nun, stell dir vor, so ergeht es den Großteil der Menschen, ob die Relevanz bei Sinn, Logik, Lust, Erfahrung oder aus der Laune besteht bleibt bei jedem selbst. Deine Art und Weise gibt es zuhauf unter den Menschen, ich bin zuversichtlich dass du dich bei denen besser einfindest als der "normalen" Menschheit, wobei "normal" eine Frage der Definition ist... :)

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In Punkt 1. hast du das besagte schon fast in allen Einzelheiten erkannt.

Zu Punkt 2. siehst du deine Aussenwelt nur grobflächig über die anderen betrachtet , dies ist meist nur eine Fassade ,...dahinter verbirgt sich das Gefühl verstanden zu werden, um sich selbst zu besser verstehen zu können.

Zum 3. fangen gute Gespräche über Small-talk an, die eine Basis für Gemeinsamkeiten entstehen lassen oder auch nicht...

Würde es sich hierbei um wichtige Informationen handeln, könnte ich das ja noch halbwegs verstehen... Aber das ist eher die Seltenheit..

Viele warten nur darauf das einer den Anfang macht , ...doch es von vornherein abzulehnen , heisst auch in gewisser Weise sich selbst abzulehnen , weil man sich der Chance beraubt tiefgründiger in sich selbst zu schauen...