Ist "Iphigenie auf Tauris" ein analytisches oder ein synthetisches Drama?

1 Antwort

Die „Iphigenie“ ist teils analytisches, teils synthetisches (Ziel-) Drama. Analytisch ist es, weil schrittweise die Identität der Fremden, die auf Tauris gelandet sind, sowie das grauenvolle Verbrechen des Orest (Muttermörder) enthüllt werden (= Enthüllungsdrama). Durch die Liebe der Schwester und ihre priesterliche Kraft wird Orest von den Eumeniden befreit, die dann zum Tartarus fliegen und „fernab donnernd die Tore des Tartarus (Unterwelt) zuschlagen“. Das Geschehen ist dann aber auf ein Ziel gerichtet: die Schwester möchte den Bruder auch vor der Hinrichtung retten (denn jeder, der auf Tauris landet, ist dem Tode verfallen). Verhilft sie ihm zur Flucht, betrügt sie den König Thoas von Taurien, der der Priesterin vertraut; er will sie sogar heiraten, sie aber hatte das Eheangebot abgelehnt. Dieser ausweglose Konflikt und seine Lösung ist das Ziel, auf welches das dramatische Geschehen sich zubewegt. Iphigenies Lösung sieht so aus: Sie offenbart dem König die ganze Wahrheit; damit gelingt es ihr, den Barbarenkönig zu einer humanitären Handlung zu veranlassen. Erst sagt er: „So geht!“ Dann, am Ende: „Lebt wohl!“ (Goethe selbst fand seine „Iphigenie“ „verteufelt human“, womit er wohl sagen wollte, dass diese Art von Humanität ein unerreichbares Ideal bleibt. Einen Barbarenkönig auf die hohe Ebene der Moral zu hieven, erscheint reichlich idealistisch, um nicht zu sagen: irreal, auch wenn dem Barbaren die Worte der Iphigenie noch so zu Herzen gehen und überhaupt die Verssprache Goethes in diesem Drama von letzter Vollkommenheit ist. Goethe hat hier ganz sicher die Höhe der Shakespeare-Sprache erreicht).

RuthSamstag 
Fragesteller
 02.04.2014, 21:27

Danke sehr!

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