Inwiefern spiegelt sich die Psyche eines Autors in seinen Werken wider?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich denke, dass sich da die ganze Vergangenheit und auch die Erziehungsweise bemerkbar machen - entweder bewusst oder unbewusst, wobei es sicher auch auf das Thema ankommt. Ich gehe jetzt aber hier von einem Buch aus und nicht von einem mehr oder weniger neutralen Artikel, den ein Redakteur in einer Lokalzeitung veröffentlicht und der eine Thematik behandelt, die objektiv geschildert werden muss, um die Leser zu informieren - denn da ist der emotionale Spielraum sehr gering; man kann als Leser die Psyche allenfalls am "Duktus" erkennen und das auch erst, wenn man den Redakteur und sein Umfeld/Aufwachsen/Milieu sehr gut kennt und einzuschätzen weiß.

Derzeit denke ich persönlich intensiv drüber nach, ein Buch zu schreiben nach dem Motto "Erlebtes und Erlittenes - stolz, KEIN Dorfkind zu sein" oder so was in der Art. Wenn ich mal richtig viel Zeit habe, gehe ich das wahrscheinlich auch an. Konzepte bzw. eher "Pinselstriche" dazu gibt es schon, aber noch nichts Konkretes - so was braucht Zeit; ich weiß es von einer Freundin, die schon mehrere (Fach-)bücher geschrieben hat und mich dazu ermutigt hat, das Projekt mal gezielt anzugehen.

Das wäre ein Buch, das die skurrilsten und abwegigsten Anekdoten bündelt und teilweise auch eine Abrechnung darstellt - die Vorstadt ist ein einziger Abgrund bis hin zu geschmierter Polizei (!) mitten in Deutschland und einer "CDU-Mafia" und liefert massenweise Stoff für Geschichten, wenn man da erst mal Jahrzehnte zubringt und die Leute näher und intensiver erlebt, als man es will ... und das aus jeder Perspektive. Erlebtes und Erlittenes eben.

Mal sehen ... es wäre halt für jeden ersichtlich, der da noch wohnt, um was und wen es geht; ich würde die zu gern alle sehen, wie sie mein (hypothetisches) Buch lesen, sich der Reihe nach wieder erkennen, aufeinander losgehen und jeder alles leugnet und sich alle gegenseitig widersprechen. 

Ich könnte mich eines Tages sehr gut als den lustigen Opa mit Sakko und Brille vorstellen, der aus seinem Buch ("Erlebtes und Erlittenes") vorträgt und Lesungen abhält wie einst Hellmuth Karasek, den ich sehr gemocht habe und auch auf Lesungen erlebte.

Es wäre wahrscheinlich für jeden halbwegs empathischen Leser ersichtlich, was ich für ein Typ sein muss, was ich alles erlebt habe, warum ich darüber berichte und wie mein Umfeld auch in meiner Familie gewesen sein muss.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Hallo TheAric!

Wenn es nicht ausdrücklich autobiografische Werke oder autobiografisch geprägte sind, enthalten auch die Geschichten und Romane in den fiktiven Ideen und Gestaltungen immer ein Abbild von Präferenzen, Idealen, Emotionen der Schreiber:innen, da sie sich von ihren eigenen Überzeugungen auch hinsichtlich verschiedener Charaktere leiten lassen müssen, um diese konsistent darstellen zu können. Auch die Aus-Wahl des Stoffes ist dem geschuldet, wovon sie am meisten überzeugt sind, dass es inhaltlich wichtig und aussagekräftig ist.

Letztlich fließen vermutlich auch unterbewußte Aspekte mit ein.

LG

gufrastella

In eigentlich allem:

- In der Themenwahl

- In den Eigenschaften, dem Erleben und Verhalten des Protagonisten

- In der Umwelt und den Ereignissen, die beschrieben werden

- In zahllosen Details, oft auch in Formulierungen

- Im Ausgang oder der "Moral" der Geschichte

Martin Suter, der vermutlich prominenteste Schweizer Schriftsteller der Gegenwart, erklärte einmal: "Wenn ich die Geschichte eines Mannes schreiben will, der sich aus Liebeskummer das Leben nimmt, dann versuche ich, in mir drin einen Teil zu finden, der so empfinden könnte. Um die Geschichte zu schreiben, mache ich diesen Teil ganz gross - und wenn das Buch fertig ist, schrumpfe ich ihn wieder und lasse ihn wieder klein werden".

In einem anderen Zusammenhang berichtete er: "Ich wollte eine Serie schreiben. Dazu brauchte ich einen Protagonisten, mit dem ich es länger aushalten kann, mit dem ich mich genug identifiziere, dass ich mehrere Bücher über ihn schreiben mag".

Jo K. Rowling berichtete, wie sie in Harry Potter den Tod ihrer Mutter und die Trennung von ihrem Ex verarbeitete. In Michael Endes Büchern sind wiederkehrende Motive zu finden und Jane Austen teilte der Welt ihre Beobachtungen und Empfindungen als alleinstehende Frau ihrer Zeit mit.

Das lässt sich so einfach so pauschal nicht sagen.