Ich finde Kruzifixe irgendwie gruselig?


22.10.2022, 13:25

Also ich meine im Wohnzimmer, Schlafzimmer etc :)

Das Ergebnis basiert auf 21 Abstimmungen

Finde ich nicht gruselig! 67%
Finde ich auch gruselig... 33%

13 Antworten

Wenn Jesus anstatt gekreuzigt mit der Guillotine getötet worden wäre, dann wäre das Symbol des Christentums wahrscheinlich daraufhin ausgelegt. Also ein kopfloser Körper. Hätte er in anderen Gebieten und zu anderer Zeit gelebt, vielleicht ein Marterpfahl.

Selbstverständlich ist die Abbildung einer Grausamkeit gruselig, furchteinflößend, erschreckend! Diese Abscheu ist gewollt. Sie soll dem fühlenden empathischen Menschen im Innern, in der Psyche, ein Unwohlsein auslösen. Um durch dieses eigene Gefühl ein Gespür zu bekommen, wie viel Leid man damit zufügt. Dazu braucht es aber kein Kruzifix. Die Welt ist voll mit Realitäten, die diese symbolische Aussage bei Weitem übertreffen.

Es ist nicht zielführend daraus zu schließen, wenn andere leiden ist die Gewähr gegeben, dass das eigene damit nicht in Betracht kommt. Dieser Glaube ist aber im Christentum verankert. Wenn der "Heiland" leidet, muss ich nicht. Dieses Prinzip ist uralt und nennt sich "Sündenbockaberglaube". Dadurch, dass man das Leid auf andere überträgt, wie auf den Sündenbock, in anderen Kulturen auch ein Huhn, oder allgemein die Schuld auf andere und von sich weg weist, dient alles einem Aberglauben: Der andere soll leiden, nicht ich.

Da das im Christentum gang und gäbe ist, ist vor diesem religiösem Gebaren wiederum niemand gefeit. Immer soll der andere büßen; der andere ist der Messias oder eben der, dem man die eigentlich eigene Schuld aufbürdet!

Dieses Verhalten ist archaisch und infantil. Und hat mit wahrer Buße so wenig zu tun wie die Opfergaben an Götter oder Gott mit dem Zweck, ihm im Voraus eine Sühne anzubieten ("schau, ich lass andere leiden, sei doch damit zufrieden und verschone mich deshalb"). Jesus war und ist Opfer dieser Einstellung.

Anstatt diese Erkenntnis umzusetzen, und nie wieder anderen Leid zuzufügen, glaubt der allgemeine Christ, das sei nicht nötig, denn Jesus nimmt ja für alle Zeiten meine Sünden auf sich. Die Sünde ist das eigentlich Perfide und Abstruse: Ich verwende nicht alle Kraft darauf, mich dahingegend zu zügeln, um kein Leid mehr zuzufügen. Im Gegenteil. Indem ich es nicht tue, füge ich sowohl jedem Mitmenschen (auch Mitgeschöpf) Leid zu und bitte den Messias die Schuld von mir zu nehmen. Und delegiere diese Sühne an ihn. Dabei bleibt das Leid, das ich anderen zufüge bestehen, nur das Leid, das ich ja als Sühne zu leisten hätte, erleidet wiederum ein anderer, der Messias. So leiden immer zwei unter meiner Tat, die Unrecht ist.

Und diese Tatsachen den Glauben betreffend sind doch eigentlich viel furchtbarer, findest du nicht? Dass der Mensch, der daran glaubt und dieses Vorgehen für gottgefällig hält, eigentlich vollkommen korrumpiert und mitgefühlslos ist.

Sollte man nicht vor so einem Glauben Abscheu bekommen? Ist dieser Glaube nicht gruselig?

RobinsonCruesoe  22.10.2022, 18:07

Schön geschrieben. Aber leider verfehlt. Immerhin: so dachte ich auch lange Zeit. Und so bleibt das Opfer Jesu für viele in der bequemen Sündenbockpsychologie verhaftet.

Wenn Jesus auf der Guillotine gestorben wäre, dann würde statt des Kreuzes eine Miniguillotine stehen. Ja, mag sein. Aber Jesus starb am Kreuz. Warum? Weil an ihm, dem Lamm Gottes, kein Knochen zerbrochen werden durfte, wie auch am Passahlamm kein Knochen zerbrochen wurde.

Jesus wurde ans Kreuz genagelt wie die Tausenden von Lämmern, von denen jüdische Historiker berichten, daß sie während des Passahfestes ebenfalls an einer kreuzförmigen Konstruktion geheftet wurden.

Darum ist es eben nicht einfach eine Laune der Weltgeschichte, warum Christus am Kreuz starb und nicht etwa enthauptet wurde.

Davon abgesehen, hast Du Recht: viele machen es sich zu einfach und sehen in Jesus einfach den Sündenbock, der unsere Sünden auf sich genommen hat. Ich habe mich selbst lange gefragt, wie man den Tod eines anderen Menschen als Erlösungswerk feiern kann, und es war mir zuwider. Ich wollte dieses Opfer nicht annehmen. Es war mir, wie Du sagtest, infantil.

Nach und nach begriff ich jedoch, daß Jesu Leben eine Vorbildrolle anbietet, eine Blaupause für mein eigenes Leben und das aller Menschen, die an ihn glauben. Worin besteht dieses Vorbild? Es besteht in der bedingungslosen Liebe zu Gott und den Menschen. Diese Liebe bringt Leid; sie wird den Liebenden etwas kosten; denn Liebe ohne Kosten, ohne Leid, ohne persönliche Opfer ist schal. Je höher der eigene Verlust, der eigene Verzicht, das eigene Opfer, das ich für einen anderen erleide, desto größer meine Liebe zu ihm. Alles andere sind Lippenbekenntnisse.

Im Alten Testament opfert Abel den ersten Wurf seiner Herde, ohne zu wissen, ob seine Tiere noch einmal werfen. Das war ein Opfer, auf das Gott wohlgefällig geschaut hat, denn er sah wie sehr Abel ihn liebte. Auf Kains Opfer, der lediglich vom Überfluss seiner Feldfrüchte "geopfert" hatte, schaute er nicht gnädig. Oder denk an die alte Frau in der Synagoge, die im Neuen Testament ihre letzten Münzen und damit ihr gesamtes Vermögen spendet, während alle anderen immer nur einen Teil ihres Vermögens "opfern".

Aber Jesus hat gesagt, "ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben". Und er hinterließ uns das Gebot "Liebt einander". Er sagte also nicht, daß sein Weg darin bestünde, zu leiden, sondern zu lieben. Liebe wird von Leiden begleitet, ja, aber Liebe überwindet auch das Leid. Wie anders würde die Beziehung zu unseren Mitmenschen, unseren Feinden, wenn wir für sie beten und sie der Liebe Gottes anempehlen würden? So ist Jesu Tod zum einen ein Zeichen seiner Liebe, zum anderen ein Geschenk an uns, das uns dabei hilft, uns von der Lieblosigkeit (das ist die Sünde) zu befreien, indem wir daran glauben, dass Liebe mehr vermag als der Haß, zur Überwindung des Todes und zur Auferstehung zum ewigen Mahl Gottes. Somit wird aus einem Zeichen der Hinrichtung das Zeichen der Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen.

LG

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Goldlaub  23.10.2022, 00:24
@RobinsonCruesoe

Kann ich zum Großteil zustimmen. Da aber Jesus` Botschaft die Liebe war, macht ein Kruzifix erst recht keinen Sinn. Und darauf bezog ich meine Darlegung.

Wie ich dich verstehe bist du der Ansicht/des Gaubens, die Kreuzigung war so eine Art Vorsehung, eine nicht zufällige Vorbestimmung. Das macht es wiederum ganz grausam! Generell würde das ja bedeuten, man braucht das Böse, um etwas Gutes überhaupt in die Wege zu leiten! Man muss zuerst Leid erzeugen, um eine Erlösung von ihm zu ermöglichen. Welche "gute" Macht sollte das denn tun? Eine "gute" Macht tut alles, damit kein Leid entsteht, findest du nicht?

Liebe, die gute Macht, tut, erzeugt, impliziert oder arrangiert nichts was im Grunde ja ihr zuwider ist: Leid erzeugen. Das wäre absurd. Jesus Botschaft war die Liebe, die er den Menschen entgegen brachte, durchaus. Und dass sie ebenso von uns aus in der Welt angewendet wird. Da hat kein absichtlich erzeugtes Leid Platz; das wäre satanisch!! Liebe tut niemals etwas Dementsprechendes, was das Christentum von Gott behauptet, aus Liebe bestimmte er das Leid von Jesus.. Mit deiner Ansicht unterstreichst du das Prinzip des Sündenbockes. Bitte sinnier nochmal darüber!

Jesus wurde nicht aus Liebe zur Schöpfung und zu Seinesgleichen gekreuzigt. Er wurde gekreuzigt, weil eben keine Liebe in einer Kreuzigung zugrunde liegt, die ja äußerstes Leid verursacht. Sogar die archaische Ansicht "wen Gott liebt, züchtigt er" ist ja absolut abstrus. Jesus züchtigen?

Ich denke, da liegt das große Missverständnis der Deutung der Kreuzigung. Erlösung ist sinnvoll, wenn damit eine Lösung von der Lieblosigkeit einhergeht. Erlösung von Sünden mindert keine weiteren Sünden, im Gegenteil! Jesus hat das doch perfekt "vorgemacht". Er liebte und gebot, nichts anderes zu tun. Schon bevor er gekreuzigt wurde. Wenn es nichts gebracht hat, dann, weil die Menschen noch nicht seine Liebesfähigkeit ihr eigen nennen konnten/können. Diese Unfähigkeit wird nicht ausgemerzt durch eine Kreuzigung. Nur durch selbstbezogene Hinwendung jedes Einzelnen zum Gebot der Liebe. Buddha brauchte dazu keinen Erlöser und Jesus auch nicht! Was meine ich damit?

Dass der Mensch Jesus das Gebot der Liebe in sich "verwirklichte", ohne dass ein Messias zuvor für ihn gelitten hat. Das ist doch ein logische Tatsache! Bitte nachdenken.

Lass den Glauben, er sei ein mystischer Gottessohn beiseite. Er war ein Mensch, der leiden konnte und Liebe lebte. Das kann jeder Mensch, bzw., das ist seine Botschaft. Er war ein Vorbild als Mensch, nicht als Gottessohn. Da muss man differenzieren um zu verstehen. Nichts anderes. Ansonsten würde er ja sich selbst als "zweigeteiltes" Wesen darum bitten, dass der "andere, göttliche" für ihn, den menschlichen, leidet. Was mein ich: Wenn der Mensch ohne eine "Hilfestellung" eines Messias`nicht so lieben kann, wie ein Gott bzw. Gottessohn, dann kann es der Mensch Jesus (er ist als Mensch nicht anders als du und ich) eben auch nicht und bedarf der Fürbitte seines "anderen" Wesenszuges, dem so genannten göttlichen. Dieses Narrativ wiederum impliziert, dass selbst Jesus, weil er Mensch war, unfähig ist, wirklich als Mensch zu lieben. Und das entspricht ja nicht der Tatsache. Wenn Jesus als Mensch liebte, dann, weil es der Mensch ansich kann. Dies ist sein Vorbildauftrag!

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RobinsonCruesoe  23.10.2022, 00:41
@Goldlaub

"Eine Macht tut alles, damit das Böse nicht entsteht"...ehrlich, das rührt mich. Diese Sehnsucht..Aber Gott gab dem Menschen den freien Willen. Wenn Gott das Böse micht gewollt hätte, dann hätte er dem Menschen micht die Freheit gegeben, für oder gegen die Liebe zu entscheiden. Das ist das Drama unserer Existenz. Unglaublich hart, unser Schicksal. Im Islam heißt es, Allah habe den Steinen angeboten, wie die Menschen zu werden. Die Steine haben abgelehnt mit der Begründung, das sei ihnen zu hart, sie könnten es nicht ertragen

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RobinsonCruesoe  24.10.2022, 10:57
@Goldlaub
Liebe, die gute Macht, tut, erzeugt, impliziert oder arrangiert nichts was im Grunde ja ihr zuwider ist: Leid erzeugen. Das wäre absurd. Jesus Botschaft war die Liebe, die er den Menschen entgegen brachte, durchaus. Und dass sie ebenso von uns aus in der Welt angewendet wird. Da hat kein absichtlich erzeugtes Leid Platz; das wäre satanisch!! Liebe tut niemals etwas Dementsprechendes, was das Christentum von Gott behauptet, aus Liebe bestimmte er das Leid von Jesus.. Mit deiner Ansicht unterstreichst du das Prinzip des Sündenbockes. Bitte sinnier nochmal darüber!

ich habe nirgends behauptet, daß Gott das Leid will. Aber das Leid, verstanden als Einsatz, als Verzicht, als Opfer - you name it - ist Teil der Liebe. Ohne Leid keine Liebe.

Zum Kreuz: Jesus springt für uns in die Bresche, wo wir durch unsere Lieblosigkeit geglänzt haben, d.h. er verwandelt durch seine Liebe (die sich seinem gewaltsamen Ende entspricht) unsere Lieblosigkeit oder Sünde in Liebe. Dadurch erlöst er uns von den Sünden - indem wir zu ihm sagen dürfen, "lieber Herr Jesus, verwandle Du meine Sünde, meine Lieblosigkeit in Liebe". Christus erlöst uns nicht von unseren Sünden, indem er sich vor uns stellt und sagt "ich war's, ich habe nicht geliebt, ich habe gesündigt, ich nehme die verdiente Strafe auf mich!", wie es die Protestanten behaupten. DEnn das hieße ja, daß Christus "zurecht" gekreuzigt worden wäre. Er war aber unschuldig.

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RobinsonCruesoe  24.10.2022, 11:06
@RobinsonCruesoe

P.S. Jesus wird also nicht für unsere Sünden bestraft, das ist die Quintessenz, niemand macht mir ein schlechtes Gewissen, weil er für mich in den Tod gegangen ist. Jesus ist kein Sündenbock! Sondern: für den, der seine Schuld anerkennt und ihn darum bittet, verwandelt er Schuld in Liebe, unser schuldhaftes Leben doch noch in etwas Gutes. Was ist dieses Gute? Das höchste Gut, das er uns schenkt, ist, dass wir von den Toten auferstehen und Gott schauen von Angesicht zu Angesicht.

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Goldlaub  24.10.2022, 12:36
@RobinsonCruesoe

Danke für deine Bereitschaft zu debattieren.

Du widersprichst deiner Auffassung von Liebe, indem du meinst, Liebe gäbe es ohne Leid nicht. Damit verbindest du Liebe mit Leid, quasi so, als dass es ohne Leid keine Liebe gäbe.

Liebe ist die Abwesenheit von Leid. Klar, wer leidet möchte von ihm erlöst sein. Ist er es aber - bleibt da nicht Liebe ohne Leid übrig?

Muss man sündigen, um gerettet zu werden? Nun ja, genauso wie der Ansatz, wer nüchtern werden will, muss sich zuerst besaufen! Du und viele Gläubige gehen davon aus, dass nur ein Messias vor dem Übel - in diesem Beispiel vor dem Rausch - erretten kann. Nein, kann er nicht, genauso wenig wie ein Arzt. Es muss vom Menschen selbst die Initiative kommen; sich davon zu erlösen, Böses zu tun, indem man es einfach nicht tut! Dann wird auch kein Leid in die Welt gesetzt, das dann auch nicht erlöst werden muss!

Ob das was mit der Sehnsucht, dem Wunschdenken und der Überzeugung zu tun hat, man lebe danach ewig ist zweitrangig! Leider ist dieser Glaube oft vorrangig. Da man aber um seine Leidenschaftslosigkeit weiß, sich selbst von allem Bösen fern zu halten, das Leid verursacht, ist der Wunsch dazu größer, als die Bereitschaft sich von dem zu lösen (=erlösen), was in einem selbst immer wieder nach dem Bösen trachtet. Übrig bleibt der Glaube, der Messias richtet das schon.

Mein lieber Freund. Es ist sehr anstrengend und auch leidvoll, man kämpft mit sich und seinen Dämonen, allem Bösen zu entsagen. Nur in diesem Sinn ist die Liebe zum Guten mit Leid verbunden. Doch das ist ein Unterschied, findest du nicht? Der Glaube überlässt diesen "Kampf" dem Erlöser und bürdet ihm somit diese Anstrengun auf. Dies wiederum hat nichts mit Liebe zu ihm zu tun. Man instrumentalisiert ihn geradezu zu einem bequemen Fluchthelfer aus der Konsequenz, die eine böse (sündhafte) Gesinnung nun mal an sich hat. ;-)

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Finde ich nicht gruselig!

Finde ich nicht gruselig, ich bin auch ein Katholik. Aber ich könnte es durchaus verstehen, weil es eine Hinrichtung zeigt

flowerpower203  22.10.2022, 14:34

Oh und zu dem Zugefügten, ja er hat die Sünde genommen weil er uns so sehr liebt, und dass wir überhaupt in den Himmel kommen können. Aber das ist noch lang kein Freibrief, er hat das eher für eine zweite Chance gemacht, aber wenn man das ausnutzt und vorsätzlich sündigt, weil man das ja kann, war man nie ein echter Christ

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Finde ich nicht gruselig!

Ich denke, es kommt darauf an, welche gedanklichen Verbindungen man mit einem Kruzifix hat.

  • Denkt man gleich an ein Marterinstrument.
  • Oder kommt einem als Erstes der Gedanke, wie viel es für mich als gläubigen Menschen bedeutet, dass Jesus am Kreuz gestorben ist.
Finde ich auch gruselig...

Gruselig finde ich das Kruzifix, wenn es als so eine Art Talisman bzw. Glücksbringer oder als angeblichen Schutz verwendet wird.

Finde ich auch gruselig...

Ja klar, wenn man bedenkt, dass das Kreuz eigentlich ein Folterwerkzeug war.
Folterkreuz, Christentum, anbeten, wie verträgt sich das zueinander?

Woher ich das weiß:Hobby – Der Glaube beginnt da, wo das Denken aufhört.