Je schneller man sich bewegt, desto langsamer vergeht die Zeit?

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Hallo Godisdead,

die Formulierung…

Je schneller man sich bewegt, desto langsamer vergeht die Zeit?

…ist…

  • unvollständig, weil Geschwindigkeit relativ ist. d.h., Du immer einen Referenzpunkt (bzw. Referenz-Objekt) O angeben musst, auf den sich Orts- und Geschwindigkeitsangaben beziehen. Auch die Aussage „die Zeit geht langsamer“ ergibt - wenn überhaupt - nur mit einem Vergleich einer Uhr mit einer anderen einen Sinn.
  • missverständlich: Angenommen, Du bewegst Dich relativ zu O mit einer Geschwindigkeit v›, und in O ist eine Uhr positioniert, und Du trägst gleichzeitig eine. „Die Zeit geht langsamer“ könnte nun bedeuten, dass für Dich die O-Uhr langsamer ginge. Es ist aber genau anders herum.

Und darüber hinaus Interpretationssache. GALILEIs Relativitätsprinzip (RP) sagt nämlich aus, dass die Beziehungen zwischen den physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) unabhängig davon, ob man diese auf O oder auf einen Punkt O’ als Referenzpunkt bezieht, relativ zu dem Du stationär bist und sich O mit –v› bewegt. Sitzt Du etwa in einem Zug, kannst Du die Erde als riesiges Laufband interpretieren, mit dem sich quasi alles mitbewegt, nur der Zug nicht.

Elektrodynamik und Lichtgeschwindigkeit

Allerdings sind MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und alles, was daraus folgt, ebenfalls Naturgesetze. Auch der Betrag c der Lichtgeschwindigkeit. Man sagt, Licht bewege sich relativ zu jedem Beobachter gleich schnell, wobei „relativ zu“ impliziert, dass man den Körper als ruhend interpretiert. Interpretiert man ihn als auf die Lichtquelle zu bewegt, ist die Differenzgeschwindigkeit tatsächlich c+v.

Was man sieht

Was zwei relativ zueinander bewegte Beobachter voneinander sehen, ist durch die Verzögerung bestimmt, die schrumpft, wenn sie sich einander nähern, und wächst, wenn sie sich voneinander entfernen. Im ersten Fall sehen sie sich gegenseitig im Zeitraffer, im zweiten in Zeitlupe.

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Ob also Deine oder die andere Uhr „wirklich“ langsamer geht, ist, wie gesagt, Interpretationssache. Das scheint widersprüchlich (Stichwort: Zwillingsparadoxon), ist es aber in Wahrheit nicht. Die „Zeitdilatation“ ist nur ein Nebeneffekt der…

Relativität der Gleichzeitigkeit

Im Augenblick der Vorbeifahrt an einem kleinen Bahnhof, an dem der Zug nicht hält, siehst Du zwei Lichtsignale von Signalgebern aufblitzen, von denen Du weißt, dass sie gleich weit von der Stelle entfernt sind, an der Du gerade vorbeikommst.

Siehst Du den Bahnhof als festen Ort an, musst Du die Signale als gleichzeitig emittiert interpretieren. Dabei sieht der Signalgeber vor Dir etwas weiter weg aus, und das hinter Dir wirkt etwas näher, was Du der Aberration des Lichts zuschreibst.

Siehst Du die Erde als riesiges Laufband an, so bewegt sich der Signalgeber vor Dir auf Dich zu und der hinter Dir von Dir weg. Der vordere muss also beim Aufblitzen weiter weg gewesen sein und sieht deshalb weiter weg aus. Dafür muss er früher aufgeblitzt sein als der hinter Dir, weil das Licht einen längeren Weg hatte.

Raumzeit

Am besten stellt man sich die Zeit nicht als etwas vor, das „vergeht“, sondern als eine Vorwärtsrichtung in der Raumzeit, zu der Zeit und Raum zusammenzufassen sind. Das ergibt auch Sinn - schließlich musst Du bei einer Verabredung ja auch Ort und Zeitpunkt des Treffens vereinbaren. Dies ist ein Beispiel für ein Ereignis. Die „Spur“ eines (physischen) Punktes durch die Raumzeit heißt Weltlinie.

Die Raumzeit lässt sich alternativ zueinander durch Koordinatensysteme mit ggf. verschiedenen Vorwärtsrichtungen, z.B. Σ (mit ortsfestem O) und Σ’ (mit ortsfestem O’) kartographieren. Daraus ergeben sich zwei prinzipiell unterschiedliche Zeitbegriffe:

  • die Eigenzeit τ bzw. Δτ (Zeitspanne zwischen zwei Ereignissen) ist die Zeit, die eine mitgeführte Uhr misst, und
  • die Koordinatenzeit t bzw. Δt (Zeitspanne zwischen zwei Ereignissen) wird durch eine relativ zu O ortsfeste Uhr gemessen bzw. berechnet, denn man muss die Verzögerungen durch die endliche Lichtgeschwindigkeit einkalkulieren.

Dabei ist Δτ so etwas wie eine Weglänge entlang der Weltlinie eines beliebig bewegten Körpers. Sie ist absolut, wie die Länge einer auf ein Blatt Papier gezeichnete Linie, über die man ggf. eine Folie mit aufgezeichneten Koordinatensystem legen kann. Wie man die dann dreht, ist der Linie egal.

Längen und Abstände

Wie man zwischen Σ und Σ’ umzurechnen hat, hängt davon ab, wie in der Raumzeit absolute Abstände definiert sind. In einem t=const.- Raum, der durch ein Koordinatensystem S oder durch ein gegen S gedrehtes Koordinatensystem S° kartographiert ist, sind sie ja durch

(1)  Δs = √{‹Δs|Δs›} = √{Δx² + Δy² + Δz²} ≡ √{Δx°² + Δy°² + Δz°²}

gegeben, wobei ‹Δs|Δs› das Skalarprodukt der Verschiebung Δs› mit sich selbst ist. In der Raumzeit sind natürlich räumliche und zeitliche Abstände zu unterscheiden.

In der NEWTON-Version der Klassischen Mechanik ist einfach Δτ≡Δt≡Δt’ der absolute Abstand für nicht gleichzeitige Ereignisse, und Δs(t=const.) ist der absolute räumliche Abstand für gleichzeitige Ereignisse. Eine Umrechnung zwischen Σ und Σ’ ist da eine Art Scherung, die GALILEI-Transformation.

Die lassen aber nicht c unverändert. Aus der Forderung, dass c invariant sein soll, ergibt sich die Abstandsdefinition nach MINKOWSKI, dem zeitartigen Abstand

(2.1)  Δτ = √{Δt² – ‹Δs|Δs›/c²} ≡ √{Δt’² – ‹Δs’|Δs’›/c²,    Δs < cΔt,

respektive dem raumartigen Abstand

(2.2)  Δς = √{‹Δs|Δs› – c²Δt²} ≡√{‹Δs’|Δs’› – c²Δt’²},    Δs > cΔt,

der die Gleichzeitigkeit der NEWTON’schen Physik ersetzt. Gleichzeitig im engeren Sinne sind in Σ Ereignisse mit Δt=0, für die aber Δt’=vΔx’/c² ist, mit der x-Richtung als Bewegungsrichtung, und in Σ’ natürlich solche mit Δt’=0, also Δt=-vΔx/c².

Der Grenzfall Δs=cΔt wird aus gutem Grund lichtartig genannt. In diesem Fall ist auch Δs’=cΔt’, also, was sich relativ zu O mit c bewegt, das bewegt sich auch relativ zu O’ mit c und umgekehrt, wie es das RP in Anwendung auf MAXWELL fordert.

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Ein Wort zur „Zeitdilatation“

Ich verwende das nur in Anführungszeichen, denn es ist total irreführend. Bei zwei Salamis gleicher Länge L, die in einem Winkel θ nebeneinander liegen, ist die Ausdehnung jeder Salami in Längsrichtung der anderen nur L·cos(θ). Kein Mensch käme darauf, das etwa „Längenkontraktion“ zu nennen.

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Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
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Die Minkowksi Metrik der Relativitätstheorie ist

ds^2 = c^2dt^2 - dx^2 - dy^2 - dz^2.

ds/c ist die Eigenzeit (auf der linken Seite), also setzt sich diese aus einem zeitlichen Teil dt und den drei räumlichen Bewegungen in x, y und z Richtung zusammen.

Dies hat die Struktur des Satzes von Pythagoras, gehört aber so durch die Lorentzinvarianz zum Fundamentum der Relativitätstheorie.

Was man hier leicht herauslesen kann, ist folgendes:

Wenn man sich im Raum nicht bewegt, also dx=dy=dz=0 ist, dann ist ds = c * dt, die Eigenzeit ist also maximal, für einen ruhenden Körper, also etwa einen im eigenen Bezugssystem, vergeht die Zeit maximal lang. Für einen mit Lichtgeschwindigkeit reisenden Körper ist dx^2 + dy^2 + dz^2 = c^2 * dt^2 und damit wird die Eigenzeit 0, für einen mit Lichtgeschwindigkeit reisenden Körper vergeht also keine Zeit. Etwas salopp formuliert: Je schneller man sich durch den Raum bewegt, desto langsamer bewegt man sich durch die Zeit und umgekehrt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
grtgrt  02.08.2018, 15:32

Das ist richtig, aber auch irreführend, denn:

dt in diesem Sinne ist ein rein technisch definierter Abstandsbegriff. Wie er sich denn nun genau zu der Zeit verhält, die uns vergeht in dem Sinne, dass sie uns altern (und Atomuhren "ticken") lässt, ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Kurt Gödel, der 1949 in gewissen Modellen der Raumzeit Zyklen nachweisen konnte, war der Meinung, dass diese beiden Zeitbegriffe nicht dieselben sein können.

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Hallo,

Die Zeit ist lokal abhängig vom jeweiligen Initial-(Bezugs-)system, d.h. für dich vergeht sie immer gleich schnell, ganz egal mit welcher Geschwindigkeit du dich bewegst.

Für einen außenstehenden Beobachter ist das anders: stell dir Zeit und Geschwindigkeit als Vektor vor. Bei v=0 vergeht die Zeit maximal schnell, bei v=LG ist sie maximal langsam, nämlich null. Deine derzeitige Geschwindigkeit ist von v=0 nicht sehr verschieden, womit der Ablauf der Zeit nahe dem Maximum liegt.

Aber was ist Zeit - wie kann man das visualisieren?

Letztlich ist Zeit Veränderung, was man auch als Bewegung von Teilchen interpretieren kann. Teilchen haben bei v=0 die geringste Masse, die durch steigende Geschwindigkeit wächst und eine große Masse reagiert nun mal sehr viel träger als eine leichte. Wenn du also Teilchen nahe LG beschleunigst, dann haben sie sehr große Masse, die sich entsprechend träge, also langsam verändern läßt.

Diese Betrachtung ist nicht korrekt, aber sie scheint mir eine gute Vorstellung zu ermöglichen.

Schönen Gruß

Es ist egal wie schnell man sich bewegt oder ob man sich überhaupt bewegt, die Zeit vergeht für denjenigen immer gleich schnell, er altert also nicht schneller oder langsamer. Aber von einem Bezugssystem aus gesehen (z.B. der Erde gegenüber eines sich sehr schnell fliegendem Raumschiff) würde die Zeit im sich bewegenden Raumschiff langsamer vergehen und umgekehrt für den Reisenden im Raumschiff die Zeit auf der Erde schneller. Das ganze muss man also immer in Relation sehen zu einem Bezugssystem. Aber für jeden Einzelnen vergeht die Zeit immer gleich schnell, egal ob er sich schnell, langsam oder garnicht bewegt bewegt.

Das Phänomen tritt doch erst messbar bei Geschwindigkeiten über 10% Lichtgeschwindigkeit auf, wobei so richtig deutlich es erst über 99,5 % wird (bei 10% - 90% auch noch vernachlässigbar).

Also ist es in der Praxis so, dass egal mit welcher Geschwindigkeit du dich bewegst (weil eben sich niemand mit mehr als 10% Lichtgeschw. bewegen kann). Wenn du dann wieder zur Ruhe kommst ist die vergangene Zeit die gleiche wie wenn du komplett in Ruhe geblieben wärst.