"Der Sandmann" von E.T.A. Hoffmamn?

4 Antworten

Was man in deinem Schulunterricht erwartet, weiß ich nicht.

Es gibt längst eine ganze Bibliothek mit Büchern voller Deutungen dieses genialen Werkes, nach der von Napoleon erlösenden Schlacht von Waterloo und dem Wiener Kongress veröffentlicht wurde:

Der neue kriegslüsterne Kaiser in Europa wurde doch noch vorher besiegt und verschwand zunächst zwangsweise auf die Insel Elba. Die Übriggebliebenen wollten die Vergangenheit wiederherstellen. Aber er kam wieder nach Paris. Im heutigen Belgien fand jene Entscheidungsschlacht statt, der Kaiser nicht mehr von Frankreich unterlag und wurde schließlich in die Mitte eines Weltmeeres auf ein Nimmerwiedersehen verfrachtet - auf die Insel St. Helena. Warum tötete man ihn nicht einfach?

In dieser Zeit entstand das geniale Werk des Paradoxen. Da kann nichts romantisch, gar idyllisch sein, alles roch nach Grauen und Tod. Aber die Liebe zwischen einzelnen Menschen, die hörte nicht auf zu sein. Dieses Gefühl sprengte auch damals die Vernunftehen, die aufgrund des gesellschaftlichen Standes und des Vermögens der betreffenden Familien des Brautpaares als beste Ehen beurteilt wurden. Man spielte Liebe vor, damit es zur kirchlich doch wichtigen Trauung kam. Und diejenigen, die sich liebten, wurden als der Ehe unwürdig getrennt. Man blendete, wo man nur konnte.

All das musste vielen jungen, noch nicht angepassten Menschen wie ein Schauermärchen schlimmster Art erscheinen. So wurde in Hoffmanns Erzählung die weibliche Maschine durch Verblendung zum Liebesobjekt des Mannes. So wurde der ehrenwerte Advokat zum teuflischen Räuber der Augen der jungen Männer natürlich, nicht der Frauen, die ja Eigentum des Vaters und des Ehemanns waren, damit sie die schändliche Wahrheit der Erwachsenen nicht sehen (S. Freud schrieb vom Symbol für den männlichen Kastrationskomplex) können. So will die männliche Hauptfigur aber seine Welt nicht zu sehen haben, er will etwas sehen, was andere niemals sehen - dürfen. Sein Sprung in den Tod ist sein Schritt in die Wahrheit, den er in seiner steig gestiegenen geistigen Verwirrtheit mit dem Sprung in das neue Leben verwechseln musste. Mut hatte er, doch er sah den richtigen Weg nicht, weil ihm der Verstand geraubt wurde...

Lies dieses Schauermärchen so oft du nur kannst, fühle mit den Hauptfiguren mit, versetze dich in ihre Lage, in diese Mischung aus Liebe und Hass, aus Gewalt und Zärtlichkeit, aus Lüge und Wahrheit, aus Angst und Mut über seine Grenzen hinaus zu gehen. Irgendwann wirst du Botschaften dieses Werkes mitempfinden, nicht verstehen, weil sie alle widersinnig (paradox) sind...

"Liebe macht blind", nach dem antik-griechischen Philosophen Platon: Und da gab es eine junge Frau, die ihren Ex-Freund wiedergewinnen wollte, deshalb hat sie ihn in ihrem Wahn - zu töten versucht.

Unsere Deutschlehrerin meinte, dass das eine Kritik an der Romantik ist, obwohl der Autor selbst ein Romantiker war. In welchem Kontext genau, weiß ich aber nicht mehr. Hab Ferien, also ist groß über Schule und Unterricht nachzudenken bis nächste Woche nach tabu lmao

Ein Kunstwerk muss nicht immer eine "zentrale Aussage" haben. Die Frage "was will der Autor damit sagen" lässt sich oft gar nicht so richtig anwenden. Sonst müsste man ja gar keine Geschichte schreiben, sondern könnte einfach sagen was man sagen will und alle hätten weniger Arbeit. Eher ist es so dass Probleme aufgeworfen, Fragen gestellt und Verbindungen aufgezeigt werden. Der Sandmann ist ein super vielschichtiger Text mit vielen Details die man nie alle so perfekt zusammenbringen kann, dass alles Sinn ergibt. Das ist das Gute an einem solchen Text.

Der Ausgangspunkt ist beim Sandmann so eine Art science-fiction-Idee: Was wäre, wenn die Wissenschaft einmal so ausgereift ist, dass sie einen Automaten erzeugt, der nicht mehr von einem Menschen zu unterscheiden ist? Das ist ja eine Frage, die heutzutage auch noch massenweise in Büchern verarbeitet wird. Das Reizvolle (und typisch spätromantische) an Hoffmanns Art dieses Problem zu betrachten, ist die Vermischung der wissenschaftlichen/kühlen/automatischen und der fantastisch/magisch/wahnsinnigen Elemente. Das ist ja eigentlich ein Gegensatz: Naturwissenschaft ist rational und genau usw. und Fantasie ist ungenau, unkontrollierbar, irrational. Bei Hoffmann werden diese beiden Sachen aber oft miteinander verbunden: z.b. ist das Fernrohr ein technischer Apparat, aber Nathanael sieht durch das Fernrohr die Puppe Olimpia als echte Frau. Es geht also darum, was eigentlich die Grenzen zwischen Mensch und Maschine sind und wo sie verwischen. Letztendlich ist die Technik für Nathanael eine Art Tor zur Fantasie oder zum Wahnsinn. Da spielt auch mit rein, dass Nathanael, weil er sich nicht mit der realen Clara abgeben will, seine erotischen Fantasien in diese Puppe projeziert, quasi als die ideale, konstruierte Frau, und dass er dadurch wahnsinnig wird, dass dieses Idealbild sich als Schein herausstellt, bzw. dann brutal zerstört wird.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Hey, ich hatte das vor ein paar Monaten in der Schule. Der Autor kritisiert die Gesellschaft in seinem Werk sehr stark. Zum Beispiel in Hinblick darauf dass niemand merkt dass Olimpia kein Mensch, sondern ein Automat ist.

RammWild  18.04.2022, 20:40

Aber die Leute merken es ja, es bemerkt ja nur Nathanael nicht. Auf dem Fest machen sich ja Freunde von ihm darüber lustig, dass er mit ihr tanzt und so

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