der Gott der Stadt (Georg Heym)?

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Die Stürme flattern, die wie Geier schauen von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.

Flattern tun normalerweise nur was? Fahnen und Vögel. Vögel flattern, wenn sie nicht locker fliegen können - sie bewegen also schnell und angestrengt ihre Flügel: Wenn ein Raubtier sich nähert, flattern die Vögel aufgeregt weg.

Und Fahnen flattern im Wind, wehen also hin und her, wenn der Wind heftig weht.

Witzigerweise flattert bei Heym auch der Wind! Genauer: Die Stürme. Das ist also kein präziser metereologischer Ausdruck, sondern ein bildhafter Vergleich, eine Metapher: Die Stürme wehen nicht ruhig, sondern wild hin und her - wie Vögel in Angst, oder wie Fahnen am Mast.

Und die Stürme schauen - das tun Stürme normalerweise auch nicht. Also wieder eine Metapher: Die Stürme stecken irgendwie im Haar auf dem Kopf (= auf dem Haupt, daher: Haupthaar) des "Gottes der Stadt".

Und aus diesem Haar schauen die Stürme heraus, irgendwohin - vieleicht schauen sie, wohin sie bald flattern könnten - und irgendetwas zerstören könnten: Denn die Stürme schauen wie die Geier - und Geier gelten als gierig, sie wollen immer etwas fressen, etwas abnagen, etwas zerstören.

Und was macht das Haar des Gottes der Stadt dabei? Es sträubt sich im Zorn. Es richtet sich also auf, statt ruhig dazuliegen, so wie bei einem Menschen, der in Wut gerät: Dem stehen auch sprichwörtlich die Haare zu Berge - also hoch in die Luft!

Wir wissen nicht, worauf der Gott wütend ist, worauf er zornig ist. Aber vielleicht auf das, was schon in Zeile 2 und 3 steht:

Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit
Die letzten Häuser in das Land verirrn.

Vielleicht will er diese letzten Häuser (auch noch?) zerstören?

Davor steht auch schon, dass die Winde auf dem Kopf des Gottes der Stadt warten:

Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.
Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.

Gruß aus Berlin, Gerd

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Magister Amerikanistik, Journalist, Buchautor, Lektor