Degenerierte Gesellschaft?

11 Antworten

Degeneriert? Nein, halte ich für Unsinn, und auf kleiner sowie großer Ebene sind Menschen und Institutionen nicht großartig schlechter als früher. In mancher Hinsicht hat sich viel gebessert, etwa im Bezug auf Toleranz und Akzeptanz von Minderheiten.

Ich hab nur das Gefühl, dass es einen zu starken Drang dazu gibt zu denken, dass die Gemeinschaft nicht wichtig wäre, und man nichts für sie tun müsse. Mir gehts hier nicht um die Jugend,die ist generell sicher wie sie immer war. Ich denk daran, dass man scheinbar Steuern mittlerweile stärker als Diebstahl wahr nimmt, als früher, was Quatsch ist. Dass man stärker versucht alles schlecht zu reden, was für die Allgemeinheit, und damit auch für die sozial Schwächeren, ist. Ich hab dasGefühl, wenn jemand heute mit der Idee für von Steuern getragenen Kindergärten oder öffentlichen Bibliotheken käme, dass Leute überall rumkeifen würden, wieso man für Andere zahlen soll.

Wir sind als Gemeinschaft stark geworden, und sind am stärksten, wenn wir Schwächeren helfen, und sie auffangen. Aber es scheint, als ginge diese kaputte Idee vom Self-Made-Men zu sehr um, von diesen Leuten die behaupten, sie hätten alles allein geschafft. Was völliger Blödsinn ist. Jeder hatte die Hilfe durch Eltern und Erzieher, durch Lehrer und Verwandte. Jeder, inklusive Multimillionäre, haben Freunde die unterstützen. Jeder hat Hilfe. Jeder braucht Hilfe.

Das hier, das soziale, scheint mir verloren zu gehen. Dass es nicht nur Geld ist, um das es geht.

Vielleicht übertreib ich eh. Es wirkt halt so auf mich.

Nein eher nicht. Früher war vieles Sogar schlimmer. Kinder mit Autismus, Legasthenie, Adhs , Lernschwäche wurden einfach als dumm abgestempelt und nicht gefördert.

Menschen mit anderen Religionen wurden lange nicht mal toleriert. Nicht nur hier

Bis 1958 hatten Frauen hier kaum Rechte. Sie durften ohne Erlaubnis des Mannes weder arbeiten noch ein Konto haben und wenn Sie arbeiten gingen verwaltete der Mann ihren Lohn. Zudem ging ihr Besitz bei einer Hochzeit auf den Mann über. Erst in den späten 70 ziger Jahren hatte Frauen hier alle Rechte.

Homosexuelle wurde auch nicht akzeptiert.

Umweltschutz wurden auch weniger groß geschrieben oft wurden Umweltschützer sogar als seltsame Spinner belächelt. Es interessierte keinen dass zb Abwässer ungeklärt in den Rhein und andere Flüsse geleitet wurden.

Mit Tieren wurde oft auch schlechter umgegangen zb in Filmen und Serien .Flipper zum Beispiel.

Alle Delfine die Flipper spielten waren gefangene Tiere die wenig gefüttert wurden damit sie für Fische alles taten. Die letzten beiden verendeten jämmerlich. Einer legte sich mit blasen übersät in die Arme des Trainers hörte auf zu atmen und starb. Der letzte wurde als der Rummel nachlies an einem Wanderzirkus verkauft und starb an einer Lungenentzündung. Das veranlasste den Trainer sich gegen Delfine in Gefangenschaft auszusprechen und anfangs wurde er nur ausgelacht.

Die Kindersterblichkeit war nie so gering wie heute.

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war es noch schlimmer.

Im Mittelalter galt eine Frau als heiratsfähig sobald sie Kinder zeugen konnte also Periode hatte. Das war oft schon mit 11 oder 12 Jahren. Da wurde nicht gefragt ob sie wollte. Frauen hatten den Mund zu halten und sich zu fügen. Es wurde so gut wie nie aus Liebe geheiratet. Allgemein wurde das Volk unterdrückt. Frauen noch mehr. Ehen hielten nicht aus Liebe sondern weil Frauen keine Wahl hatten.

Sogar sissi wurde regelrecht verkauft. Sie selbst sagte zur Ehe " Die Ehe ist eine widersinnige Einrichtung. Als 15 jähriges kind tut man einen Schwur den man nicht versteht und dann 30 Jahre und länger bereut und nicht mehr lösen kann.

Vor zb der französischen Revolution war es in Frankreich und nicht nur da extrem mit der Ausbeutung und Unterdrückung des Volkes sogar der Soldaten. Darum kam es ja zur Revolution und der König wurde gestürzt.

In Rumänien gab es noch bis 1989 eine extreme Diktatur. Das Volk wurde unterdrückt und ausgebeutet von ceaucescu. Er wurde vom Volk gestürzt. Das habe ich sogar im Fernsehen gesehen

Früher war längst nicht alles besser.

Ja und Nein.

Es gibt zunächst einen um sich greifenden Drang zum Egoismus. Viele kümmert es nicht mehr, was "weiter weg" passiert und es ist für viele auch cool, sich nur um sich selbst zu sorgen.

Was zudem um sich greift ist eine gewisse Masse an Menschen, die sich von Hetzern verführen lassen. Sie lassen sich einreden, dass so etwas wie Menschenrechte oder auch der Respekt vor anderen, eine Art Krankheit sei. Mit geflügelten Worten wie "Wokeness" und "Links grün versifft" führen sie eine Art Kampf gegen solche Grundwerte. Hetzer nutzen das aus und reden ihnen sehr abstruse Dinge ein oder missbrauchen sie für niedere Zwecke.

Ein gutes Beispiel dafür ist der Sturm aufs Kapitol. Eine Masse an Menschen, aufgehetzt von rechtsextremen Hetzern und einem unterlegenen Präsidenten versuchte, die Demokratie zu verteidigen (aus ihrer Sicht), machte aber das exakte Gegenteil.

Es gibt mehrere Ansätze, warum so etwas passiert. Ein Ansatz ist, dass sich vieles immer wellenartig ausbreitet. Wenn also eine Entwicklung zu sehr in die eine Richtung geht, dann gibt es eine Art Reaktion. Ich halte von dem Ansatz eigentlich nicht so viel. Wir hatten ja basierend auf diesen rechten Ansätzen Dinge wie Weltkriege und Atombombe hinter uns. Wir wissen als Menschen, wie schlimm das alles ist, wieder in solche Zeiten mit Imperialismus und Co zurückzufallen. Dass wir gewissen Grundwerten wie Menschenrechten hohen Stellenwert einräumen sollten, das wissen wir.

Ich denke eher, dass es zum einen vielen Menschen einfach viel zu gut geht. Das klingt paradox, aber ein Mensch, der wenig bis nichts hat, der hat auch keine Verlustängste. Was kann man ihm denn nehmen, außer das Leben selbst? Wovon aber niemand wirklich hierzulande bedroht ist. Wenn aber ein gewisser sozialer Status erreicht wird, dann - und da sind wir beim Egoismus - hat man Angst, etwas zu verlieren. Sei es den guten Job oder irgendwas anderes, was man einfach behalten will. Genau in diese Kerbe schlagen seit über einem bis zwei Jahrzehnten "neue Rechte". Sie erfinden solche Ängste. Sie reden es den Menschen ein.

Das ist wie bei alten Propheten in der Frühgeschichte der Menschheit. Die haben auch eine Sternschnuppe als Zeichen irgendeiner Macht gedeutet. So deuten auch die Hetzer irgendein Detail, irgendeinen einzelnen Vorfall so, als sei der Untergang nahe. Viele Menschen glauben ihnen das dann. Sie sehen ja dieses einzelne Zeichen. Sie sehen irgendeinen Experten, der irgendwelche schlechte Wirtschaftsdaten verkündet. Und schon lassen sie sich einen drohenden Untergang erfolgreich einreden.

Wir Menschen sind so gestrickt, dass alles, was wir direkt sofort neben uns haben, auch viel wichtiger ist, als alles, was ewig weit weg ist. Der Krieg in Afghanistan, der hat uns kaum interessiert. Aber der Krieg in der Ukraine, der ist plötzlich deutlich näher. Der interessiert uns sehr viel mehr. Das, was in einem Nachbardorf passiert, interessiert uns noch viel eher usw. Hetzer wandeln das dann um und reden jedem ein, er wäre von schlechten Dingen sofort persönlich betroffen.

Doch was lässt einen hoffen? Wann immer Katastrophen passieren, ist dennoch der erste Reflex bei uns, zu helfen. Das haben wir im eigenen Land gesehen (Ahrtal), das sehen wir bis heute bei der Mehrheit der Menschen, die der Ukraine helfen wollen. Sogar im AfD-Lager wollen viele, dass einfach Frieden herrscht. Sie sind halt verblendet und lassen sich von absurder Russen-Propaganda der Rechtsradikalen massivst verwirren, wie das zu erreichen wäre und wer Schuld wäre.

Mein Fazit: Das Schlechte hat es schon immer gegeben. Dass solche wie Neonazi Putin, Trump, AfD usw. mehr Erfolg haben, liegt für mich weniger darin, dass es das früher nicht gab. Es liegt darin, dass sie eine völlig andere Strategie fahren als noch vor vielen Jahren. Sie schaffen, die Massen massiv zu verwirren mit teils abenteuerlichen Lügen. Die Gesellschaft verliert die moralischen Werte nicht wirklich, sie wird nur irregeleitet von solchen Hetzern. Diese Leute wollen ja eigentlich das Richtige, aber sie wählen den völlig falschen Weg, der weg führt von den edlen Zielen wie Frieden und nicht den Weg, der hinführt.


ZionsDaughter  07.09.2023, 18:15

Interessante Ausführungen, danke.

Nein, degeneriert ist da nichts, ich finde nur, dass heutzutage aus zu vielen Dingen ein Drama gemacht wird. Zum Beispiel "Gendern" oder "zwei Geschlechter oder drei?", klar kann man drüber diskutieren, aber mit welcher Vehemenz da manchmal gestritten wird, verwundert mich. Um unwichtige Dinge wird oft hart gestritten, aber bei einigen wichtigen Themen wird lieber weggeschaut (alles gar nicht so wild).

Manchmal fehlt etwas französische oder italienische Gelassenheit - aber vielleicht muss das auch sein, immerhin gehörte/gehört das auch zur deutschen Kunst (die Dramatik)...

"Traft ihr das Schiff im Meere an? Blutrot die Segel, schwarz der Mast?"