Chancengleichheit in Deutschland?

5 Antworten

Das Bildungssystem an sich finde ich im Normalfall nicht wirklich ungerecht.

Jedes Kind hat die Möglichkeit kostenlos an Lehrmittel zu kommen, wenn die Eltern nicht genug Geld haben und die Busfahrkarten sind ebenfalls gratis.

Was vielmehr eine Rolle spielt, ist der Bildungsstand der Eltern. Kinder von Akademiker werden zum größten Teil selbst später Akademiker. Es spielt also vielmehr eine Rolle, in welchem Umfeld man groß wird bzw wie sehr deine Eltern dich geistig fördern können.

Die Situation während Corona war allerdings nochmal was anderes, weil dort arme Familien stark benachteiligt waren. Nicht jeder kann sich Tablets für 3 Kinder leisten

Saftpresse20 
Fragesteller
 03.04.2023, 11:31

Zum Thema Technik: Zuhause hatten wir lediglich einen einzigen Rechner, den wir (natürlich) nicht mit in die Schule mitnehmen konnten.

In der Schule hatten wir oft Referate, und um die PowerPoint-Präsentationen vorzustellen, haben wir ein Laptop o.Ä. benötigt. Das Problem: wir hatten weder einen Laptop noch ein Tablet, also musste ich Gebrauch von den Technikgeräten unserer Schule nehmen, nur das diese nicht funktionsfähig waren (habe alle freistehenden Computer ausgeliehen und nacheinander getestet).

Ende der Geschichte, habe Punktabzüge aufgrund des oben genannten Punktes bekommen.

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Das Bildungssystem ist in Deutschland sehr gerecht. Egal aus welcher sozialen Schicht man kommt, man hat keinerlei Unterschiede in den Ccancen einen Abschluss zu erreichen.

ABER:

Das Elternhaus spielt auch eine erhebliche Rolle. Und hier merkt man schon deutlich, dass Personen aus sozial schwachen Familien auch im Bildungssystem meist schwach performen.

Das Beste Beispiel ist der Ausländeranteil zwischen Realschule und Gymnasium. Hier merkt man deutlich, dass das Elternhaus eine große Rolle spielt.

Saftpresse20 
Fragesteller
 03.04.2023, 11:42

Eine Bekannte von mir stammt aus einer Hartz 4 Familie (bestehend aus alleinstehender Mutter und fünf Kindern, alle Kinder Hauptschule).

Sie (Bekannte) musste sehr früh in die Förderschule, obwohl sie keinen 'dummen' Eindruck machte. Später war sie dann auf der Hauptschule, dort war sie Klassenbeste (1er Schnitt), gleich darauf durfte sie aufs Gymnasium, wo sie das Abitur ebenfalls mit einem 1er-Schnitt bestand.

Ich kenne mehrere solcher Fälle, und da stelle ich mir die Frage, woran es liegt, dass ein intelligentes Mädchen auf eine Förderschule geschickt wird? Liegt es am sozialen Hintergrund?

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guitarbassman  03.04.2023, 12:01

Ich sehe in gewisser Weise einen Widerspruch zwischen dem ersten Absatz und dem folgenden Text. Wenn das Elternhaus eine so große Rolle spielt, ist es doch kein gerechtes System, oder wo liegt hierbei mein Denkfehler...?

Egal aus welcher sozialen Schicht man kommt, man hat keinerlei Unterschiede in den Ccancen einen Abschluss zu erreichen.

Dem würde ich klar widersprechen, jegliche Studien zeigen, dass Kinder aus Akademikerhaushalten eine weitaus höhere Chance haben, einen höheren Schulabschluss zu erreichen - und zwar ohne dass hierbei Intelligenz eine Rolle spielt.

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Rolajamo  03.04.2023, 12:05
@guitarbassman

Der Punkt ist, dass dieser Ungleichheit nicht am Bildungssystem liegt, sondern an den Familien.

Ich empfinde unser Bildungssystem als sehr gerecht.

Aber in die Erziehung kann der Staat halt nur bedingt eingreifen. Und wenn Kindern daheim nicht geholfen wird, kein Deutsch gesprochen wird und nicht gefördert werden, dann wirkt sich das natürlich auch auf die Bildung aus.

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guitarbassman  03.04.2023, 12:44
@Rolajamo

Wie soll Kindern daheim geholfen werden...? Wie sollen Eltern mit Realschulabschluss dem Kind am Gymnasium bei den Mathehausaufgaben helfen? Die Diskrepanz in den Kompetenzen zwischen den beiden Schularten liegt bei gleicher Klassenstufe teils 3 Jahre auseinander, das bedeutet selbst bei Matheaufgaben am Gymnasium der 8. Klasse können Eltern kaum noch helfen sofern sie selbst nicht am Gymnasium waren.

Stichwort deutsch sprechen: am meisten benachteiligt sind Kinder aus migrierten Familien der ersten Generation. Das sind Familien, in denen ALLE die Sprache lernen. Wie sollen die Eltern, die selbst nicht fehlerfrei deutsch sprechen können, die Sprachkompetenzen der Kinder fördern? Ich garantiere dir - denn dieses migrationskritische Narrativ scheint weit verbreitet zu sein: weder du noch irgendjemand anderes würde mit dem Kind in einem neuen Land, ohne die neue Sprache selbst fehlerfrei zu beherrschen, die neue Sprache zuhause sprechen. Neben der eigenen Unsicherheit, Fehler zu machen, möchte man auch den Kindern nichts falsches beibringen. Dazu kommt oft psychischer Druck, wenn man allmählich merkt, das Kind - welches die Schule besucht - spricht weitaus besser deutsch als man selbst. Da folgen innerliche Konflikte, weil man sich dumm vorkommt, unfähig, man fragt sich was man falsch macht, was das Selbstbewusstsein weiter schmälert und dazu führt, dass man noch unsicherer wird in der Sprache. Ich würde mir wünschen, dass all die deutschen, die immer meinen alles über Migration zu verstehen und ständig mit Vorwürfen um sich schmeißen wie falsch die doch alles machen einfach nur einmal in den Dialog mit verschiedenen Menschen treten würden, die unterschiedliche Migrationserfahrungen gesammelt haben. Einfach um zu verstehen, was Migration wirklich bedeutet, denn eines ist sicher: die meisten können sich das nicht einmal ansatzweise vorstellen.

Dazu kommen systemische Komponenten. Bei gleichem Leistungsstand (!) bekommen Kinder am ehesten eine Gymnasialempfehlung in der Grundschule, die aus einem deutschen, akademischen Elternhaus kommen. Auch hierzu gibt es Studien. Sowohl die soziale Herkunft als auch die nationale spielen hierbei eine Rolle, und das, obwohl ein Kind genau die gleiche Leistung zeigt wie ein anderes. Die Empfehlung hängt also eher von den Eltern als vom Kind ab. Ist das gerecht...? Alleinerziehende Eltern haben es hier beispielsweise sehr schwer, ihnen wird nicht zugetraut, dass sie ihre Kinder am Gymnasium ausreichend unterstützen können. Das gleiche gilt eben für zugewanderte Eltern oder schlicht Eltern, die selbst nicht am Gymnasium waren. Und das bei GLEICHER Leistung der Kinder... Also ich finde das skandalös und kann ein solches System nicht als fair und gerecht bewerten. Wir reproduzieren schlicht Bildungs- und Einkommensreichtum mit unserem System, welches jegliche Studien als ungerecht erachten und reproduzieren ebenso Armut und Bildungsferne.

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Chancengleichheit in Deutschland?
Welchen Einfluss hat der soziale Hintergrund auf das spätere Leben?

Die soziale Herkunft entscheidet immer noch über Chancen in der Bildungskarriere – aber: Die Situation bessert sich (langsam)

https://www.news4teachers.de/2018/10/die-soziale-herkunft-entscheidet-immer-noch-ueber-chancen-in-der-bildungskarriere-aber-die-situation-bessert-sich-langsam/

Als wie 'ungerecht' empfindet ihr das deutsche Bildungssystem?

Ohne Nachhilfe geht fast nichts mehr in der Schule

Wie steht ihr zur folgenden Aussage: "einmal arm, immer arm"?

Beinahe noch wichtiger als der Schulabschluss ist das Vitamin -B- (Beziehungen)

Man muss erst einmal die Chance bekommen um sich zu bewähren.

das deutsche Bildungssystem ist überaus ungerecht, ich denke das ist eigentliche keine Diskussion wert, das bestätigen auch diverse Forschungen und Statistiken.

In DE hat die Aussage "einmal arm, immer arm" durchaus Gehalt. Es ist um einiges schwieriger für intelligente und kompetente Kinder, die aus keinem Akademikerhaushalt kommen, Abitur zu machen und zu studieren, als für weniger intelligente und kompetente Kinder, die aus einem Akademikerhaushalt kommen. Bildung ist bei uns nicht an Leistung geknüpft, obwohl wir uns das gerne einreden, Bildung ist bei uns massiv an den Bildungsstand und Geldbeutel der Eltern geknüpft.

Ich habe das absolute Privileg zu den Menschen zu gehören, die bei einer alleinerziehenden Mutter aufwuchsen, die kein Abitur oder Studium hat, und dennoch studieren - genauso wie mein Bruder. Ich weiß - gerade deshalb - wie bedeutend die Unterstützung im Elternhaus ist. Zwar konnte meine Mutter mir fachlich oft nicht weiterhelfen am Gymnasium, doch sie hat uns stets "den Rücken frei gehalten", indem sie alle Sorgen und Probleme, die mit ihrer Situation einhergingen (ganz zentral natürlich dauerhafte existentielle Sorgen), von uns insofern ferngehalten hat, als dass wir uns auf die Schule konzentrieren konnten. Zudem hat sie uns in ein für Menschen unserer sozialen Herkunft untypisches Umfeld gesteckt, da wir von klein an auch ein Instrument gelernt haben und im Sportverein waren und das zu einer Zeit, in der es noch nicht wirklich Zuschüsse oder sonstige gesetzliche Regelungen gab, um armen Menschen die Teilhabe im sozialen Raum zu ermöglichen. Aber auch ihre Grundeinstellung war wichtig, denn als kleine Kinder hat sie uns eben nicht vor das TV-Gerät gesetzt damit wir ruhig sind, sondern hat mit uns Bücher gelesen, diskutiert, über wahrgenommenes reflektiert, usw... Im Grunde bin ich mir sicher, dass meine Mutter rein kognitiv durchaus hätte Abitur machen können, wäre die Zeit damals eine andere gewesen. Klar, die Kehrseite war, dass sie zeitweise 3,5 Jobs hatte, anders wäre das nicht möglich gewesen.

Ich denke mein Fall zeigt schon einige Probleme auf. Den gleichen Werdegang haben andere Kinder einfach dadurch, dass zwei Eltern da sind, die beide studiert haben, und 1-2 volle studierte Gehälter nach hause bringen und natürlich in einem Umfeld leben, in dem sowieso fast alle studiert haben. Also auch allein der Habitus, den Kinder durch wahrnehmen und kopieren erlernen, ist ein ganz anderer.

Das sind so viele Faktoren, die die Geschichte sehr komplex machen, woran das alles liegt. Selbst "Kleinigkeiten" wie die Tatsache, dass die Grundschulempfehlung bei gleicher Leistung von zwei Kindern in der Regel zu Ungunsten von Kindern ausfällt, dessen Eltern eben nicht studiert haben. Man kann also auch kaum an einem Punkt ansetzen, das ist das große Problem, und die Ungerechtigkeit herrscht ja nicht erst seit gestern, das wird seit Jahrzehnten untersucht und es ändert sich nahezu nichts.

Wer sich damit beschäftigen möchte findet unter folgenden Links Artikel, die als Übersicht dienen können:

https://www.swr.de/wissen/bildungsungleichheit-schulsystem-100.html

https://www.sueddeutsche.de/bildung/chancengerechtigkeit-so-ungerecht-ist-unser-bildungssystem-1.1770332

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Teilgebiet meines Studiums
 "einmal arm, immer arm"?

Eindeutig falsch, in Deutschland haben wir sehr gute Chancen.

Als wie 'ungerecht' empfindet ihr das deutsche Bildungssystem?

Ich empfinde es als weitestgehend gerecht.

Welchen Einfluss hat der soziale Hintergrund auf das spätere Leben?

Natürlich prägt die Familie, die Tradition, die Religion. Ich sehe in anachronistischen Religionen und in mangelnder Sprachbeherrschung die größten Hindernisse.

Wenn in Deutschland geborene Kinder zuhause nicht deutsch sprechen, dann ist das fatal und durch nichts wirklich auszugleichen. Da ist auch nicht das deutsche Bildungssystem in der Bringeschuld, sondern die Eltern behindern hier krass die Chancen ihrer Kinder. Da könnte allenfalls stringentere Integrationspolitik helfen, die ja aber immer sofort verteufelt wird.

Auch an anachronistischen religiösen Vorstellungen kann man nichts tun. Religionsfreiheit scheint ein höheres Gut als Bildungsgerechtigkeit zu sein.

Saftpresse20 
Fragesteller
 03.04.2023, 11:51

Ich merke, dass der soziale Hintergrund, das Elternhaus, Kinder enorm prägen.

Sagen wir mal du wächst in einer Arbeiterfamilie auf. Du hast also keinerlei Bezugspunkte, wenn es um's Studium geht. Du musst also das Studium selbst organisieren, kannst dich an niemanden wenden bei Unsicherheiten. Was dazu führen kann, dass man sich eher für das 'Gewohnte' (= Ausbildung) als für das 'Neue/Fremde' (= Studium) entscheidet.

Aber das Elternhaus hat für mich (ebenfalls) den größten Einfluss.

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Kajjo  03.04.2023, 14:48
@Saftpresse20
Ich merke, dass der soziale Hintergrund, das Elternhaus, Kinder enorm prägen.

Ja, das ist so. Da stimme ich dir vollkommen zu.

Wie sollte es auch anders sein? Wollen wir Eltern verbieten, ihre Kinder zu prägen?

Wie willst du mit Traditionen und Kulturwerten umgehen, die erschwerend auf Bildung wirken? DAS ist das zentrale Problem!

Sagen wir mal du wächst in einer Arbeiterfamilie auf. Du hast also keinerlei Bezugspunkte, wenn es um's Studium geht

Ich selbst bin der erste Akademiker in meiner Familie, alle bekannten Generationen eingerechnet. Ich hatte keine unüberwindbaren Schwierigkeiten. Ich empfand das System als fair und gut in dieser Hinsicht.

Insofern kann ich mich durchaus einfühlen in die Lage und weiß, worum es geht.

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Gillette95  03.04.2023, 11:52

Mit "anachronistisch", meinst du dann aber doch alle Religionen? Denn bis jetzt ist mir zumindest noch keine Religion bekannt die den Urknall usw. anerkennt.

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guitarbassman  03.04.2023, 12:15
Eindeutig falsch, in Deutschland haben wir sehr gute Chancen.

Eindeutig falsch. Die Chancengleichheit in der Bildung ist nahezu nirgendwo so katastrophal wie in DE (bezogen auf vergleichbare Länder).
Siehe z.B.: https://www.deutschlandfunk.de/bildung-in-deutschland-oecd-chancengerechtigkeit-bleibt-100.html
oder https://deutsches-schulportal.de/expertenstimmen/pisa-2018-bildungsgerechtigkeit-tritt-auf-der-stelle/

Ich empfinde es als weitestgehend gerecht.

Dann steht dein Empfinden gegen wissenschaftliche Erkenntnisse.

Wenn in Deutschland geborene Kinder zuhause nicht deutsch sprechen, dann ist das fatal und durch nichts wirklich auszugleichen. Da ist auch nicht das deutsche Bildungssystem in der Bringeschuld, sondern die Eltern behindern hier krass die Chancen ihrer Kinder. Da könnte allenfalls stringentere Integrationspolitik helfen, die ja aber immer sofort verteufelt wird.

Korrekte Einleitung, falsche Schlüsse. Es zeigt sich, dass insbesondere zugewanderte Kinder der ersten Generation bildungstechnisch benachteiligt werden. Inwiefern behindern nun Eltern, die selbst noch dabei sind, die deutsche Sprache zu erlernen, die Chancen ihrer Kinder? Die Wortwahl finde ich schockierend, "behindern". Das deutsche System behindert diese Kinder, denn die Eltern, die selbst erst deutsch erlernen, können es nicht leisten, die Deutschkenntnisse der Kinder voran zu bringen, das ist eine unmögliche Aufgabe und zudem auch gefährlich, da falsch erlerntes nur weitertransportiert wird. Das MUSS das Bildungssystem leisten, da gibt es keine andere Möglichkeit. Und hierbei scheitert es dann schon, wenn z.B. Kinder aus migrierten Familien weniger Chancen beispielsweise auf Krippenplätze haben, welche elementar wichtig wären zur Förderung der Sprachkompetenz. Was wäre denn diese "stringentere Integrationspolitik", die du vorschlägst? Sieht das dann so aus, dass jeden Samstag die Polizei vor der Tür steht und mit Beschluss prüft, ob Radio und TV auf deutscher Sprache laufen und den Eltern wöchentliche Tests zur Sprachkompetenz aufbrummt? Bei Nichtbestehen: Abschiebung!

Also bei aller Liebe, es zeigt sich, dass du in dieser Thematik in einer Traumwelt lebst. Deine Sicht hier ist leider fern der Realität und insbesondere der Abschnitt zu Migration offenbart fehlendes Wissen im Bereich Migration und Integration. Würdest du in diesem Bereich besser Bescheid wissen, könnte es kaum zu solchen Aussagen kommen. Nicht falsch verstehen, das ist weder als Angriff, noch als Vorwurf gemeint, denn man kann nicht alles wissen und nicht überall Ahnung haben. Ich kann es aber nur schwer leiden, wenn Menschen sich auf ihrem Halbwissen aus Zeitungen und Stammtischen dann vehemente Meinungen bilden, die absolut konträr zu wissenschaftlichen Fakten gehen.

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Kajjo  03.04.2023, 14:45
@guitarbassman
Die Chancengleichheit in der Bildung ist nahezu nirgendwo so katastrophal wie in DE

Der erste Link belegt diese Aussage absolut gar nicht. Da bluffst du einfach mit wichtig wirkenden Links.

Auch der zweite Link belegt nicht "nahezu nirgendwo" und auch da werden nur sehr speziell einzelne Herausforderungen diskutiert, die ich haargenau im folgenden auch genannt hatte. Ja, die Integrationspolitik ist mies.

Korrekte Einleitung, falsche Schlüsse. Es zeigt sich, dass insbesondere zugewanderte Kinder der ersten Generation bildungstechnisch benachteiligt werden.

Für dich nach deiner persönlichen Meinung vielleicht falsch, aber objektiv gesehen liege ich richtig.

Und ja, das Integrationsproblem habe ich doch extra genannt. Dass dem Bildungssystem anzulasten, ist grenzwertig. Hier blockiert nicht das Bildungssystem, sondern die miesen elterlichen Bedingungen, die auch das beste System nicht ausgleichen kann. Es gibt Kinder in der dritten Generation, die noch im Elternhaus nicht primär deutsch sprechen. das ist schockierend.

Ansonsten fasse ich deinen Sermon mal so zusammen: Du hast andere politische Meinungen und das sei dir gegönnt. Aber deine geradezu beleidigenden Ausführungen sind unter aller Kanone. Du musst lernen, politische Meinung von Sachlagen zu unterscheiden und anständig zu diskutieren.

Deine Überheblichkeit ist widerlich und erschwert inhaltsfokussierte Diskussionen. Man muss nicht immer gleich persönlich werden!

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guitarbassman  04.04.2023, 11:19
@Kajjo

Ich stimme dir mit dem letzten Absatz durchaus zu, doch diese Art der Diskussion ist immer schwierig, wenn sich eine Partei offen gegen wissenschaftliche Fakten stellt. Und so leid es mir nach wie vor tut, es ist Fakt, mehrfach erwiesen, dass die Bildungsgerechtigkeit in DE nicht sonderlich stark ist. Der erste Link liefert hierzu eine Übersicht um wahrzunehmen, wo überhaupt Probleme liegen. Im zweiten Link ist eigentlich alles Wichtige weiterverlinkt, so z.B. PISA als primäre Quelle des Artikels.

Wenn es hierbei schon scheitert, dass du anerkennst dass Bildungsgerechtigkeit in DE aktuell nicht sonderlich ausgeprägt ist, dann erübrigen sich jegliche Diskussionen. Das hat nämlich erstmal nichts mit persönlichen politischen Meinungen zu tun, genauso wenig wie auch die Frage danach, warum in Haushalten von Menschen mit direktem Migrationshintergrund nicht deutsch gesprochen wird, dazu gibt es unzählige Forschungen und Studien. Die politische Meinung fängt da an, wenn es um die Interpretation dieser Ergebnisse geht. Eine Interpretation einer Studie, die belegt, dass Bildungserfolg vom sozialen und finanziellen Hintergrund abhängt, kann aber nicht sein zu sagen "Bildungsgerechtigkeit ist gegeben". Und auch zu sagen migrierte Eltern würden ihre Kinder aktiv behindern, indem sie zuhause nicht eine für sie selber fremde und schwierig zu erlernende Sprache sprechen halte ich für sehr dreist und weltfremd in dieser Hinsicht.

Mit meinem letzten Abschnitt wollte ich dir keine Kompetenzen absprechen, ich bin mir sicher, dass du in dem was du tust viel Ahnung hast. Ich sehe auch die Absprache von Wissen in spezifischen Bereichen nicht als Beleidigung, verstehe aber, dass man das so auffassen kann. Ich selbst bin eine Vollkatastrophe in Mathematik. Der große Unterschied ist - und das beziehe ich nicht speziell auf dich, das ist in der gesamten Gesellschaft so - ich würde mir niemals anmaßen, zu wissen, was mathematisch gut und richtig ist. Die gesamte Gesellschaft meint aber in jeglichen politischen Bereichen immer zu wissen was gut und richtig ist - ohne irgendeinen Plan davon zu haben. Ich bin mir zu 99% sicher, dass du mit Migration nicht viel am Hut hast, korrigier mich wenn ich falsch liege. Das ist nicht dein Fachgebiet, dennoch hast du hierzu eine sehr gefestigte Meinung, die du vertrittst. Ob du etwas mit Pädagogik oder Bildung am Hut hast ist schwer zu sagen, ich würde aber eher zu nein tendieren, denn ich habe noch nie jemanden getroffen, der in diesem System tätig ist und die Meinung vertritt, Bildungsgerechtigkeit sei gegeben. Hierin sehe ich keinen Angriff oder keine Beleidigung, vielleicht bist du ja Elektroingenieur und kannst in Sachen Stromnetz in politischen Frage mit viel Expertise aufwarten und siehst genau, wo z.B. DE versagt hat im Ausbau vom Energienetz. Natürlich sind das alles Annahmen, für mich aber tatsächlich schwer vorstellbar, dass jemand, der im System ist, der hier Erfahrung sozusagen "von der Front" hat, diese Ansichten vertritt.

Wenn du das empfinden hast, ich hätte dich persönlich angegriffen, möchte ich mich dafür entschuldigen. Mit abstand zu meinem Kommentar sehe ich absolut den unangebrachten Ton meinerseits. Die Thematik ist für mich sicherlich auch emotional aufgeladen, denn ich sehe tagtäglich die Ungerechtigkeit in der Bildung, ich sehe wie Kinder mit Potenzial und Intelligenz vom System verschluckt werden und auf einer Hauptschule landen, an der sie sich ein asoziales Verhalten angewöhnen schlicht durch das Umfeld, obwohl sie rein kognitiv in der Lage wären ein Studium zu meistern. Ich nehme durch die Erfahrungen Anderer Kinder wahr, die jeden Tag mit viel zu schwierigen Schulaufgaben kämpfen, aber nicht auf niedere Schularten versetzt werden weil es ja nicht sein kann, dass wenn Mama und Papa studiert haben, das Kind "nur" einen Realschulabschluss erreicht (und dafür das Kind 6 Stunden pro Woche Nachhilfe bekommt...). Ich nehme direkt wahr wie nur Kinder aus finanziell stabilen Haushalten ausreichend Zugang zu Kunst und Kultur bekommen, z.B. durch das Erlernen eines Instruments durch professionelle Lehrerinnen und Lehrer. Und ich nehme direkt sowie indirekt wahr, was Migration eigentlich abseits von Zeitungsartikeln und politischen Diskussionen bedeutet und wie weltfremd die Mehrheitsgesellschaft hierbei auf migrierte Menschen schaut und immer zu wissen scheint, wie diese sich doch zu verhalten hätten und wie falsch sie sich doch in jeglicher Hinsicht verhalten.

Wir haben also durchaus Sachlagen, z.B. mangelnde Gerechtigkeit im deutschen Bildungssystem (siehe PISA, OECD, etc...). Das hat nichts mit persönlicher Meinung zu tun. Wenn Menschen diese faktische Sachlage nicht anerkennen, triggert mich das total, das sehe ich absolut ein.

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Kajjo  04.04.2023, 12:09
@guitarbassman
 offen gegen wissenschaftliche Fakten

Ich bin Wissenschaftler und Statistiken und Studien im Bereich Bildung/Erziehung verdienen so gut wie nie den Ausdruck "wissenschaftlich". Das erweckt einfach ein völlig falsches Bild objektivierbarer Fakten. Im Gegenteil geht es hier ganz stark darum, mit welchem ideologisch-politischen Hintergrund man rangeht und was man zeigen will und welche Definitionen und Fragestellungen man überhaupt zugrunde legt. Gleiches gilt für diese schreckliche, irreführende Armutsdefinition.

dass Bildungsgerechtigkeit in DE aktuell nicht sonderlich ausgeprägt ist

Richtig, ich halte unser System für gar nicht so schlecht. Dabei bin ich sehr konkret auf die Titelfrage eingegangen, vor allem auch den Punkt "arm bleibt arm". Das trifft einfach nicht zu in Deutschland.

Wenn ich Deutschland betrachte und dann von Bildungsgerechtigkeit sprechen soll, dann betrachte ich zunächst erst mal die große Mehrheit, also deutsche Kinder ohne Migrationshintergrund und deren Chancen in Abhängigkeit von Einkommen der Eltern. Und die sind weit überwiegend sehr gut, wenn Eltern und Kinder nur wollen.

Ich selbst bin der allererste Akademiker in meiner Familie, über alle bekannten Generationen betrachtet. Ich habe keinerlei Probleme damit gehabt, Abitur zu machen und zu studieren. Ich habe keine signifikanten Nachteile gefühlt, dass ich keine akademischen Eltern hatte.

Du dagegen fokussierst dich nur auf eine Randgruppe, nämlich Migrationshintergrund. Diesbezüglich habe ich ja schon in meiner Originalantwort eingeräumt, dass es dort große Herausforderungen gibt. Aber Migration/Integration war ja gar nicht der Fokus der Titelfrage. Diesen Fokus hast du dir hinzugedacht.

Hätte die Titelfrage gelautet, ob gescheiterte Integration den Kindern mit Migrationshintergrund Karrierechancen raubt, dann hätte ich sofort ja gesagt. Natürlich tut es das bei etlichen Familien.

Damit zum zweiten Punkt: Es scheitert nicht am System, sondern ganz stark an den Eltern. Siehst du das dann echt nicht so?

Und genau das ist wieder eine politische Frage: Auch das musst du anerkennen. Das ist keine Frage von Studien, hinter denen man sich versteckt, sondern eine zutiefst politische Angelegenheit.

Muss das System miese Eltern ausgleichen und letztlich gegen die Eltern anarbeiten oder nicht? Wie viel Pflicht und Verantwortung haben die Eltern und wie weit darf und soll der Staat die Erziehung übernehmen? Und ist dieses "System" dann wirklich primär das Bildungssystem oder nicht doch eher die Integrationspolitik?

So einfach wie du es dir machst, ist es definitiv nicht. Aber ja, gescheiterte Integration verursacht Bildungsprobleme bei Kindern mit Migrationshintergrund. Je deutlicher man das ausspricht, desto weniger Kritik am Bildungssystem bleibt übrig.

Zurück zur Wissenschaftlichkeit: Wenn man schon wissenschaftlich arbeiten wollte, dann müsste man solche Faktoren eben separat betrachten. DAS und nur das wäre "wissenschaftlich" für echte Wissenschaftler!

Wenn man die Titelfrage dieses Threads beantworten will ("arm bleibt arm"), muss man also sehen, dass man so viele Faktoren konstant hält wie möglich und nur das Einkommen variiert. Haben Kinder in der gleichen Schule, mit den gleichen Lehrern abhängig vom Einkommen der Eltern wirklich deutlich unterschiedliche Chancen auf Sprachbeherrschung, Mathekenntnisse und Chancen auf das Abitur?

Außerdem muss man natürlich auch berücksichtigen, dass manche Faktoren einfach angeboren sind und daher selbstverständlich abhängig von den Eltern sein können. Das werden wir nie ganz nivellieren können. Intelligenz ist evolutiv optimiert, auch viele andere Charaktereigenschaften sind angeboren und ganz viele Eigenschaften sind anerzogen in den ersten Jahren, noch bevor das Bildungssystem überhaupt Zugriff auf die Kinder hat.

POSITIV

Heutzutage ist das Gemecker immer groß, aber die Stärken werden ignoriert. Das, was mir am Bildungssystem in Deutschland besonders gefällt:

Jeder kann studieren, keiner muss sich dafür verschulden. das muss man mal mit den USA vergleichen, wo viele Juristen oder Ärzte mehr als 10 Jahre lang ihr Studiengebühren abzahlen müssen. Solche Beispiele sind doch eklatant und generieren Bildungsungerechtigkeit. In Deutschland kann man auch die zentralen Studiengänge wie Medizin, Jura oder Chemie einfach so studieren, ausgewählt nur nach eigener Leistung, ohne horrende Gebühren.

DAS nenne ich zum Beispiel enorme Bildungsgerechtigkeit verglichen mit ganz vielen anderen Ländern.

Aber selbst in Grundschule oder Mittelschule scheitert es bei keinem einzigen Kind an Gebühren oder Kosten für Schulbücher. Absolut gar nicht. Jedes Kind darf auf jede Schule, keines muss schlechter ausgebildet zurückbleiben, nur weil die Eltern kein Geld für höhere Schulen hätten. DAS ist Bildungsrechtigkeit an der Wurzel des Themas.

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