Bismarck Reichsgründung Karikatur?

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Die Karikatur „Wie weit wir einig sind“ ist erschienen in: Kladderadatsch : Humoristisch-satyrisches Wochenblatt. Jahrgang 14, Nr. 47, 13. Oktober 1861.

http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kla1861/0188

1861 hat es Diskussionen über eine Reform des Deutschen Bundes gegeben (der Deutsche Bund war ein 1815 entstandener Staatenbund).

Die Karikatur ist ein Beitrag zu dem Thema „deutsche Frage“, bei der es darum geht, wie Deutschland und die Deutschen insgesamt staatlich organisiert sind und sein sollen.

Die Karikatur zeigt die Unklarheit und Zerstrittenheit, wie die Führung eines deutschen Gesamtstaates gestaltet sein soll. Es gibt kein in der Wirklichkeit vollendetes Modell.

Die schelmische Figur „Kladderadatsch“ besucht die „National-Werkstätte“, besichtigt das Kunstwerk, das dort geschaffen wird, und fragt nach, wie es gegenwärtig damit steht. Drei Künstler/Handwerker stehen bei einer großen Statue, die sie mit Werkzeugen aus Stein gemeißelt haben.

„Kladderadatsch“ fragt und die Künstler/Handwerker antworten (Bildunterschrift):

„Nun, Kinder, wie steht 's ? Seid ihr in Ordnung?

- Unten rum sind wir schon einig; aber was oben werden soll, darüber zerbrechen wir uns noch die Köpfe.“

Das geschaffene Kunstwerk ist, wie auf der Schärpe steht, eine Statue der Germania. Germania ist eine Nationalallegorie, eine Personifikation Deutschlands in Form einer Frau. Sie steht für einen angestrebten deutschen Gesamtstaat. Rumpf, Arme und Beine der Statue snd fertig. In der rechten Hand trägt Germania ein Schwert mit der Aufschrift „Einigkeit macht stark“. Ein Schwert ist ein Symbol von Macht und ihrer Ausübung in Herrschaft, Rechtsprechung und Kampf. Der Statue fehlt noch der Kopf. Sie daher unvollendet. Es gibt keine Einigkeit, wer Staatsoberhaupt sein soll und wie die Führung/Leitung („oben“, an der Spitze) eines deutschen Gesamtstaates und sein politischer Aufbau (z. B. Regierung/Exekutive, Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit auf der Gesamtebene) sein soll.

Auf einem flachen Holzpodest stehen fünf Köpfe zur Auswahl:

1) ein Kopf, der für ein Reich und eine Monarchie steht, bei dem aber ungeklärt ist, wer es sein soll und wie die Beschaffenheit sein soll: Der Kopf trägt eine Krone (in der Art, wie beim Heiligen Römischen Reich), aber er hat kein Gesicht mit irgendeinem Profil. Stattdessen steht dort ein Fragezeichen. Das Modell ist unklar, es ist nichts Genaues bekannt.

2) Borussia: Preußen hat die Vorherrschaft. Borussia (latinisierter Name für Preußen) ist eine Personifikation Preußens in Form einer Frau. Sie trägt einen Helm mit Spitze (»Pickelhaube«), der damals in der preußischen Armee verwendet wurde und in Darstellungen Preußen symbolisieren kann. Dies Modell ist die dann später in der Reichsgründung 1871 verwirklichte »kleindeutsche Lösung« (Deutschland ohne Österreich).

3) Kopf mit zwei Gesichtern: Das Modell ist janusköpfig, der Kopf hat (wie der Gott Janus der antiken römischen Religion und Mythologie) zwei in entgegengesetzte Richtungen gehende Gesichter, Die Gesichter stehen, wie auch die abgekürzten Aufschriften zeigen, für Österreich und Preußen. Dies bedeutet ein spannungsvolles Nebeneinander zweier führender Staaten, einen fortwährenden Dualismus von Österreich und Preußen.

4) Kopf „Würzburg“: In Würzburg hatte es 1859, 1860 und 1861 Konferenzen einiger mittelgroßer (wie Bayern, Württemberg, Sachsen und Hessen) und kleiner deutschen Einzelstaaten gegeben (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%BCrzburger_Konferenzen ). Der Deutsche Bund sollte nach den Plänen ein Staatenbund sein, aber mit etwas mehr Zusammenarbeit und Einheitlichkeit. Österreich und Preußen sollten nicht die alleinige Führung haben, sondern auch die anderen deutschen Einzelstaaten in leitender Funktion vertreten sein. Der Kopf hat eine Reihe von gleichartigen Gesichtern. Mit der Narrenkappe und den langen großen Nasen und den lachenden Mündern der Köpfe (wie bei einer Kasperle-Figur) wirkt das Modell nicht ernsthaft. Anscheinend wird ihm keine Durchsetzungskraft in der Realität zugetraut.

5) Kopf „Der alte Bund“: Der bisherige Deutsche Bund bleibt. Der Kopf trägt eine Schlafmütze mit herabhängendem Zipfel. Es mangelt an Energie und Tatkraft. Das Modell ist altmodisch und unattraktiv. Bei der Aufschrift ist schon ein Buchstabe (ein „l“) verschwunden und die Schreibweise „Bunde“ macht auch einen etwas seltsamen und altertümlichen Eindruck. Die Augen des Kopfes sind schläfrig geschlossen, der Mund verkniffen, die Mundwinkel hochgezogen.

http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_image.cfm?image_id=1326&language=german

„Bilder - Kultur

„Wie weit wir einig sind” (13. Oktober 1861)

Politische Karikaturen verquickten grafische Kunst mit sozialkritischer und politischer Kommentierung und beabsichtigten ausnahmslos, die Leser zu belustigen und die Verkaufszahlen der Zeitschriften zu steigern, in denen sie erschienen. Das in Berlin in den Revolutionstagen von 1848 gegründete Wochenblatt Kladderadatsch war eine der einflussreichsten Satirezeitschriften der Epoche. Diese Karikatur aus dem Jahr 1861 und die beiden folgenden zeigen, wie Bild und Text sich verbanden, um eine unvergessliche Wirkung auf die Zielleserschaft zu erreichen. Am Beginn des Jahrzehnts kam zur Frage, ob aus dem Konflikt zwischen Preußen, Österreich und den kleineren Bundesstaaten ein Großdeutschland oder Kleindeutschland hervorgehen würde, eine weitere Frage hinzu: welche Art von politischer und konstitutioneller Struktur würde der neue Staat haben? Das Thema Bundesreform lieferte somit viele Möglichkeiten – und wenig Übereinstimmung – in Hinblick darauf, welcher Staat oder Staatenverbund die Führung bei der Unterbreitung einer bestimmten Lösung für die deutsche Frage und der notwendigen Konsensfindung übernehmen würde. In dieser Karikatur besucht die als Kladderadatsch (oben rechts) bekannte schelmische Figur die „Nationalwerkstätte“, wo deutsche Nationalisten fleißig die Statue der Germania herausmeißeln. Die Beine, Arme und der Rumpf sind fertig, und die Statue hält bereits ein Schwert mit der Aufschrift „Einigkeit macht stark“ in Händen. Doch das (Staatsober-)Haupt muss noch aus verschiedenen Möglichkeiten ausgewählt werden. Die erste Option (von links nach rechts) ist ein Kopf, dessen einziges besonderes Merkmal ein Fragezeichen anstelle eines Gesichts ist. Der nächste Kopf trägt eine Pickelhaube und ist mit „Borussia“, also Preußen beschriftet. Der dritte, ein Januskopf, scheint die Möglichkeit eines fortwährenden österreichisch-preußischen Dualismus zu bieten. Der vierte, mit „Würzburg“ gekennzeichnete Kopf bezieht sich auf einen 1859 dort von Sachsen, Bayern, Württemberg und verschiedenen Kleinstaaten unterbreiteten Gegenentwurf, um sowohl Österreich als auch Preußen durch die Schaffung eines „dritten Deutschland“ von einer Monopolisierung der Macht abzuhalten. Allerdings legen eine Narrenkappe und andere Hinweise nahe, dass diese Option bereits als wertlos erkannt worden war. Der letzte Kopf trägt eine altmodische Schlafmütze, die darauf schließen lässt, dass „der alte Bund“ kaum die Fantasie der deutschen Patrioten beflügeln würde. Der Dialog thematisiert genau die strittige Frage der Führungsrolle im zukünftigen Deutschland. „Wie weit wir einig sind“ von Wilhelm Scholz, Kladderadatsch, Bd. 14, Nr. 47 (13. Oktober, 1861), S. 188“

earnest  01.05.2021, 17:32

Und was hat der Fragesteller jetzt gelernt? Wie man andere die Arbeit für sich machen lässt?

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Albrecht  01.05.2021, 19:39
@earnest

Es gibt keinen Fragesteller.

Was die Fragestellerin genau gelernt hat, ist eine Frage an sie.

Der Kommentator hat nach seinem bisherigen Verhalten in dieser Frage als Maßstab aus der Antwort nichts gelernt, für das er dankbar ist, und hält sie für nicht hilfreich.

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earnest  01.05.2021, 19:58
@Albrecht

Gern auch eine Fragestellerin.

Der Kommentator hat - anders als von Dir behauptet - durchaus etwas von Deiner Antwort auf Seminarniveau gelernt. Sie war für sein Verständnis durchaus hilf- und aufschlussreich und ersparte ihm weiteres Nachdenken.

;-)

Was die Fragestellerin betrifft: Er hält diese Antwort für sie deshalb für nicht hilfreich, weil sie nicht Hilfe zur Selbsthilfe ist und damit nicht zum eigenen Denken anregt. Was der Kommentator sehr schade findet.

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