"Sich in einem abstürzenden Fahrstuhl durch einen Sprung in die Höhe zu retten, ist leider unmöglich und zwar aus mehreren Gründen", sagt Diplom-Physikerin Ines Hense vom Institut für Gravitationsforschung der Göde-Stiftung. "Da ein abstürzender Fahrstuhl als Objekt im freien Fall betrachtet werden kann, befindet sich auch die Person in ihm quasi im freien Fall, der ja bekanntlich hohe Fallgeschwindigkeiten und damit auch hohe Kräfte erzeugt."

Kräfte sind berechenbar

Als Beispiel für diese auftretenden Kräfte betrachten wir einen Lift, der aus dem zweiten Stock in den Keller stürzt, also aus ungefähr zehn Metern Höhe fällt. Der Fahrstuhl benötigt dafür nach den entsprechenden Gleichungen der Mechanik 1,4 Sekunden und wird sich in dieser Zeit mit einer Fallgeschwindigkeit von rund 50 Kilometern pro Stunde in Richtung Erde bewegen. "Bei unserer Rechnung können die Reibungskräfte außer Acht gelassen werden, da sie zu einer so kleinen Geschwindigkeitsverringerung führen würden, dass das Ergebnis nicht bedeutend anders ausfallen würde", ergänzt Hense vorsorglich.

Die Person im Fahrstuhl müsste also, um eine Kollision mit dem Boden zu vermeiden, mit der gleichen Geschwindigkeit vom Fahrstuhlboden abspringen und zwar ganz genau in dem Augenblick, in dem der Lift auf dem Boden aufprallt. Aus diesem Konstrukt entstehen gleich drei unlösbare Aufgaben für den Fahrstuhlinsassen:

Erstens ist kein Mensch in der Lage, mit einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde in die Höhe zu springen. Wir schaffen im Durchschnitt beim Hochspringen eine Geschwindigkeit von 5 Kilometern pro Stunde und das für eine nur sehr kurze Zeitdauer, da die hochgesprungene Strecke eher gering ist. Also würden 45 Kilometer pro Stunde Fallgeschwindigkeit übrig bleiben. Auch das ist noch eindeutig zu viel, um Verletzungen ganz zu vermeiden. Selbst wenn eine Person sehr hohe Geschwindigkeiten beim Absprung erreichen könnte, würde durch die Kraft auch die zurückgelegte Distanz sehr groß und der Superspringer würde durch das Fahrstuhldach gebremst oder gar verletzt.

Zweitens ist es höchst unwahrscheinlich, dass man beim Absturz genau den richtigen Zeitpunkt für einen Absprung findet. Vor einem Aufprall kann man gar nicht abspringen, da sich die Person im Fahrstuhl ebenso wie der Fahrstuhl im freien Fall und damit, zumindest für 1,4 Sekunden, in der Schwerelosigkeit befinden. Kurz nach dem Aufprall aber wäre es für einen rettenden Sprung schon zu spät.

Drittens ist der Mensch nicht nur zu schwach und körperlich ungeeignet, sondern einfach auch zu langsam. Käme es tatsächlich zu einem Absturz, wäre gar nicht genug Zeit, um sich der Situation angemessen zu verhalten. Nach der sogenannten Schrecksekunde, die im Durchschnitt tatsächlich eine Sekunde dauert, würde die verbleibende Zeit, in unserem Fallbeispiel 0,4 Sekunden, nicht ausreichen, um irgendetwas zu tun. Selbst wenn ein Lift aus noch größerer Höhe abstürzen würde und sich damit die Reaktionszeit verlängerte, würden sich auch die Kräfte erhöhen, denn je größer die Absturzhöhe, umso größer die Absturzgeschwindigkeit. Gemäß dem Gesetz g=9,81m/s2, wird ein Körper, der sich im Gravitationsfeld der Erde befindet, im freien Fall immer schneller.

Frage & Antwort, Nr. 192: Hilft Springen im fallenden Lift?

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