Ich bin ja immer noch der Meinung, dass sich eine ganze Generation nicht über einen Kamm scheren lässt. Es gibt immer solche und solche.
Aber um auf die Fragen zurück zu kommen.
- Hat die Gen-Z eine völlig verzerrte Sicht auf die heutige Arbeitswelt?
Nein. Anders als die Generationen davor, hat die Gen Z endlich eine Möglichkeit, den Arbeitsmarkt nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten. Ich stamme aus der Gen X, der Babyboomernachfolgegeneration. Ich "durfte" erleben, was es bedeutet, Teil von etwas zu sein, was im Überschuss vorhanden war. Hohe Arbeitslosigkeit, miese Arbeitsbedingungen, Reallohnverlust (der bis heute anhält) bis hin zu einem Unterbieten bei den Gehaltsvorstellungen, um ja einen Job zu bekommen.
Man hat fast alles mitgemacht, um nicht auf die Straße gesetzt zu werden, unbezahlte Überstunden, geringers Gehalt, Urlaubsverzicht, Mehrarbeit, Weiterbildungen auf eigene Kosten usw usf, weil man wusste, dass man eins fix drei ersetzt werden könnte und würde, wenn man auch nur aufmuckt. Denn für jeden AN standen mind. 10 weitere AN, die den Job ebenfalls gerne hätten.
Die Gen Z hat begriffen, dass sie ein Druckmittel besitzen, sich selbst und ihre Arbeitskraft und sie hat begriffen, dass es ein Teil der Marktwirtschaft ist, dieses Druckmittel auch zu nutzen (Angebot und Nachfrage)
- Wie viele Freiheiten sollen Arbeitnehmer an ihren Arbeitgeber stellen dürfen?
Arbeit ist kein Selbstzweck. Man arbeitet nicht aus altruistischen Gründen. Der Preis darf sich nach dem Bedarf richten oder auf die Gen Z gerichtet. Sie können das fordern, was letztlich jemand bereit ist zu zahlen. Damit wären wir wieder bei der Marktwirtschaft :)
- Sind viele Arbeitgeber zu unflexibel hinsichtlich möglicher Benefits, die gewährt werden könnten?
Jain, es gibt AG, die mit der Zeit geben, selbst kleine Betriebe, die nicht so viele Ressourcen haben, passen sich an und bieten die Benefits, die ihnen möglich sind. Das fängt bei flexiblen Arbeitszeiten an und hört bei Homeoffice oder Boni, wie Zuschüsse zur Mobilität, Wohnmöglichkeiten und Co auf.
Es gibt aber leider auch noch immer AG, die nicht begriffen haben, dass die Zeit sich geändert hat und sie nicht mehr am längeren Hebel sitzen.
Ich habe erst vor wenigen Tagen erleben dürfen, wie sich ein AG über AN aufgeregt hat, die tatsächlich ihre Arbeitszeit nach dem Vertrag ausrichten und nicht ständig Überstunden machen wollen. Bei solchen Aussagen frage ich mich ernsthaft, seit wann es verwerflich ist, seinen Vertrag zu erfüllen ohne Bonusleistungen für lau zu geben.
- Seid Ihr Teil der Gen-Z und falls ja: Was ist Euch im Arbeitsleben / beim Arbeitgeber wichtig?
Nein, ich bin Gen X, Baujahr 73. Ich bin sehr froh, dass es in der Arbeitswelt endlich etwas ändert. Jahrzehntelang gab es einen Reallohnverlust für die AN, seit Jahrzehnten wird gejammert, es gäbe einen Fachkräftemangel, ohne dass sich irgendetwas an den Löhnen oder den Arbeitsbedingungen geändert hätte.
Grund dafür: Es wurde schon von einem Fachkräfte/Arbeitskräftemangel geredet, wenn der Pool aus dem die AG aussuchen konnten nicht mehr aus 30+ sondern "nur" noch 10-20+ Überschuss an AN bestand. Letzteres sind nicht die genauen Zahlen, die habe ich nicht mehr im Kopf, aber es war einfach nur absurd von einem Mangel zu reden, obgleich noch immer ein Überschuss vorhanden war.
Heute kratzen wir tatsächlich an einem Mangel, was sich jetzt auch langsam bemerkbar macht. AG müssen sich anpassen oder damit klar kommen, dass sie keine Arbeitskräfte mehr bekommen.
- Fehlt der Gen-Z das Verständnis dafür, dass ihr Wohlstand auf der harten Arbeit der Vorgängergenerationen basiert?
- Sind grundlegende Tugenden im Laufe der Generationen verloren gegangen?
Die beiden Fragen fasse ich mal zusammen. Es gibt in jeder Generation solche und solche. Es gibt diejenigen, die sich engagieren, pünktlich und fleissig sind und diejenigen, denen alles am A vorbeigeht. Das ist keine Eigenschaft einer Generation.
Der Wohlstand der GenZ.... Dass mit dem Wohlstand ist so eine Sache. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: über 30 Jahre Reallohnverlust sprechen eine andere Sprache.
Ja, die Gen Z hat heute mehr Möglichkeiten als wir damals. Die Welt ist vernetzter, dichter beieinander. Die technischen Möglichkeiten und die damit einhergehenden Annehmlichkeiten sind grandios. Und ja, der ganze Kram wurde von Generation zu Generation weiterentwickelt und erarbeitet.
Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Wir hatten anfangs noch ein Plumpsklo auf dem Hof und einen beheizbaren Waschkessel. Erst Anfang der 80er hatten wir auch eine Waschmaschine und Innenklo. Das ist heutzutage kaum noch vorstellbar und es ist heutzutage kaum noch machbar so zu leben. Es werden gewisse Standards vorausgesetzt, die erfüllt werden müssen, ob man das will oder nicht. Reglementierungen und Auflagen sind gestiegen.
Ich denke nicht, dass man jemanden vorwerfen kann, mit einem gewissen Standard aufzuwachsen, wenn man unterhalb dieses Standards teilweise gar nicht mehr akzeptiert wird (als Beispiel: Internetverweigerer, Handyabstinenzler) oder es gar nicht darf (verpflichtender Anschluss ans Wasser- und Stromnetz)
Was ist mit Tugenden gemeint? Pünktlichkeit, Engagement, Fleiß, Leidenschaft... Das ist alles noch vorhanden. Die Prioritäten haben sich nur geändert.
Aber auch hier gilt: es gibt solche und solche :)