Lieber sunnyboy,
ganz offensichtlich wurden Sie nicht richtig aufgeklärt und es ist davon auszugehen, dass Ihr Zahnarzt - bei der ohnehin riskanten - Wurzelkanalbehandlung gepfuscht hat.
Eine Wurzelkanalbehandlung ist eine reine Schmerztherapie, ohne Heilung. Ebendiese hätte man auch medikamentös in den Griff bekommen können. Weshalb ich Wurzelbehandlungen grundsätzlich ablehnen, denn eine Wurzelkanalbehandlung kann – wie jede andere invasive Behandlung – nicht die bakterielle Infektionskrankheit Karies heilen.
Eine Wurzelbehandlung ist die „Todesstrafe für den Zahn“, der Zahnarzt tötet zum Zweck der Schmerztherapie den Zahnnerv (Pulpa) ab. Der einst kranke Zahn ist nun tot. Der Zahn verfärbt sich im Laufe der Zeit gräulich, da er vom Körper nicht mehr versorgt werden kann und hat dadurch eine deutlich geringerer Haltbarkeit. Über kurz oder lang wird er Ihr Zahnarzt vorschlagen die Zahnleiche zu überkronen. Da die bakterielle Ursache der Erkrankung in der heutigen Zahnmedizin nicht therapiert wird, ist es schlichtweg eine heillose und unnütze Therapie. Denn Bakterien lassen sich nicht „wegbohren“ oder mit einer Pulpaentfernung auslöschen. Eine derart kuriose Therapie, die den einzigen Zweck hat, ein lebendes Körperteil zu töten, findet man nur in der Zahnmedizin, dass das natürlich keine Heilung bringen kann, sollte für jeden verständlich sein.
In vielen Fällen scheitert zudem der komplizierte Eingriff, weil Zahnärzte in Zeitnot schludern, keine speziellen Instrumente verwenden oder die Fachkenntnis fehlt. Eine neue Studie der Universität Göttingen zeigte bei 200 Wurzelkanalbehandlung, dass jede zweite mangelhaft war: Bakterien waren in den Wurzelkanälen der Zähne zurückgeblieben, mehr als die Hälfte der Wurzelfüllungen war zu kurz. Neben den allgemeinen Risiken einer Behandlung und einer Narkose, entsteht bei der Wurzelbehandlung häufig eine starke Schädigung des Zahnfleisches. Auch eine schwere Infektion, und die Gefahr des Zahnverlustes drohen Patienten.
In Ihrem Fall ist ein Instrument abgebrochen, das kann durchaus passieren und ist nicht ohne Risiko. Denn hierdurch können Keime in den Blutkreislauf gelangen, die eine Blutvergiftung auslösen oder eine Zystenbildung ermöglichen können. Gerade eine operative Zystenentfernung, ist ein schwerer chirurgischer Eingriff durch den meist weitere gesunde Zähne entfernt werden müssen.
Das Grundrisiko sind jedoch die Bakterien, die in den Wurzelkanälen oder ihren Seitenkanälen verbleiben und dann eine Entzündung an der Wurzelspitze verursachen können. Gerade heute bleiben oft Bakterien im Wurzelkanal zurück, da der Kanal mittlerweile mit einem gängigen Stoff desinfiziert wird, der nicht alle Bakterien abtötet. So zeigte eine Untersuchung, dass infizierte Wurzelkanäle vielfach noch lebende Bakterien enthalten, die dann eine schwere Entzündung auslösen können. Durch diese Komplikationen kann die vollständige Entfernung des Zahnes notwendig werden.
Ein Kariesproblem lässt sich also nicht durch eine Füllungstherapie oder eine Wurzelbehandlung beheben, sondern durch eine tägliche, kugelsichere Prophylaxe mit antibakteriellen Mitteln die die Krankheitsursache beheben. Diese Herangehensweise eliminiert bis zu 99,9% der schädlichen Bakterien. Karies und Parodontitis können also erst gar nicht entstehen bzw. weiter fortschreiben. Durch die Beseitigung des kariogenen Umfelds können bestehende „Löcher“ und Läsionen austrocknen und heilen (Caries Sicca) und sind so nicht mehr behandlungsbedürftig. Ihr Zahnarzt wird Ihnen dies natürlich nicht empfehlen, schließlich können Sie ihn somit arbeitslos machen.
In Ihrem Falle ist es nun schwierig. Sicherlich war es Pfusch und ein Fehler Ihres Zahnarztes. Dies wird er jedoch im Falle einer juristischen Auseinandersetzung als "allgemeines Risiko" auslegen und hat damit gute Chancen. Wenn Sie jedoch nicht über dieses Risiko aufgeklärt wurden, haben Sie einen Schmerzensgeld anspruch. Dies selbst wenn Ihrem Zahnarzt kein Behandlungsfehler nachzuweisen wären. Dies hat das Brandenburgische Oberlandesgericht (12 U 241/07) entschieden. Ich würde Ihnen daher raten einen Fachanwalt für Arzthaftungsrecht bzw. Patientenrecht zu kontaktieren und ihm Ihr Problem schildern. Dieser wird ein Gutachten in Auftrag geben. Der Gutachter wird Sie untersuchen und kann Sie objektiv beraten, da er Sie nicht behandeln darf, also kein finanzielles Interesse an einer Weiterbehandlung hat. Bis zu Erstellung des Gutachtens, dürfen Sie sich nicht behandeln lassen, da dadurch die Beweise vernichtet werden könnten und Sie somit den Schmerzensgeldanspruch verlieren würden.
Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine schönere Antwort geben kann.
Alles Gute,
Dr. L. Hendrickson
Facharzt für Pädiatrie und Zahnarzt i.R.
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