Hallo :)
Goethe stellt sich mit dem Werther gegen die Ideale der Aufklärung, die sowieso nur einseitig verlief und in vielerlei Hinsicht nur den ohnehin schon gut situierten Menschen einen Vorteil brachte. Standesschranken und Klüfte zwischen der gebildeten Stadtbevölkerung und den "einfachen", arbeitenden Menschen auf dem Land sind überall zu spüren. Goethe will aufzeigen, dass die Menschen in einer Hinsicht aber komplett gleich sind: nämlich auf dem Gebiet der Emotionen und der Leidenschaft. Eher noch sind es die einfachen Leute auf dem Dorf, die sich gegen ihre Leidenschaften wehren, und so versuchen ein im klassischen Sinne "humanistisches", vernunftmäßiges Leben zu führen, immer orientiert am scheinbar guten, schönen Leben der Genies und Künstler.
Werther aber zeigt eine neue Art zu leben und zu lieben: entfesselt, wild, gefühlsbetont vollkommen unvernünftig, nahezu unaufgeklärt. Das steht komplett entgegen den bisherigen Idealen des Lebens, der Kunst und der Literatur, erleichtert aber dafür sehr vielen Menschen das Leben, indem Fesseln gesprengt und Tabus gebrochen werden. So prägt der Werther eine ganz neue Richtung innerhalb der Epoche: Den Sturm und Drang.
So scharf abgegrenzt sich der Werter gegenüber der Aufklärung zeigt, so sehr verwischen natürlich die Grenzen zur Empfindsamkeit. Eines ist in der Literaturwissenschaft sowieso wichtig: Strikte und Sture Grenzen zwischen Epochen gibt es nicht, die sich an Jahreszahlen oder irgendwelchen klaren Motiven ausmachen lassen. Alles geht und fließt ineinander über! Die Empfindsamkeit kam ja als Strömung noch vor den Stürmern und Drängern und oft wird der Werther als ihr Höhepunkt angesehen. Natürlich strotzt der Roman vor Empfindsamkeit! Übermut, Leidenschaft, entfesselte Gefühle, Unvernunft, eine Sprache "wie einem das Herz auf der Zunge liegt" - das waren Ideale der Empfindsamkeit und sie finden sich im Werther an allen Ecken und Enden.
Da aber gesellschaftliche Missstände, Probleme der Emanzipation, Standesschranken und die Unmöglichkeit, ein wirklich empfindsames Leben innerhalb der bestehenden Gesellschaft zu führen, im Werther im Vordergrund stehen, kann der Roman als Paradebeispiel des Sturm und Drang mit empfindsamem Fundament bezeichnet werden.
Gruß von Sarinchen