Wie ist die Auslegung des Ausdrucks "schriftliche Einladung" in der Vereins-Satzung?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das Wort "schriftlich" oder "in Schriftform" in einer Vereinssatzung ist NICHT nach § 126 BGB zu interpretieren (z. B. OLG Zweibrücken Beschluss vom 4.03.2013, 3 W 149/12) da § 126 BGB für Schriftstücke anzuwenden ist, bei welchen gesetzlich die Schriftform vorgeschrieben ist.

schriftlich/Schriftform würde nämlich bedeuten, daß jede Einladung vom Vorsitzenden eigenhändig unterschrieben sein müsste.

Gem. § 127 (2) BGB genügt zur Wahrung der schriftlichen Form die telekommunikative Übermittlung, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist. Darunter fällt neben dem Telefax auch die E-Mail, da auch so der geschriebene Text dauerhaft aufbewahrt werden oder der Empfänger einen Ausdruck anfertigen kann.


Es kommt auf die konkreten Umstände im Verein an.
Für die Zulässigkeit der E-Mail-Einladung spricht, wenn diese Kommunikationsform im Verein gängig ist und die Mitglieder mit der E-Mail-Nutzung vertraut sind

Ist das nicht der Fall - z. B. wegen der Altersstruktur der Mitglieder - kann nicht allgemein und umstandslos per E-Mail eingeladen werden. Dann muss die Einzelzustimmung des Mitglieds eingeholt werden. Eine entsprechende Satzungsregelung ist aber auch dann nicht zwingend erforderlich.





DerSchopenhauer  18.01.2017, 20:49

"Aus pragmatischen Gründen wird die Einladung per Aushang und
Zeitungsanzeige erfolgen. DANN wird die Satzung entsprechend geändert"

Wenn in der Satzung eine schriftliche Einladung vorgegeben ist, reicht ein Aushang und eine Zeitungsanzeige nicht aus; es muß erst die Satzung geändert werden, dann kann anders verfahren werden.

Die Einladung per Aushang bzw. per Zeitung muß eindeutig und bestimmbar in der Satzung genannt werden.

Bei der Formulierung "schriftliche Einladung" ist für das Mitglied, nach dem allgemeinen Verständnis im Rechtsverkehr eindeutig, daß es persönlich eingeladen wird - das Mitglied braucht sich also nicht um die Kenntnisnahme einer öffentlichen Einladung zu kümmern.

qugart 
Fragesteller
 19.01.2017, 13:37
@DerSchopenhauer

Das wollte ich eben wissen, ob Aushang/Anzeige reicht oder zwingend etwas versandt werden muss. Danke dafür.

Nichts desto Trotz wird die Einladung nur per Aushang/Anzeige erfolgen. Danach erfolgt dann die Satzungsänderung eben mit Aushang/Anhang und E-Mailadresse für diejenigen, die das persönlich wollen (dafür aber auch eine gültige Adresse zur Verfügung stellen müssen, samt Änderungen)

Wo kein Kläger, da kein Richter.

PeterSchu  19.01.2017, 20:40
@qugart

"Wo kein Kläger, da kein Richter."

Das stimmt natürlich, aber wenn unter den Mitgliedern jemand ist, der es beanstandet, gibt es Probleme.

Dieses Problem hatten wir auch. Lösung : Änderung der Satzung:§ 11 Mitgliederversammlung11.1Die ordentliche Mitgliederversammlung findet einmal jährlich im ersten Quartal des Jahres statt. Sie wird vom Vorstand mit einer Frist von zwei Wochen unter Bekanntgabe der vorläufigen Tagesordnung einberufen. Die Einberufung erfolgt in Textform.Mitglieder die eine E-Mail Adresse beim Vorstand hinterlegt haben, bekommen die Einladung mittels elektronischer Post. Für den Nachweis der frist- und ordnungsgemäßen Einladung reicht die Absendung der Einladung an die dem Verein zuletzt bekannte Adresse aus.Wer keine E-Mail Adresse hat, bekommt die Einladung in Textform auf Papier.Auch ist in dieser Form das Mitglied verpflichtet Änderungen der E-Mail Adressen dem Verein mitzuteilen.

Gruß Nocturne

qugart 
Fragesteller
 19.01.2017, 13:39

Hört sich vernünftig an. In die Richtung wird die Satzung dann auch geändert.

Schriftlich bedeutet im Sinne des Vereinsrechts per Brief an jedes Mitglied.

Ansonsten müsste in der Satzung stehen, dass diese per Aushang oder Anzeige erfolgt.

Hintergrund:
Jedes Mitglied muss eine Einladung erhalten. Das ist nicht der Fall, wenn das Mitglied nicht weiß, in welcher Zeitung oder welchem Aushang die Einladung erscheint.

Wir haben unsere Satzung dahingehend geändert, dass die Einladung per Mail erfolgt

Mikkey  18.01.2017, 18:52

Schriftlich bedeutet im Sinne des Vereinsrechts...

Das Vereinsrecht definiert den Begriff "schriftlich" nicht, die Definition steht hingegen in §126 BGB.

$126 BGB Abs. 2 erlaubt die elektronische Form:

Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Die Einladung muss dazu aber signiert werden.

Ansonsten heißt schriftlich "auf Papier", wie dieses dann den Empfänger erreicht, ist nicht festgelegt.

qugart 
Fragesteller
 18.01.2017, 19:30

Es geht ja nicht um die Schriftform. Eine Schriftform ist nicht gefordert, auch in der Satzung nicht.

Dort steht lediglich "schriftlich".

Der § 126 BGB dürfte sowieso nicht zur Anwendung kommen, da eben keine schriftliche Form durch ein Gesetz vorgegeben ist.

Wenn dann müsste es § 127 Satz 2 BGB sein.

Generell dürfte gelten, dass wenn jemand zweifellos annehmen kann, dass ein Text von jemand bestimmtes kommt, die Textform völlig ausreichend ist. Siehe LAG Düsseldorf Az: 12 Sa 944/07

Aber das ist ja nicht die Frage. Die Form ist eindeutig Textform und nicht Schriftform. Es geht um die Art der Zustellung.

Mikkey  18.01.2017, 19:37
@qugart

Schriftlich ist Schriftform.

Sorry, verschrieben, es sollte §126 Absatz 3 heißen.

Bestimmungen sollte man immer komplett lesen, nicht nach den ersten 4 Wörtern abbrechen.

qugart 
Fragesteller
 19.01.2017, 13:30
@Mikkey

Käse. Lass mich raten, du hast das Wissen nur aus dem Internet gegoogelt?

DerSchopenhauer  18.01.2017, 20:27

§ 126 BGB greift nicht, da dieser nur anzuwenden ist, wenn gesetzlich Schriftform vorgeschrieben ist - in diesem Fall muß auf § 127 BGB Bezug genommen werden.

Mikkey  18.01.2017, 20:30
@DerSchopenhauer

Lediglich Absatz 1 bezieht sich darauf, woraus ergäbe sich sonst ein Sinn aus "wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt."

DerSchopenhauer  18.01.2017, 22:36
@Mikkey

Satzung - Einladung - Schriftform

Eine Satzung unterliegt nicht der gesetzlichen Schriftform bzgl. der Einladung.

Für alle gesetzlich nicht schriftformbedürftigen Rechtsgeschäfte sieht das Gesetz noch die freiwillig vereinbarte („gewillkürte“) Schriftform vor (§ 127 BGB).

Bei der gewillkürten Schriftform gelten nach § 127 Abs. 2 BGB geringere Anforderungen.

Daher ist § 127 BGB vorrangig heranzuziehen (wie das OLG Zweibrücken aber auch schon andere Gerichte festgestellt haben).

§ 126 (3):

"Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt."

Das setzt aber voraus, daß es ein gesetzliches Schriftformerfordernis erst einmal geben muß; dieses kann dann ersetzt werden, wenn das nicht gleichzeitig ausgeschlossen wird.

Allerdings:

Bei der Einladung zur MV ist erst gar keine gesetzliche Schriftform definiert - daher gewillkürte Schriftform nach § 127 BGB.

Ein analoges Beispiel aus dem Steuerrecht:

"Ein Lottogewinn ist steuerfrei"

Das kann er nicht sein; denn damit etwas steuerfrei gestellt werden kann, muß es erst steuerpflichtig sein - daher ist der Lottogewinn nicht steuerbar.