Wussten die Menschen vom Holocaust?

13 Antworten

Hitler hat die Wirtschaft nicht besser gemacht, sondern den sozialen Status noch schlechter. Dass die Bäuerin da von der propagandistischen Selbstinszenierung des Regimes beeindruckt ist, kann auch ganz andere Gründe haben...

Bei den letzten freien Wahlen im November 32 waren die Nazis schon wieder auf dem absteigenden Ast, weil sich die Wirtschaft schon da wieder erholte...

Natürlich gab es klarsichtige Menschen, die die Mordphantasien Hitlers aus "Mein Kampf" ernst genommen haben. Andererseits sind die Nazis nicht damit hausieren gegangen, alle Juden ausrotten zu wollen und Menschen für Witze über Hitler umbringen zu wollen.

Als der Holocaust begann, wusste mehr oder weniger auch jeder, dass die Juden nicht so einfach "verschwanden"...

https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitgen%C3%B6ssische_Kenntnis_vom_Holocaust


DerRoll  04.03.2024, 08:16
Bei den letzten freien Wahlen im November 38 waren die Nazis schon wieder auf dem absteigenden Ast, weil sich die Wirtschaft schon da wieder erholte...

November 32...

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Adtzec  04.03.2024, 08:30
@DerRoll

Ups, natürlich! Korrigiere ich gleich! Danke!

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Als Einstieg in die Frage siehe hier

Zeitgenössische Kenntnis vom Holocaust – Wikipedia

Die zeitgenössische Kenntnis vom Holocaust wurde ab den 1990er Jahren ein besonderes Forschungsthema der Zeitgeschichte. Nach übereinstimmender Einschätzung der neueren Forschung stellt die vielfach vorgebrachte Aussage der Deutschen in der Nachkriegszeit, man habe vom Holocaust nichts gewusst, eine Schutzbehauptung dar. Tatsächlich war der massenhafte Mord an den Juden Europas ein offenes Geheimnis, das man durchaus hätte kennen können. Stattdessen hätten viele aber gezielt weggeschaut.

Kurz, auch die Frau wird von Dachau gewusst haben und Antisemitin gewesen sein, weil Hitler das ja auch war.

Und man wusste von Verfolgung, Entrechtung und Ermordung bereits vor dem Krieg.

Ach ja.

Weiters habe ich einen Brief einer Frau an ihre Tante gefunden, geschrieben im April 1938. Sie war eine Landwirtin und schrieb dass sie dank H…. endlich wieder ihre Produkte verkaufen kann. Davor hatte ewig niemand mehr was von ihnen gekauft und das Geld war auch nichts Wert. Sie war froh dass es H… gab und er sie aus der aussichtslosen Situation gebracht hat. Weiters schrieb sie dass sie so glücklich darüber ist dass die Arbeitslosenrate gesunken ist und das Land endlich wieder wirtschaftlich besser dasteht.

Die Volkswirtschaft des Nationalsozialismus war alles andere als gesund. Ein weiteres Märchen. Die Frau wird vermutlich nicht zu den Gebildeten der damaligen Zeit gehört haben und hatte davon offensichtlich keine Ahnung. Ein Grund mehr warum gute Bildung so wichtig ist.

Man möge sich als Einstieg hier mal einlesen.

Wirtschaft im Nationalsozialismus – Wikipedia

Sowohl die zunächst unsolide, später kriminelle Geldpolitik als auch die Verflechtung von Wirtschaft, Staat und Partei führte noch vor Kriegsbeginn zu einem enormen Staatsdefizit, welchem der NS-Staat durch ordnungspolitische Zwangsmaßnahmen und ungedeckte Geldschöpfung der Reichsbank, auch durch Drittgesellschaften, zu begegnen versuchte. Die erforderliche Finanzierung der Anleihen und Mefo-Wechsel verstärkte den Expansionsdruck Deutschlands, um im Zuge des Krieges schließlich die Ressourcen der eroberten Gebiete systematisch durch Raub, Zwangsarbeit, Besatzungsabgaben und Requirierung auszubeuten.

Kurz, die Wirtschaftspolitik war chaotisch, abenteuerlich und alles andere als solide.


Interesierter  04.03.2024, 12:43

Ich denke, du siehst das aus einer falschen Perspektive. Du betrachtest das mit dem heutigen Wissen und mit deiner heutigen Sozialisierung.

Die Frau um die es in der Frage geht, gehört offensichtlich zur Landbevölkerung. Ihr Bildungsstand dürfte nicht allzu hoch gewesen sein.

Die tatsächlich verfügbaren Informationen waren gerade auf dem Land damals sehr begrenzt. Die wenigen verfügbaren Medien waren zensiert.

Hinzu kommt, dass der Holocaust, also die Massenvernichtung erst nach 1940 begann. Der Brief datiert aus dem April 1938, also noch deutlich vor der Reichspogromnacht.

Auch der Kontext mit dem verlorenen 1. WK, der Weltwirtschaftskrise ab 1929 und dem damals weit verbreiteten Antisemitismus der weitgehend gesellschaftsfähig war, sollte mit beachtet werden.

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Mork77  04.03.2024, 13:25
@Interesierter
Die Frau um die es in der Frage geht, gehört offensichtlich zur Landbevölkerung. Ihr Bildungsstand dürfte nicht allzu hoch gewesen sein.

Darauf habe ich hingewiesen

Die tatsächlich verfügbaren Informationen waren gerade auf dem Land damals sehr begrenzt. Die wenigen verfügbaren Medien waren zensiert.
Hinzu kommt, dass der Holocaust, also die Massenvernichtung erst nach 1940 begann. Der Brief datiert aus dem April 1938, also noch deutlich vor der Reichspogromnacht.

Die Verfolgung der Juden begann bereits 1933, und das reichsweit. Das bekam man auch auf dem Land mit, wenn man denn wollte. "Sonst kommst du nach Dachau" war reichsweit ein geflügeltes Wort.

Menschen hören grundsätzlich das, was sie hören wollen. Man konnte sehr wohl mehr hören, wenn man denn wollte. Man wollte halt nicht.

Experten wussten, dass die Wirtschaftspolitik der Nazis eine Katastrophe war. Hjalmar Schacht trat auch deswegen 1937 zurück.

Es gibt noch einen Grund, warum ich ein vollständiges Bild liefern will.

Diese Seite ist voll von Hitlerfans und Möchtegernholocaustleugnern, die gerne mit derartigen "Fragen" erreichen wollen, dass von der NS-Zeit etwas positives bleibt. Das gab es aber nicht.

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Interesierter  04.03.2024, 13:32
@Mork77

Im Kern möchte ich auf den Punkt hinaus, dass für eine einfache Landfrau im Frühjahr 1938:kaum absehbar war, welche Ausmaße die damals zweifellos bereits erkennbare Judenverfolgung noch annehmen würde.

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Mork77  04.03.2024, 13:39
@Interesierter

Und ich ergänze das damit, dass es sie vermutlich auch nicht weiter interessiert hat.

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Interesierter  04.03.2024, 14:02
@Mork77

Das ist möglich.

Natürlich hast du recht, dass die Wirtschaftspolitik Hitlers katastrophal war.

Nur auch hier. Inwieweit war das für eine einfache Landfrau erkennbar? Die sah ja vordergründig erst einmal ihren kleinen Mikrokosmos.

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Mork77  04.03.2024, 14:29
@Interesierter

nochmal

Es gibt noch einen Grund, warum ich ein vollständiges Bild liefern will.

Diese Seite ist voll von Hitlerfans und Möchtegernholocaustleugnern, die gerne mit derartigen "Fragen" erreichen wollen, dass von der NS-Zeit etwas positives bleibt. Das gab es aber nicht.

 Inwieweit war das für eine einfache Landfrau erkennbar?

Gar nicht, weil ihr die Kompetenz fehlt das zu beurteilen. Das ändert aber nichts daran, dass ihre Auffassung kurzsichtig und falsch war.

Und darauf darf man sehr wohl hinweisen.

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Interesierter  04.03.2024, 14:38
@Mork77

Da kann ich dir nur zustimmen.

Mir persönlich ist daran gelegen, die Dinge möglichst realistisch zu beleuchten.

Gerade da tun wir uns heute oftmals schwer, weil Informationen für uns heute etwas vollkommen selbstverständliches sind.

Hinzu kommt, dass wir heute dazu neigen, die Dinge zu vereinfachen.

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Man hatte kein Social Media. Wenn man neben dem Kz wohne konnte man schlecht ein Video drehen und Satellitenaufklärung gab es nicht. Wenn man weit entfernt von einem Kz lebte hat man Höchstwahrscheinlich wenig mitbekommen. Viele glauben bis zuletzt man hätte die Juden ins Ausland gebracht.

Es gibt Videos wie man Wehrmachtssoldaten nach dem Krieg Bilder von dem Holocaust zeigt und die absolut schockiert sind.

Aber ich gehe davon aus das viele die Vermutung hatten was wirklich passiert aber wahrscheinlich nicht in dem Ausmaß.

Ich meine man hat nicht in der Zeitung damals Bilder aus der Gaskammer abgebildet.

Woher ich das weiß:Hobby – Ich bin Geschichtefan :)

Die Frage wirklich umfassend zu beantworten würde hier den Rahmen sprengen.

Sehr vereinfacht könnte man sagen: Sehr viele Menschen wussten Bescheid. Und viele von denen, die nichts vom Holocaust wussten, wollten auch dieses auch einfach nicht wissen. Die Kenntnis wurde also abgelehnt ("Das will ich gar nicht hören") oder sich selber eingeredet, dass man die Information nicht hat, also die Kenntnis aktiv verdrängt.


Interesierter  04.03.2024, 12:46

Ich denke, es wäre sinnvoll zu differenzieren, wer wann was wusste bzw. wissen konnte.

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CookieDent  04.03.2024, 13:06
@Interesierter

Diese Differentierung ist leider kaum möglich. Es lässt sich kaum feststellen, wie die "Meldewege" verlaufen sind und wer wann geschwiegen hat. Man kann inzwischen anhand aufgefundener Korrespondenzen und auch abgehörter Gespräche zwischen Kriegsgefangenen sagen, dass das Wissen über die Gräuel weit verbreitet war.

Somit kann man erst mal nur sicher sagen, dass viele über die massenweise Ermordung Bescheid wussten, schwerlich aber wer und wann.

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Interesierter  04.03.2024, 13:15
@CookieDent

Anders ausgedrückt. Was konnte eine einfache Frau der Landbevölkerung im April 1938 tatsächlich wissen?

Das war ja 7 Monate vor der Reichspogromnacht, 17 Monate vor Kriegsbeginn und 3; Jahre vor Errichtung des Vernichtungslagers Auschwitz Birkenau.

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CookieDent  04.03.2024, 13:20
@Interesierter

Nun. Vom Holocaust spricht man erst ungefähr ab 1939. 1938 hatte man dementsprechend auch keine Kristallkugel, in der man die Ereignisse hätte sehen können.

Es zeichneten sich aber schon Zuspitzungen und Aktionen gegen die jüdischen Mitbürger ab.

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Interesierter  04.03.2024, 13:27
@CookieDent

Das ist wohl richtig.

Ich gebe aber zu bedenken, dass es sich hier mutmaßlich um eine Frau aus der einfachen Landbevölkerung handelte.

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CookieDent  04.03.2024, 13:34
@Interesierter

Senkt in der Tat die Wahrscheinlichkeit, dass die Dame Kenntnis hatte, aber auch da ist dann wieder die Frage, wie die Verbindungen in die entsprechenden Kreise waren.

Man kann hier also leider nur über Wahrscheinlichkeiten diskutieren.

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Interesierter  04.03.2024, 13:56
@CookieDent

Dass die Frau Kenntnis von der Judenverfolgung an sich hatte, ist anzunehmen.

Die Rassengesetze waren ja damals schon bekannt. Dass es Enteignung, Vertreibung und Inhaftierung gab, dürfen wir wohl auch als bekannt annehmen.

Bei den Fallzahlen dürfte es dann aber schon ziemlich dünn werden.

Welche Ausmaße das alles noch annehmen würde, davon hatte sie mit Sicherheit keine Vorstellung.

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Dass Hitler "die Judenfrage" lösen wollte, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Anfangs haben sich viele aber keinen Kopf gemacht, wie das aussehen sollte. Antisemitismus war übrigens zu der Zeit nicht nur in Deutschland weit verbreitet, sondern in Europa, wenn vielleicht auch nicht so extrem. Als die ersten Juden in Lager transportiert wurden, haben sich viele eher gefreut, aus deren Nachlässen das eine oder andere Schnäppchen ergattern zu können