Wie hoch wäre vermutlich die Spielstärke der besten Blindschachspieler...

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es gibt zwei experimentelle Quellen, um das Vorurteil 'Blinde Spieler und Blindspieler sind deutlich schwächer als die Sehenden Pendants' zu widerlegen. Erste Heuristik: Amber-Turnier: "Somewhat surprisingly, the FIDE rankings correlated most strongly with the Blindfold rather than with the Rapid rankings". Auf Deutsch: die Spielstärke wird durch Rapidspiel stärker gemindert als durch Blindspiel (von Sehenden): http://www.blindfoldchess.net/blog/2010/06/comparisonofgrandmasterrankingsinblindfoldvs.rapidvs.regularfide_/

Zweite Heuristik: Rating vergleichen von Sehenden mit Blinden. Da es viel mehr Sehende gibt, muss die Leistungskurve auch nach weiter oben gehen. Aus diesem Vergleich kann man aber den Unterschied in der Grundstärke berechnen.


Inschenieur 
Fragesteller
 17.12.2010, 17:13

Interessanter Link von dir, danke! Allerdings spielen hier beide Seiten blind, von daher ist kein direkter Vergleich der Spielstärken zwischen blind und normal gegeben.

Zum zweiten Punkt: Genau das gleiche hatte ich mir auch überlegt - es gibt schließlich relativ wenige blinde Spieler - die Wahrscheinlichkeit ist also gering, dass von den vielen Schachspielern ausgerechnet ein Blinder ein Weltklassetalent hat.

Habe aber von einem blinden Spieler namens Krylov gehört, der auf Großmeisterniveau spielt.

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Tigrillo  17.12.2010, 22:46
@Inschenieur

"kein direkter Vergleich der Spielstärken zwischen blind und normal" I wo, warum nicht? Dieselben Spieler, einmal sehend-lang, dann blind-lang, dann sehend-kurz.

Der Punkt ist, dass hier 'blind' nicht wirklich blind bedeutet, sondern Ansicht des Brettes ohne Figurensymbol.

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Inschenieur 
Fragesteller
 21.12.2010, 06:54
@Tigrillo

Das schon, aber es spielen ja beide Großmeister je blind, oder beide sehend - und nicht einer blind und einer sehend. Darum steht auch: "numerical values of the ratings cannot be legitimately compared" Man könnte sie erst dann vergleichen, wenn in den Partien je einer blind und einer sehend spielt.

Von deiner verlinkten Seite aus gibt es aber noch mehr interessante Links, zB hier: http://www.blindfoldchess.net/blog/2010/06/marclangholderofnewgermansimultaneousblindfoldrecordwilltry46ga/

In diesem Link steht, dass FIDE-Meister Lang vermutet, dass im Blind-Simultan gegen 46 (!!) Gegner seine Spielstärke mehr als 400 Punkte geringer ist.

Das stimmt auch mit deinem Beitrag von oben überein, wo du beim Blindsimultan von GM Hort 400 Elo weniger schätzt.

Bei "normalem" Blindspiel (ohne Simultan) sollte die Differenz also um einiges geringer sein. (200-300 Punkte vielleicht)

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Tigrillo  21.12.2010, 08:04
@Inschenieur

Wie kamen nur die Berechner der Blindturnier-Leistung auf die Idee, von normalen Wertungszahlen auszugehen? Ist so falsch, wie wenn man die Leistung von Radrennfahrern im Laufen messen würde.

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Wenn man plötzlich von visuell umstellen muss büßt man mit Sicherheit zunächst einmal gewaltig ein. Vielleicht wird man auch tatsächlich nie wieder so gut wie vorher. Aber prinzipiell hat ein Blinder, der es so gelernt hat dem Sehenden gegenüber keinen Nachteil. Das ist ja das Tolle am Schach, dass es im Kopf stattfindet.


wolfgang1956  17.12.2010, 08:58

Man stellt nicht plötzlich um …

Alles was man voraus berechnet, kann man nur „blind“ berechnen …

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Das würde im Prinzip eig nichts ändern weil die Felder alle nummeriert sind und man auch ohne sehen zu können weiß wo die Figuren stehen.


Inschenieur 
Fragesteller
 17.12.2010, 17:24

Ich hab blind spielen noch nicht trainiert, nur mal ausprobiert - von daher hab ich da relativ wenig Ahnung - aber ich finde schon dass es zusätzliche Konzentration kostet und man mehr Fehler macht.

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Bei den Top-Großmeistern liegt die Spielstärke im Blindspiel nicht unter der bei Ansicht des Brettes. Viele Großmeister berechnen auch am Brett ihre Kombinationen blind, weil sie die Ansicht des Brettes stört. Ivanchuk z. B. blickt nach oben, wenn er etwas berechnet und der ehemalige Weltmeister Tal bekam einen starren Blick, weswegen seine Gegner behaupteten, er versuche sie zu hypnotisieren.

Blinde sind nur "etwas anders" als Sehende, das Schachspielen bleibt aber gleich! D.h. es gibt keine Unterschiede in der Spielstärke, da sich ein blinder Spieler jederzeit die Stellung ins Gedächtnis rufen kann, so wie sie ein Sehender sieht und die Projektion dann im Gedächtnis hat.

Ich arbeite selbst mit einem Blinden und wir spielen ab und zu eine Partie und es gibt absolut keine Unterschiede! Nur muss man ab und zu die Stellung "sagen" oder die Züge mündlich vorlesen, das hilft denen natürlich.

Das es nicht soviele Blinde Schachspieler mit "hammer-ELO" gibt, liegt allein daran, dass Blinde halt selten sind, vorkommen und das erklärt eigentlich alles: selten blinde Spieler = gleich weniger blinde Champions unter allen Schachspielern!


Inschenieur 
Fragesteller
 17.12.2010, 17:31

Einen blinden Spieler kenne ich auch, er spielt nicht schlecht - allerdings frage ich mich, ob diese Spieler nicht wesentlich besser wären, wenn sie sehen könnten.

Vielleicht würde dein Kollege dich jedes mal besiegen, wenn er zusätzlich die Brettansicht hätte.

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