Politik: Wie findet ihr dieses Lied (aus einem Kinderfilm)?

3 Antworten

Kontextfrei finde ich das Musikwerk auch befremdlich oder seltsam, aber es ist offenkundig im Kontext der Filmhandlung zu betrachten und dann wird es schon logischer:

„Bibi und Tina begegnen bei einem Ausritt an den Fluss einem jungen Ausreißer, welcher sich als Aladin vorstellt und erklärt, dass er aus Syrien nach Deutschland geflohen sei. Sie nehmen ihn mit, sind jedoch überrascht, als sie in der folgenden Nacht in einer Scheune auf die Brüder Karim und Sinan treffen, die ebenfalls angeben, aus Syrien zu stammen. Schnell stellt sich heraus, dass der junge Aladin tatsächlich gar nicht aus Syrien kommt und außerdem gar kein Junge, sondern ein Mädchen namens Adea ist. Sie erklärt Bibi und Tina, dass sie aus Albanien komme und vor ihrer Familie geflüchtet sei, da diese sie zwangsverheiraten wolle und ihr verboten habe, zur Schule zu gehen. Außerdem seien ihr Onkel Addi und ihre beiden Cousins ihr bereits dicht auf den Fersen, um sie zurückzuholen.“

Hessen001 
Fragesteller
 14.07.2022, 22:43

Das macht das Lied in meinen Augen auch in diesem Kontext irgendwie nicht besser.

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Hessen001 
Fragesteller
 14.07.2022, 22:48

Hab nochmal geschaut: Das in der Szene ist allerdings wirklich ein Junge, kein Mädchen.

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Huiuiuiuiui. Kurzfassung: Ein textuelles Fraktal des Grauens; je länger man guckt desto schlimmer wirds.

Also ich finde dieses Lied, auch oder gerade wenn es in einem Kinderfilm ist, extrem befremdlich. 
Für mich klingt es etwas nach: "Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang..."

Zunächst mal vornewege: Ich stimme dir voll und ganz zu. "Befremdlich" ist das richtige Wort, es lag mir beim ersten Hören auch direkt auf der Zunge. Je mehr ich daran rum-analysiere, desto mehr wandert es jedoch in Richtung "bedenklich".

Beim Lesen des Textes und des von von martinjharwig gelieferte Kontextes sowie beim Anschauen des Musikvideos offenbaren sich neben der offensichtlichen Baustelle der "deutschen Mädchen" noch diverse weitere Probleme. Ohne hier jetzt einen zehnseitigen Essay verfassen zu wollen, hier trotzdem mal das Gröbste:

Nationalismus. Der offensichtlichste, da befremdlichste Teil. Der Begriff der "deutschen Mädchen" kreischt einen mit den dahinterstehenden Assoziationen ja schon gewissermaßen an. Man beobachtet hier eine Taktik, die in nationalistischen Narrativen häufig angewandt wird: Durch die Aneinanderreihung diverser als positiv konnotiert verstandener Attribute wird eine Gruppe von Menschen konstruiert, die in der Realität so eigentlich gar nicht vorkommt: "Deutsche Mädchen" sind dem Text zufolge unter anderem: stolz, smart, weiß (sic!), sie lachen und singen viel.

Hoppala. Wie für solche Narrative üblich sind die Attribute von Mitgliedern der fiktiven Kategorie ("deutsche Mädchen") nicht nur völlig willkürlich gewählt, die Definition des Mitgliederstatus erfolgt gewissermaßen rekursiv: Verfügst du nicht über besagte Attribute gehörst du nicht dazu. Du kannst noch so sehr in siebter Generation in Gütersloh geboren sein, wenn du nicht "smart, weiß und stolz" bist (mutmaßlich auch darauf, weiß zu sein) sowie gut singen kannst ("wie es groovt wenn ihr ruft") und viel lachst, bist du kein "richtiges" deutsches Mädchen. Kurzum: Statt "deutsche Mädchen" hätten sie auch einfach "Arierinnen" schreiben können, das hätte die Bedeutung auch nicht verfälscht.

Sexismus. Schön und gut. Nun könnte man ja hoffen: "Hey, immerhin haben sie ein halbwegs modernes Frauenbild, der Sexismus hält sich ja vielleicht in Grenzen..."

Man würde vergebens hoffen, denn an dieser Front sieht es keinen Deut besser aus. Neben den o.g. positiven Attributen, die der Konstruktion und künstlichen Überhöhung der fiktiven Gruppe dienen, findet man nämlich noch reichlich weitere, die aus feministischer Perspektive ein... nennen wir es "Problem" darstellen.

"Deutsche Mädchen" sind nämlich auch: manipulativ ("ganz geschickt eingenickt"), klein, ringen um Worte [sind also auch nicht zu "smart"], zickig, eigentlich überhaupt nicht smart ("und ihr checkt nix"), sie verlieren niemals ihre Fassung, nicht bei krasser Unterlassung [will meinen, sie lassen alles mit sich machen ohne aufzumucken].

Uff. Da soll noch einmal jemand sagen, "traditionelle Geschlechterbilder" stürben aus. Dazu schreibe ich lieber einfach nichts mehr, wer weiß was mir da noch entgegen kommt... Auf zur nächsten Front!

Rassismus. Hier bieten sich wieder verschiedene Themenkomplexe, die ich jeweils nur anreißen möchte: Nicht nur werden in Lied wie Musikvideo die üblichen Klischees rappender, nuschelnder, breakdancender Jugendlicher mit Migrationshintergrund bedient - doch wen überrascht das an diesem Punkt noch - nein, vor allem zeigt sich, dass hier Menschen mit Migrationshintergrund Aussagen über Eindrücke in die kollektiven Münder gelegt werden, die viele so wohl nie gemacht haben werden. Kurzum, man redet über Migrierte, nicht mit ihnen, geschweige denn, dass man sie selbst zu Wort kommen lässt.

So, jetzt mache ich lieber mal Schluss, sonst finde ich nur noch mehr Schmutz.

Fazit. Das Lied und der zugehörige Film mögen aus dem Jahr 2017 stammen, die hier vermittelten Denkmuster und Ideologien wären 1937 aber sicherlich besser aufgehoben.

Liebe Grüße vom Bund deutscher Mädel, ich geh' jetzt kotzen!

Knallfrosch24

Woher ich das weiß:Recherche

befremdlich (nicht nur weil es Rassismus fördert)