Welcher SPD-Kanzlerkandidat wäre zwischen 1982 und 1998 der beste Kanzler gewesen?

Das Ergebnis basiert auf 29 Abstimmungen

Helmut Schmidt hätte mindestens bis 1990 Kanzler bleiben sollen 62%
Helmut Kohl war der ideale Kanzler zwischen 1982-1998 24%
Oskar Lafontaine (1990) 7%
Johannes Rau (1986) 3%
Gerhard Schröder war schon zur richtigen Zeit Kanzler geworden 3%
Hans-Jochen Vogel (1983) 0%
Rudolf Sharping (1994) 0%

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Helmut Kohl war der ideale Kanzler zwischen 1982-1998

Eigentlich nicht wirklich, aber man muss ja auch ein bisschen die politischen Realitäten in Deutschland betrachten.

Deutschland ist im Wesentlichen ein bürgerlich geprägtes Land, die Union ist die "strukturelle Mehrheitspartei" und muss mehr dafür tun, eine Wahl zu verlieren, denn eine Wahl zu gewinnen.

Die SPD-Kandidaten, die in Deutschland Kanzler geworden sind, waren Realpolitiker und definitiv nicht vom linken Flügel der Sozialdemokratie. Willy Brandt ist hier etwas gesondert zu betrachten, aber ein SPD-Linker war er als Mitinitiator des Godesberger Programms auch nicht. Gerade über Helmut Schmidt wurde oft gesagt, dass er in der falschen Partei sei und dass die Wähler ihn als Person geschätzt haben, die SPD aber deshalb nicht zwingend gewählt haben. Schmidt hat als Kanzlerkandidat keine Wahl gewonnen, er bekam 1976 und 1980 jeweils rund 42 Prozent und verlor damit gegen Helmut Kohl (1976) und Franz Josef Strauß (1980). Da die FDP von vornherein mit der Aussage in den Wahlkampf gegangen war, mit der SPD koalieren zu wollen, ist es absolut unkritisch, dass Schmidt nach beiden Wahlen zum Kanzler gewählt wurde. Es zeigt aber auch, dass ein signifikanter Anteil der Leute, die Schmidt schätzten, auf die FDP ausgewichen sind und nicht die SPD wählen wollten. Nicht mal im Jahr 1980 als Franz Josef Strauß der Gegenkandidat der Union war.

Schmidt scheiterte 1982 nicht an Helmut Kohl, sondern an seiner Partei. Schmidt vertrat mit dem Nato-Doppelbeschluss einen militärfreundlichen Kurs, der zwar bei Union und FDP Anklang fand, in der eigenen Partei aber nicht (kommt einem irgendwie bekannt vor, gell?).

Was will ich damit sagen? Schmidt war 1982 nicht mehr regierungsfähig, weil er in der SPD nicht mehr mehrheitsfähig war. Ein Weiterregieren war nach 1982 nicht mehr denkbar, deshalb ist es müßig, darüber zu spekulieren, denn Schmidt wäre eine Lame Duck gewesen und wäre die FDP 1982 nicht zur Union gewechselt, hätte die Union bei der nächsten Wahl 1984 die absolute Mehrheit geholt, egal wen sie aufgestellt hätte.

Hans-Jochen Vogel wäre sicherlich ein guter Kanzler geworden, war aber aufgrund des offenen Nachrüstungskonflikts in der SPD auch gehemmt. Auf YouTube gibt es ein Video einer Vorwahldiskussion zur Bundestagswahl 1983, indem es Vogel nicht wagt, zum Nato-Doppelbeschluss eindeutig Stellung zu beziehen, weil dieser in der SPD so umstritten war. Auch er wäre eine lame duck gewesen, insbesondere wenn er mit den Grünen hätte regieren müssen, was damals seine einzige Option war.

Rau steht für eine vollkommen gescheiterte Industriepolitik in NRW, die Getreu der sozialdemokratischen Fortschrittskritik viel zu lange an den alten Strukturen aus Kohle und Stahl festhielt. Ihn hätte ich mir nicht als Kanzler vorstellen wollen.

Lafontaine war bzw. ist ein (SPD-) Linker und zu links um mehrheitsfähig in Deutschland zu sein. Man muss ihm anrechnen, dass er im Wahlkampf 1990 ehrlich benannte, dass die Einheit teuer werden würde, dennoch hätte er wohl starke Akzente gesetzt, um Deutschland aus der transatlantischen Westbindung heraus- und richtung Russland zu führen. Das war damals falsch und ist es heute umso mehr.

Darüber hinaus möchte ich eine Lanze für den viel gescholtenen Helmut Kohl brechen. Kohl war zu lange Kanzler, keine Frage, aber er war so ziemlich der Einzige, der im Herbst 1989 die Chance zur deutschen Einheit erkannte und sie auch umsetzte. Wenn heute gesagt wird, ihm sei die EInheit "in den Schoß gefallen", ist das wirklich Blödsinn. Er hat das schmale Zeitfenster erkannt, um die DDR aus dem Warschauer Pakt freizukaufen und hat sie genutzt. Weder die Franzosen, noch die Briten, noch die Russen waren dafür und wer sich Äußerungen der damals führenden SPD-Politiker Lafontaine, Engholm oder auch Brandt und Bahr anhört, der merkt, dass Kohl hier eine wirklich niemand war, der sich ins gemachte Nest setzte.

Justin19980320 
Fragesteller
 05.03.2023, 02:03

Sehr schön formuliert... Du verdienst die hilfreichste Antwort und gerne kannst du auch alle anderen Fragen zum Thema Politik beantworten.

Ich bin ja ein Fan von Gedankenexperimenten und obwohl ich SPD wähle, verstehe ich jetzt warum es 1982 ein Misstrauensvotum gab.

Was hältst du von Klingbeil? Hätte er das zum Bundeskanzler?

Der nächste Bundeskanzler der Union wird hoffentlich Daniel Günther.

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Schlaumayrl  05.03.2023, 10:07
@Justin19980320

Klingbeil hat bisher keine Regierungserfahrung, was eher unüblich ist. Sollte die SPD nach 2025 an der Regierung bleiben, wonach es bisher nicht aussieht, würde er vermutlich ein Ministeramt übernehmen und könnte sich so weiter profilieren. Klingbeil ist bisher als Parteipolitiker aufgefallen, weniger als jemand, der gesamtgesellschaftliche Thesen aufgestellt und Konzepte dafür vorgestellt hätte, über ihn als Bundeskanzler zu spekulieren, ist wohl viel zu früh.

Günther ist sicherlich ein möglicher Kanzlerkandidat für 2025, er steht in der Union aber sehr links, weshalb er schon mit dem Spitznamen "Genosse Günther" belegt wurde. Ich glaube nicht, dass er in CDU mehrheitsfähig wäre und dass die CSU ihn akzeptiert, kann ich mir vollends nicht vorstellen. Ich denke, Merz wird 2025 auf jeden Fall selbst antreten wollen und auch Söder hat seine Ambitionen sicherlich nicht begraben, auch wenn er das jetzt so behauptet. Für die Union der beste Kandidat wäre wohl Hendrik Wüst aus NRW.

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neinxdochxoh  05.03.2023, 14:40
@Schlaumayrl

Wüst ist identisch mit Günther, links, grünaffin und Merkelianer. Wir hätten dann eine weitere linke Partei. Die AfD würde steigen.

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Schlaumayrl  05.03.2023, 14:46
@neinxdochxoh

Wüst koaliert notgedrungen mit den Grünen, wurde aber immer dem eher konservativen Flügel der Union zugerechnet, als Merkelianer würde ich ihn nicht bezeichnen.

Das ist aber auch nicht wichtig, denn den Zusammenhang von AfD und CDU/CSU, den es um 2015 einmal gab, gibt es heute nicht mehr. Die heutigen AfD-Wähler sind für die Union nicht mehr erreichbar und der Schritt von der Union zur AfD ist heute viel größer als früher, da sich die AfD zu einer rechtsextremen Partei radikalisiert hat.

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Helmut Kohl war der ideale Kanzler zwischen 1982-1998

Was ist schon ideal? Und seine Amtszeit war auch zu lange! Aber ob es die deutsche Einheit ohne ihn wirklich gegenben hätte, ist ziemlich fraglich! Und er wurde auch aus guten Gründen zum ersten Ehrenbürger der Europäischen Union erklärt. Die ganzen SPD-Politker hatte die Einheit als Staatsziel doch längst aufgegeben!

Helmut Kohl war der ideale Kanzler zwischen 1982-1998

der wäre es nicht nur -- der wars

jeder andere der aufgezählten hätte die Deutsche EInheit nicht hinbekommen.

ok er war nicht von der SPD ... von der SPD hätte dann nur Helmut Schmidt ne Chance gehabt. Aber wie gesagt: keine Deutsche Einheit mit dem.

Gerhard Schröder kam ja nur dran, weil die CDU/CSU einen Bayer aufgestellt hat .. ganz D wählt nie Bayer als Kanzler -- außerdem von den Medien gehypte. Also Wählerbeeinflussung Richtung Schröder wählen.

Gute Frage. Helmut Kohl gilt ja als Kanzler der Einheit, während linke Politiker wie Lafontaine oder Schröder entschiedene Gegner der Wiedervereinigung waren. Möglicherweise war Kohl der richtige Kanzler zu dieser Zeit. Ich stimme jetzt dennoch nicht ab, sei bitte nicht sauer.

Justin19980320 
Fragesteller
 03.03.2023, 14:04

Alles gut, tatsächlich hätte ich Johannes Rau besser gefunden, schließlich war er 20 Jahre Ministerpräsident von NRW und 5 Jahre Bundespräsident.

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