Was bedeutet "Identität" für euch?
Hallo Leute, mich beschäftigt momentan ein Thema.
Ich frage mich sehr oft, wer ich eigentlich bin bzw. was für einen Platz ich in der Welt einnehme.
Ich bin in Deutschland aufgewachsen, meine Eltern kommen aus einem anderen Land.
Ich persönlich habe mich nie als Deutscher gefühlt bzw. jemals ein Problem damit gehabt, dass ich Ausländer bin: Für mich bedeutet das nichts.
Andererseits hatte ich bisher immer ein starkes Nationalgefühl, wenn es um meine Heimat ging: Und das ist auch immer noch so, ich liebe die Menschen, das Land, es ist einfach wunderschön.
Mir ist aber aufgefallen, dass das nicht alles ist. Jeder Mensch hat genau genommen viele Ethnien, die er genetisch in sich vereint, wir werden in eine bestimmte Rolle reingeboren, die wir unser Leben lang spielen.
Ich empfinde es als beschränkend, ich fühle mich nicht wirklich frei. Ich liebe mich wie ich bin, aber andererseits finde ich, dass wir uns in Schubladen einteilen, indem wir Informationen über uns preisgeben.
Wie heißt du? Woher kommst du? Was glaubst du? Welche Sprachen sprichst du? Wie siehst du dies und jenes?
Die Leute machen sich von vornherein ein Bild und denken je nachdem gar gut oder schlecht über einen.
Deshalb wäre ich gerne niemand. Nicht, weil ich meine Identität ablehne - ganz im Gegenteil - sondern weil ich frei sein möchte von den Ketten dieser Welt. Wie seht ihr das? Liege ich falsch damit?
5 Antworten
Das kann ich gut nachvollziehen. Mir gefällt auch dein Satz "Deshalb wäre ich gern niemand".
Das bedeutet, du willst und musst nichts beweisen, du bist einfach. Ich bin auch niemand, und vielleicht glücklicher und erfolgreicher dabei als andere, die denken, sie wären jemand.
Du liegst richtig damit, finde ich.
Sprachgrenzen ;) du kannst dich beispielsweise mit deinem dialekt identifizieren, egal wo auf der welt
Damit liegst Du genau richtig.
Wer bist Du denn?
Bist Du Dein Auto, Dein Haus, Dein Boot? Nein.
Bist Du deine nationale Abstammung, dein Hobby oder dein Beruf. Nein. - Manche denken sie seien Bäcker, Schuster, Metzger oder Schreiner, nöö.
Bist Du deine Haare, Fingernägel, Rotz oder Spucke? Nein.
Bist Du deine Arme und Beine? Nein.
Bist Du deine Gedanken oder Bilder im Kopf? Nein.
Bist Du deine Gefühle? Nein.
Bist Du vielleicht ein Konzept, ein ICH oder sowas? Nein.
Ja, zum Kuckuck wer bist Du denn???
Das was Du bist ist bereits frei. Das Problem sind tatsächlich die Identifikationen. Also mit dem Beruf, der gesellschaftlichen Stellung oder dem Körper.
Der Begriff „Identität“ ist zunächst einmal für die Philosophie interessant, weil man weiß, dass sich der Mensch mit jeder Erfahrung ändert, dass jede intensive Begegnung mit anderen Menschen unsere Persönlichkeit modifiziert. Auch jede ernstere Krankheit lässt durch das Bewusstsein um die eigene Verletzbarkeit unser Selbstbild gewandelt zurück. Nicht zuletzt lassen auch die Lebensjahre mit der Zunahme kleiner Defizite, gewiss auch dem größeren Erfahrungsfundus, eine Person entstehen, die mit derjenigen vor diesen Veränderungen nur bedingt übereinstimmt. Ganz besonders gravierend erleben wir auch Veränderungen durch eine intensive Psychotherapie, durch einen völligen Wandel im Lebensstil, durch gravierende Außeneinflüsse wie Krieg oder Vertreibung, Frauen (mehr als Männer) durch die Geburt eines Kindes.
Und trotzdem haben wir das Gefühl, dass wir letztlich immer noch derselbe sind. Wir können immer noch für Taten zur Verantwortung gezogen werden, die viele Jahre zurückliegen, als wir noch jemand anderes waren. Die Gesellschaft um uns hält also an unserer Identität fest, obwohl sie nicht wirklich gegeben ist.
Man kann also fragen, ob es einen bestimmten stabilen Kern unserer Persönlichkeit gibt, der uns Identität während des ganzen Lebens gibt. Und da lehrt uns der Blick in die Kultur- und Philosophiegeschichte, dass sich wirklich kluge Köpfe in dieser Frage total uneins waren.
Und nun Dein besonderes Problem, dass Du sogar ohne all die genannten Faktoren darum ringst, überhaupt erst einmal Deine Identität im Sinne einer eindeutigen Bestimmung Deiner Persönlichkeit für Dich verstehbar zu machen.
Dass die Außenbedingungen dafür in Deinem Fall denkbar ungünstig sind, hast Du wirklich eindrucksvoll dargestellt. Das wird sogar in der Art und Weise deutlich, wie Du Deine Situation beschreibst. So schreibst Du, dass Du in Deutschland als Ausländer aufgewachsen bist. Im nächsten Absatz erwähnst Du ein starkes Nationalgefühl, sagst aber nicht, ob dieses Gefühl nun für die Heimat Deiner Eltern oder für Deutschland gilt. Was Du mit Heimat meinst, bleibt letztlich auch offen, also ob es wiederum das Land ist, woher Deine Eltern kommen und über das sie Dir sicher viel (vermutlich in sehr positiver Grundtönung) erzählt haben, oder ob Du doch Deutschland meinst, in dem Du groß geworden bist.
Du hast folglich keine eindeutige ethnische Zuordnung für Dich realisieren können und eben daher ein Gefühl der „Nichtzugehörigkeit“ entwickelt – wirklich gut nachvollziehbar. Du sagst auch nicht, welche Sprache Deine Eltern bevorzugt mit Dir sprechen. Ist es die Landessprache ihres Herkunftslandes, dann wird sich Deine fehlende klare Zugehörigkeit auch kaum noch einstellen. Du wirst ein „Wanderer zwischen den Welten“ bleiben und Dich mit diesem „Trauermoment“ arrangieren müssen, was sich nur nochmals verfestigen lässt, wenn Du dereinst eine Partnerin/Partner aus dem Herkunftsland Deiner Eltern wählen wirst.
die identität unterscheidet mich von anderen wesen