Notwehr - Wie weit darf man gehen?

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Dieses Gesetz ist (wie so oft) bewußt vage formuliert. Laut StGB §32:

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Lösen wir das mal etwas näher auf:

  • Verteidigung

Notwehr ist immer eine Verteidigung, also eine Reaktion. Es muß zuerst ein Angriff vorliegen

  • erforderlich

Das zielt auf die Verhältnismäßigkeit ab - der Verteidiger darf also nur so viel Gewalt einsetzen, wie unbedingt notwendig ist, um den Angriff abzuwehren oder zu beenden.

Hierbei spielt natürlich die körperliche Konstitution zwischen Angreifer und Verteidiger eine entscheidende Rolle.

Beispiel: Angreifer A greift Opfer O an. A ist männlich, 1,90m groß, 95 kg, Bodybuilder. O ist weiblich, 1,60m, 50 kg, zierlich. Hier wäre ein Tritt in die Genitalien durchaus als "erforderlich" zu werten, da A körperlich O weit überlegen ist.

  • gegenwärtig

Der Angriff muß in diesem Moment stattfinden, eine zeitliche Lücke zwischen Angriff und Verteidigung darf nicht vorhanden sein.

Beispiel: Konstellation A und O s.o. Beim abendlichen Disko-Besuch grapscht A der O an den Busen, erfüllt also den Straftatbestand der sexuellen Nötigung. O tritt A direkt in die Weichteile -> Notwehr.

Zeigt O hingegen erst mal keine Reaktion, trifft A am nächsten Tag wieder und tritt im dann aus Rache in die Gonaden -> keine Notwehr, da kein gegenwärtiger Angriff.

  • rechtswidrig

Der Angriff muß rechtswidrig sein, d.h. ein Recht des Opfers verletzen.

Beispiel: O wird per Haftbefehl gesucht und bei einer Polizeikontrolle festgenommen. O wehrt sich dagegen -> keine Notwehr, da kein rechtswidriger Angriff.

  • von sich oder einem anderen

Beispiel: Konstellation A und O s.o. A grapscht O nicht nur an den Busen, sondern bedrängt sie vor der Disko in einer dunklen Ecke weiterhin massiv. Beobachter B sieht das, greift ein und verpaßt A einen Kinnhaken -> Notwehr

Das wird zwar manchmal als Nothilfe bezeichnet, juristisch aber unter dem selben §§ subsummiert.

Allerdings sind das hier nur die Grundlagen, es gibt einige zusätzliche Faktoren (z.B. den Erlaubnistatbestandsirrtum oder Notwehrexzess in verschiedenen Versionen) die beachtet werden müssen.

Insgesamt kann man nur sagen: Es gibt keine Liste "Das ist erlaubt - das ist verboten", sondern hier ist immer eine individuelle Fallbetrachtung unter Würdigung aller Faktoren notwendig (und darüber haben sich schon viele Juristen die Finger wund geschrieben).

Wie immer wäre hier die Antwort eines Juristen: es kommt darauf an.

Man darf tun, was auch immer notwendig/erforderlich/geeignet ist, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff gegen sich sicher und endgültig zu beenden. Nicht weniger - aber auch nicht mehr! Auf die Verhältnismäßigkeit kommt es dabei nicht an, eher auf die Zumutbarkeit - extreme Unverhältnismäßigkeit wird aber dennoch nicht geduldet!

Es gibt diverse Fälle, in denen sich eine strafbare Handlung als Verteidigung eben nicht durch Notwehr rechtfertigen lässt.

Haglaz  22.02.2014, 00:23

Dennoch muss die Notwehrhandlung erforderlich sein, das ist auch nur beim relativ mildesten Mittel der Fall, ganz ohne Interessensabwägung. Wenn ein gleichermaßen wirksames Mittel zur Verfügung steht, dass weniger in die Rechtsgüter des Angreifers eingreift, entfällt auch der Notwehrschutz.

karo13  22.02.2014, 10:19
@Haglaz

Jap genau. Wenn ich als kleine zierliche Frau mich aber nur mit dem Revolver aus meiner Handtasche verteidigen kann und eine andere Verteidigung mir nicht möglich und zumutbar ist, dann ist das halt so - auch wenn der Gebrauch einer Schusswaffe unverhältnismäßig erscheinen mag ;)

Bei Notwehr kann es bis zur Tötung gehen. Kommt aber auf die Situation an in der man steck.

Notwehr bedeutet Gefahr von der eigenen Person abwehren. Um jemanden handlungsunfähig zu machen, bedarf es sicherlich nicht der Tötung - ein Tritt in die E.... erscheint mir durchaus angemessen.

Notwehr begründet sich in der Aktion eines oder mehrerer anderer. Die Notwehrreaktion muss angemessen sein. Nur weil dich jemand beleidigt, darfst du ihn noch lange nicht töten.