Menschen unterscheiden sich von Tieren durch ihren Verstand, Autor?

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Äußerungen, der Mensch unterscheide sich von (anderen) Tieren darin, Vernunft/Verstand zu haben, gibt es von mehreren Denkern.

Inhaltlich ist diese Auffassung schon von Aristoteles vertreten worden. Aristoteles, Politik 1, 2, 1253 a erklärt, von den Tieren/Lebewesen habe allein der Mensch Logos. Logos (griechisch: λόγος) ist ein Wort mit vielen Bedeutungen. In diesem Zusammenhang kann an Sprache, Überlegung, Verstand und Vernunft gedacht werden.

Aristoteles, Nikomachische Ethik 1, 6, 1097 b 29 – 1098 a 5 gibt im Zusammenhang mit der Frage der spezifischen Funktion/eigentümlichen Leistung des Menschen als Unterschied zu allen anderen Lebewesen eine Tätigkeit des Teiles der Seele an, der Logos (griechisch: λόγος) besitzt.

Aristoteles, Nikomachische Ethik. Übersetzt und erläutert von Franz Dirlmeier. 10., gegenüber der 6., durchgesehenen, unveränderte Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 1999 (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar ; Band 6), S. 14:  

„Welche könnte das nun sein? Die bloße Funktion des Lebens ist es nicht, denn dies ist auch den Pflanzen eigen. Gesucht wird aber, was nur dem Menschen eigentümlich ist. Auszuscheiden hat also das Leben, soweit es Ernährung und Wachtstum ist. Als nächstes käme dann das Leben der Sinnesempfindung. Doch teilen wir auch dieses gemeinsam mit Pferd, Rind und jeglichem anderen Lebewesen. So bleibt schließlich nur das Leben als Wirken des rationalen Seelenteils. – Dieser aber ist anzusehen teils als Gehorsam übend gegenüber dem Rationalen, teils als das rationale Element besitzend und geistige Akte vollziehend.“

Aristoteles, Die nikomachische Ethik : griechisch-deutsch. Übersetzt von Olof Gigon, neu herausgegeben von Rainer Nickel. Düsseldorf ; Zürich : Artemis & Winkler, 2001 (Sammlung Tusculum), S. 29:  

„Welche mag sie nun sein? Das Leben offenbar nicht, denn dies besitzen auch die Pflanzen, wir suchen aber das dem Menschen Eigentümliche. Das Leben der Ernährung und des Wachstums ist also auszuscheiden. Es würde darauf das Leben der Wahrnehmung folgen, aber auch dieses ist gemeinsam dem Pferd und Rind und allen Tieren überhaupt. Es bleibt also das Leben in der Betätigung des vemunftbegabten Teiles übrig. Dieser findet sich vor teils als ein der Vernunft gehorchender, teils als ein die Vernunft besitzender und ausübender.“

Aristoteles, Nikomachische Ethik. Übersetzt und herausgegegeben von Ursula Wolf. Originalausgabe. Reinbek bei Hamburg : Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 2006 (Rororo ; 55651 : Rowohlts Enzyklopädie), S. 56:  

„Welche könnte das nun sein? Das Leben scheint der Mensch mit den Pflanzen gemeinsam zu haben, gesucht ist aber die ihm eigentümliche (idios) Funktion). Das [vegetative] Leben der Ernährung und des Wachstums ist also auszusondern. Als nächstes käme wohl das Leben der Wahrnehmung, doch auch dieses teilt der Mensch offenkundig mit dem Pferd, dem Rind und überhaupt mit jedem Tier. Übrig bleibt also ein tätiges Leben desjenigen Bestandteils in der menschlichen Seele (psyche), der Vernunft (logos) besitzt; von diesem hat ein Teil Vernunft in der Weise, dass er der Vernunft gehorcht, der andere so, dass er sie hat und denkt.“

René Descartes behauptet, nur Menschen hätten Ratio/Verstand/Vernunft (französisch: raison), Tiere dagegen überhaupt nicht, ebenso keinen Geist (französisch: esprit).

René Descartes, Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences (1637), Fünfter Abschnitt:

„Et ceci ne témoigne pas seulement que les bêtes ont moins de raison que les hommes, mais qu'elles n'en ont point du tout.“

„Das bezeugt nicht etwa nur, daß Tiere weniger Vernunft besitzen als die Menschen, sondern daß sie überhaupt keine besitzen.“

René Descartes, Entwurf der Methode : mit der Dioptrik, den Meteoren und der Geometrie. Übersetzt und herausgegeben von Christian Wohlers. Hamburg : Meiner, 2013 (Philosophische Bibliothek ; Band 643), S. 50 – 51 (der ganze Zusammenhang in deutscher Übersetzung):  

„Durch genau diese beiden Mittel kann man auch den Unterschied zwischen den Menschen und den Tieren erkennen. Denn es ist sehr bemerkenswert, daß es überhaupt keine so stumpfsinnigen und dummen Menschen gibt, sogar die Wahnsinnigen nicht ausgenommen, die nicht fähig wären, verschiedene Worte zusammenzustellen und aus ihnen einen Text (discours) zusammenzustellen, durch den sie ihre Gedanken einsichtig machen, während es überhaupt kein anderes Tier gibt, das ähnliches zuwege brächte, so vollkommen und vorteilhaft veranlagt auch immer es sein mag. Das liegt nicht an einem Mangel an Organen, denn man sieht, daß Elstern oder Papageien Worte äußern wie wir, gleichwohl aber nicht wie wir sprechen können, d. h. indem sie bezeugen, daß sie denken, was sie sagen. Dagegen erfinden taub und stumm geborene Menschen, denen die Organe, die andere zum Sprechen benutzen, ebenso oder noch weitgehender als die Tiere vorenthalten sind, gewöhnlich von selbst irgendwelche Zeichen, durch sie sich denjenigen verständlich machen, die alltäglich mit ihnen zu tun haben und die Muße haben, ihre Sprache zu erlernen. Das bezeugt nicht etwa nur, daß Tiere weniger Vernunft besitzen als die Menschen, sondern daß sie überhaupt keine besitzen. Denn wie man sieht, ist nur sehr wenig Vernunft nötig, um sprechen zu können. Außerdem bemerkt man, daß es zwischen Tieren derselben Art ebensoviel Ungleichheit wie zwischen Menschen gibt, und die einen leichter zu dressieren sind als die anderen: Es ist deshalb nicht glaubhaft, daß ein Affe oder Papagei, der der vollkommenste seinerArt wäre, darin nicht einem der dümmsten Kinder gleichkäme, oder zumindest einem Kind mit einem ganz getrübten Gehirn, wenn seine Seele nicht eine von der unsrigen ganz unterschiedliche Natur hätte. Auch darf man Worte nicht mit natürlichen Bewegungen verwechseln, die Leidenschaften bezeugen und von Maschinen ebenso gut nachgeahmt werden können wie von Tieren, noch darf man, wie einige der Alten, denken, daß die Tiere sprechen, wir aber ihr Sprachsystem nicht verstehen: denn da sie etliche Organe haben, die den unsrigen entsprechen, könnten sie, wenn das wahr wäre, sich uns ebenso gut verständlich machen wie ihren Artgenossen. Es ist ebenfalls sehr bemerkenswert, daß es zwar etliche Tiere gibt, die bei einigen ihrer Tätigkeiten mehr Einfallsreichtum bezeugen. Daß sie besser sind als wir, beweist deshalb nicht, daß sie Geist haben; denn so gesehen hätten sie mehr als irgendeiner von uns und wären in allem besser. Aber sie haben überhaupt keinen und es ist vielmehr die Natur, die in ihnen entsprechend der Anordnung ihrer Organe tätig ist. So sieht man ja auch, daß eine Uhr, die nur aus Rädern und Triebfedern zusammengesetzt ist, die Stunden zählen und die Zeit genauer messen kann als wir mit all unserer Klugheit.“


RouteUS66 
Fragesteller
 25.01.2018, 19:56

Vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort!

Auf die Nikomachische Ethik wollte ich hinaus, danke!

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Stimmt gar nicht. Auch Tiere haben Verstand, können Kausalzusammenhänge erkennen. Man denke daran, welche raffinierten, ausgeklügelten Methoden die Wölfe oder die Löwen bei der Jagd praktizieren.

Das, was die Tiere nicht haben, ist die Vernunft. Dazu zählen, neben höheren Verstandesgaben auch das moralische Empfinden. Das ergibt sich aus dem von Kant formulierten kategorischen (ethischen) Imperativ: „Handle immer so, dass die Maxime (Grundsatz) deines Handelns zugleich Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnte“. Niemand kann vernünftigerweise wollen, dass die Unmoral, also z.B. Diebstahl, Betrug allgemein erlaubt sind, denn dann müsste der Betreffende ja einverstanden sein, dass diese unmoralischen Handlungen auch gegen ihn selbst ausgeübt werden dürfen. So eine Einstellung aber wäre unvernünftig.

Man kann deshalb sagen: Der Mensch unterscheidet sich vom Tier durch die Vernunft.


RouteUS66 
Fragesteller
 25.01.2018, 19:56

Hi,

Hab auch nie behauptet dass das stimmt. War nur die Frage von wem das eigentlich kam.

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Das ist jetzt keine so große Kenntnis, für die man ein Berühmter und Intelligenter Denker oder Wissenschaftler sein muss.. 😂😂


RouteUS66 
Fragesteller
 30.11.2019, 12:08

Grenzte allerdings die Gruppe Menschen ein, in der ich den gesuchten wusste.
Allerdings hat sich meine ganze Ansicht zu diesem Thema die letzten Monate sehr geändert. War ja auch nur eine schulische Frage.

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